Zum Monatsende finden Sie auf SPOT stets eine sehr persönliche Zusammenfassung der Redaktion, was sie im vergangenen Monat beschäftigt und beeindruckt hat, was aufgefallen ist und den Blick lenkte. Viel Spaß dabei!
FAST FACTS OKTOBER 2024
• Paukenschlag: Paramount schließt die hiesige Kino-Dependance, Sony übernimmt für Deutschland
• Noch nicht genug: Der Oktober war ein durchwachsener Einstieg ins vierte Kinoquartal
• Zurich Film Festival feiert 20. Jubiläum
• In Monheim wurde mit dem EMOTION Kino die zweite Eröffnung eines Kinoneubaus seit der Pandemie gefeiert, in Stuttgart eine ganz besondere Wiedereröffnung
• Die Schauburg Karlsruhe wird von der BKM für das beste Jahresfilmprogramm 2023 ausgezeichnet, Verleihprogrammpreise gehen an DCM, Pandora und Plaion
• Viel Neues zur Förderreform, aber noch zu wenig zu wichtigen Säulen
• Habemus Tarifvertrag! Produktionsallianz, BFFS und ver.di erzielen die endgültige Einigung; über das Thema KI wird weiter verhandelt
• Björn Böhning ist neuer SPIO-Präsident, Julia Maier-Hauff zieht ins Präsidium ein
• Margot Robbie und Greta Gerwig geben Netflix eine Lektion in Sachen Kinoasuwertung
• „Joker: Folie à Deux” fällt beim Publikum durch – „Die Schule der magischen Tiere 3“ ist auf dem Weg zum stärksten deutschen Film des Jahres
• Bei der Verleihung der Blauen Panther in München konnte sich die Prime-Video-Serie „Maxton Hall” über zwei Auszeichnungen freuen
• Für das Erste wurden wieder fleißig neue Krimis gedreht. Neu für den Donnerstagabend: eine Krimireihe aus Salzburg
Thomas Schultze, Chefredaktion
Filme feiern
Bevor wir uns in die Untiefen schwieriger Boxoffice-Zeite bewegen, freuen wir uns unverändert darüber, dass und wie Filme gefeiert werden und mit ihnen das Kinoerlebnis, die einmalige Erfahrung, gemeinsam mit anderen Menschen von Geschichten gerüttelt und geschüttelt zu werden, auf eine Achterbahnfahrt geschickt, die von Lachen bis Weinen das komplette emotionale Spektrum abdeckt und obendrein den Kopf füttert. Festivals sind gemeint und damit eine Herbstsaison, die in diesem Jahr besonders intensiv war, viele Entdeckungen hervorgebracht hat, aber keinen Titel, der sich sofort als Favorit für die nun folgende Oscarsaison aufdrängen würde. Was es im Grunde noch spannender macht, weil in dem größeren Favoritenfeld, das nach aktuellem Dafürhalten wohl von den Cannes-Premieren „Anora“ und „Emilia Pérez“ angeführt wird, mit „September 5“ eine deutsche Produktion und mit „Konklave“ der neue Film eines deutschen Regisseurs sich in diversen Kategorien berechtigte Chancen zumindest auf eine Nominierung ausmalen dürfen. Im Oktober hatten wir die letzten Züge von Hamburg (toller Einstand für Malika Rabahallah), die Blütephase von Zürich (spitze 20. Jubiläum, toller Einstand für Roger Crotti), ein starkes Köln (wenngleich überschattet von den Kontroversen um Festivalleiterin Martina Richter), das gerne stärkeren Widerhall in der Öffentlichkeit finden dürfte. Und natürlich im nichtdeutschsprachigen Ausland noch London und New York. Im November folgen nun noch Tallinn mit einem großen Deutschlandfokus (u.a. die Weltpremiere von „Der Vierer“ als Eröffnungsfilm) und Marrakesch, im Dezember noch das Red Sea Film Festival in Dschidda, dann ist für 2024 der Deckel drauf!
Why so serious?
Einer der ganz großen Herbstfestivaltitel war, wir erinnern uns, „Joker: Folie à Deux“, der im Wettbewerb von Venedig Weltpremiere gefeiert hat und dort sofort von der internationalen Presse in einer hämischen und überheblichen Art angegangen wurde, als hätte Regisseur Todd Phillips beim letzten gemeinsamen Abendessen nach dem Besuch der Toilette vergessen zu spülen. It was personal. Als hätte es gegolten, ein Hühnchen zu rupfen mit dem Mann, der sich nie als großer Auteur aufgespielt hat, aber mit „Joker“ trotzdem den Goldenen Löwen in Venedig gewonnen und anschließend an den Kinokassen abgeräumt hatte. Was sich die Macher alles anhören mussten, die tatsächlich genau das nicht gemacht hatten, was die Kritik Comicverfilmungen sonst immer ankreidet: Es hatte nicht auf Nummer sicher gespielt (wie schon der erste Film nicht), er hat es sich nicht leicht gemacht, und er hat es nicht darauf angelegt, den Erwartungen der Fangemeinde zu entsprechen. Was nicht nur nicht gut genug, sondern, wenn man den Kritiken Glauben schenken durfte, genau der Grund war, warum der Film nichts taugt. Das enttäuschte Publikum, das sich einen Höhenflug von Joker und Harley Quinn erhofft hatte, eine zynische Schneise der Zerstörung, wurde mit einer Demontage der Figur des Joker konfrontiert, die, wenn man ehrlich ist, bereits in „Joker“ angelegt war, und damit einem der radikalsten Studiofilme aller Zeiten. Der Film wurde zum Flop. Und findet nunmehr machtvolle Fürsprecher in der kreativen Community, allen voran Quentin Tarantino, der „Joker: Folie à Deux“ lautstark feiert, aber auch andere namhafte Filmemacher wie Mark Romanek.
Barbie vs. Netflix
Überhaupt ist in den USA ein Kulturkampf entbrannt um den Rückzugsort Kino. Nach einem Herbst, in dem sich viele Erwartungen nicht erfüllt haben, mit „Joker: Folie à Deux“ als nicht besonders brauchbares Sinnbild für die „Krise“, muss wieder jeder eine Meinung dazu haben. Dass dabei eine zweifache Volte von den beiden treibenden Kräften hinter dem 2023 erfolgreichsten Kinofilm des Jahres – selbstverständlich „Barbie“ – geschlagen wurde, ist vielleicht bezeichnend: Sowohl Regisseurin Greta Gerwig wie auch Hauptdarstellerin/Produzentin Margot Robbie versuchen auf ihre Weise, der Übermacht von Netflix zu trotzen und dem Kino due Treue zu halten. Robbie hatte beim Wettbieten um ihr erstes Projekt nach „Barbie“, Emerald Fennells Neuverfilmung von „Stürmische Höhen“ mit Robbie und Jacob Elordi in den Hauptrollen ein Angebot über 150 Millionen Dollar von Netflix ausgeschlagen und sich für Warner Bros. entschieden, obwohl das Studio nur 80 Millionen Dollar auf den Tisch legte: Anders als Netflix garantiert Warner Bros. eine klassische Kinoauswertung mit substanziellem Marketing-Spend. Fast gleichzeitig ging Greta Gerwig auf die Barrikaden, die ihrerseits für Netflix eine drei Filme umfassende Neu-Adaption von „Die Chroniken von Narnia“ plant – nun aber nach einjähriger Vorbereitung angedroht hat, das Projekt zu verlassen, wenn Netflix nicht bereit ist, ihren Filmen eine entsprechende exklusive Vorlaufzeit in den Kinos zu gönnen. Offenkundig zeigt sich der neue Filmchef Dan Lin nach der Margot-Robbie-Schmach verhandlungsbereit, um nicht noch einen Topnamen zu verlieren, allerdings beharrt CCO Ted Sarandos auf seiner alten Position: „Wir sind im Subscriber-Geschäft.“ Wir bleiben dran.
Mein Film des Monats
„Landesverräter“
Die Pretiosen findet man manchmal unerwartet: Michael Krummenacher erzählt die Geschichte des ersten Schweizers, der während des Zweiten Weltkriegs wegen Kollaboration mit den Nazis hingerichtet wurde, mit intensivem Gestaltungswillen als Verlierer-Ballade, die förmlich elektrisiert. Hauptdarsteller Dimitri Krebs ist eine Entdeckung.
Marc Mensch, Chefredaktion
Nun ist es also angebrochen, das vierte Quartal. Oder genauer gesagt: Es ist schon wieder zu einem Drittel rum. Ein Quartal, das dem Kinomarkt den entscheidenden Schwung verpassen, die Lücke gegenüber 2023 auf ein verträgliches (sprich: erwartetes) Maß verringern soll. Nun ja, sagen wir es so: Laut FilmSource-Auswertung von Comscore betrug der Besuchsrückstand nach dem Wochenende vom 29. September 13,6 Prozent; nach jenem vom 27. Oktober noch 12,2 Prozent. Die Tendenz mag also gestimmt haben, aber diese Baby-Steps erfüllten die Erwartungen noch nicht so recht. Was leider nicht zuletzt daran lag, dass einer meiner Lieblingsfilme dieses Jahres zwar ein absolutes Kunstwerk, aber leider keine wirklich massentaugliche Produktion war. Während sich an den Kinokassen also leider nicht ganz so viel tat, wie gehofft, tat sich in der Branche umso mehr. Und beginnen muss ich leider mit dem…
Paukenschlag
Ein bisweilen durchaus überstrapaziertes Wort, aber eines, das fast noch zu milde gewählt klingt, wenn es um Paramount Pictures Germany geht. Als letzter Major hatte Paramount 2008 eine deutsche Kino-Dependance gegründet, gut 15 Jahre später wird der Schlussstrich gezogen. Kein eigener Verleih in einem der zehn umsatzstärksten Kinomärkte außerhalb der USA mehr. Dass der Schritt weniger über die hiesige Performance als über die Gnadenlosigkeit großangelegter Sparmaßnahmen im Vorfeld einer Übernahme aussagt, hilft den Betroffenen auch nicht weiter. Natürlich hat man mit Sony einen starken Partner für die hiesige Auswertung der künftigen Filme des Studios gefunden. Dennoch ist das Signal erschütternd.
Durchhalteparolen
Die mögen gerade auch in einem US-Kinomarkt angebracht sein, in dem der Oktober (nach einem ordentlichen dritten Quartal) enttäuschte und wenigstens ein Gutteil des Novembers auch kein Feuerwerk hervorzubringen scheint, wenn man aktuellen Prognosen glaubt. Aber hey – zumindest galt es schon einmal, tolle Vorverkaufsstarts von „Wicked“ und „Vaiana 2“ zu vermelden. Wo es diese Durchhalteparolen aber momentan vor allem – und gefühlt im Minutentakt – zu hören gibt, ist im Kontext der hiesigen Förderreform. Den (unbefriedigenden) Stand an dieser Stelle skizzieren zu wollen, würde natürlich jeden Rahmen sprengen, eine recht ausführliche (aber natürlich nicht erschöpfende) Zusammenfassung des letzten Standes finden Sie auf jeden Fall an dieser Stelle; zusammengefasst haben wir auch die Argumente aus der ersten Anhörung vor dem Kulturausschuss. Im Kalender anmarkern darf man sich (Sie konnten das natürlich wieder ebenso zuerst bei SPOT lesen wie die Empfehlungen des Haushaltsausschusses zum BKM-Etat) zumindest schon einmal den 6. und den 14./15. November, wenn es für das FFG in Richtung Ziellinie geht. Und zumindest nach heutigem Stand steht für den 14. November auch noch ein anderer, für das Schicksal der Filmförderung nicht gänzlich unbedeutender, Termin an, den man aufmerksam verfolgen sollte: die Bereinigungssitzung zum Bundeshaushalt 2025. Die jüngste Steuerschätzung legt nicht zwingend nahe, dass das ein Wohlfühltermin wird…
Apropos Wohlfühltermine
Oh doch, die gab es im Oktober aus Kinosicht etliche. Ganz große sogar. Denn der Monat bot gleich einmal einen Auftakt nach Maß: Die erste zweite Eröffnung eines Kinoneubaus seit der Pandemie. Wir haben ausführlich mit Thomas und Julian Rüttgers über das EMOTION Kino Monheim gesprochen – und uns natürlich auch die glanzvolle Einweihung im Branchenkreis nicht entgehen lassen. Keine Neu- aber doch zumindest eine ganz besondere Wiedereröffnung galt es in Stuttgart zu feiern, wo Heinz Lochmann ein ganz besonderes Projekt zum (vorläufigen…) Abschluss gebracht hat: Das Metropol – Ein Traumpalast-Kino. Wie viel Herzblut in diesem Haus steckt? Lesen Sie natürlich bei uns. Gefeiert werden durfte auch in Sulzbach. Keine Eröffnung, aber ein runder Geburtstag – der 30. des ersten Multiplex von Kinopolis. Und auf eine echte, rauschende Einweihungsparty muss man bei diesem Unternehmen nun hoffentlich auch nicht mehr allzu lange warten… Junge 30 wurde unterdessen auch das erste Miniplex der Republik, das Cineplex Vilsbiburg. Das gar nicht dort hätte entstehen sollen, wie uns die Betreiberfamilie Fläxl verriet. Ganz ehrlich: Mehr Spaß als an derartigen Berichten kann ich allenfalls haben, wenn ich eines Tages einmal den Vollzug einer großen Förderreform sollte vermelden können… Bis dahin gilt es jedenfalls weiterzufeiern. Im Colosseum, das 100 Jahre jung wird (und Aussicht darauf hat, noch ein wenig länger ein Kino von Hans-Joachim Flebbe beherbergen zu dürfen). Im CineStar Dortmund, wo am 13. November der Imax-Saal eröffnet. Oder im CineStar Metropolis, wo dasselbe Mitte Dezember geschieht. Unterdessen sind gute Nachrichten vom Kinobestand oft genug direkte Folge vorangegangener guter Fördernachrichten – nicht umsonst prägte das Ringen um eine Fortsetzung des Zukunftsprogramms Kino die Verleihung der Kino- und Verleihprogrammpreise der BKM in Frankfurt am Main. Herzlichen Glückwunsch an alle Ausgezeichneten und vor allem die wunderbare Schauburg aus meiner zweiten Heimat Karlsruhe – den diesjährigen Spitzenpreisträger, den ich am Wochenende wieder einmal besuchen darf. Und an DCM, Pandora und Plaion Pictures! Zumindest die Jury hat offenbar verstanden, was Verleiharbeit wirklich bedeutet…
Filmpolitisches
Nicht genug von Reformdebatten auf Bundesebene? Keine Sorge, die gab es auch auf SPIO-Ebene – nicht ohne ordentliches Rumoren im Hintergrund, wie SPOT bereits im September berichtet hatte. Nun blickt der Dachverband nach vorne – und das mit Björn Böhning an der Spitze und Julia Maier-Hauff als willkommenem Neuzugang in einem nun weiblicheren Präsidium. Böhning sprach mit uns nicht nur über die neue, zusätzliche Verantwortung. Sondern auch über die kurz zuvor nach einem kompletten Jahr an Verhandlungen erzielte Tarifeinigung mit dem BFFS und ver.di.
Kinoliebe
Kann man schlicht nicht besser zur Schau stellen als Margot Robbie in ihrer Rolle als Produzentin. 150 Mio. von Netflix für „Wuthering Heights“? Oder 80 von Warner – dann aber mit Kinoauswertung? 70 Millionen Gründe, sie als Kinounternehmer ins Herz zu schließen. Und was die Männer nicht so recht hinzubekommen scheinen, das soll Greta Gerwig als Regisseurin von „Narnia“ gelingen: Netflix zu Konzessionen in Sachen Kinoauswertung zu bewegen. Unterdessen sorgt Amazon mit seiner Auswertungsstrategie für „Red One“ hierzulande für ein neuerliches Aufflammen der Debatten um die Länge der Kinofenster.
Obiter dictum
Falls Sie unseren wöchentlichen Rückblick noch nicht regelmäßig lesen sollten, möchte ich Ihnen diesen wärmstens empfehlen. Schließlich kann selbst ein ausführlicher Monatsrückblick nur an der Oberfläche dessen kratzen, was wir Woche für Woche, Tag für Tag aus der Branche und für die Branche berichten. An dieser Stelle möchte ich nur gerne noch auf unser Interview zur ersten Bilanz für Cineville in Deutschland verweisen. Tolles Projekt. Und natürlich auf unsere eingehende Betrachtung der Neun-Monats-Bilanz von Comscore. Nicht ganz so tolle Zahlen. Darum noch ein abschließender Shout-Out in Richtung „Die Schule der magischen Tiere 3“. Ich behaupte jetzt einfach: Für diesen Tophit werden wir uns noch bei der Verleihung einer GOLDENEN LEINWAND sehen…
Mein Film des Monats
„Joker: Folie à Deux“
Glasklar. Mit himmelweitem Abstand. Natürlich war ich, ganz anders als der Großteil des Publikums, auf das vorbereitet, was Todd Phillips da aus dem Hut zaubern würde – und damit meine ich noch nicht einmal die (fast durchgängig wunderbaren) Musical-Nummern. Sondern die Tatsache, dass dieser Film der allgemeinen Erwartungshaltung brutalstmöglich zuwiderlaufen würde (Was genau der Punkt ist!). Ob das geholfen hat – oder ob ich ihn noch mehr gefeiert hätte, wenn mich das Ende noch hätte überraschen können? Sei‘s drum. Dass der Film kommerziell keine Bäume ausreißt, kann ich absolut nachvollziehen. Die teils aggressive Ablehnung, die ihm seitens der Kritik zuteilwurde, nicht. Nicht im Mindesten – und damit meine ich noch nicht einmal den einen oder anderen toxischen Clickbait-Kanal auf YouTube. Ironischerweise verkörpert „Joker: Folie à Deux” aus meiner Sicht genau das, was immer wieder gerne (durchaus zurecht) eingefordert wird. Freie Hand für Kreative. Ein Film abseits eingefahrener Bahnen. Ein mutiges Werk. Und nichts gegen einen satten Splatterspaß. Aber will mir ein Kritikenspiegel wirklich ernsthaft weismachen, „Terrifier 3“ sei der künstlerisch bessere Clownsfilm…?
Honorable Mention
„Hagen – Im Tal der Nibelungen“
Kein Witz: Der absolute Favorit meines Sohnes (der „Woodwalkers“ aber auch erst noch sehen muss). Und auf alle Fälle ebenfalls ein Film, der viel mehr Erfolg verdient hätte…
Michael Müller, Redakteur TV & Streaming
Ministerpräsidentenkonferenz
Die Ministerpräsidentenkonferenz zum Reformstaatsvertrag für die Öffentlich-Rechtlichen brachte zuerst noch mehr Unklarheit. Das lag zuvorderst an der Kommunikation: Als Auftakt wurde von den Unions-geführten Bundesländern der Bild-Zeitung wenige Informationen durchgesteckt, die dann einen „Hurra, der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird abgebaut“-Artikel schrieb. Dann galt das gesprochene Wort der drei vor die Kameras getretenen Ministerpräsidenten und wenige Tweets des Bremer Bürgermeisters. Und so kann man im Nachhinein schriftlich diverse Details des Reformstaatsvertrages durchgehen und stellt fest: Vieles stimmte in der ersten Berichterstattung nicht oder war zu ungenau. Exemplarisch seien die auf 5 Prozent gedeckelten Sportrechte von ARD und ZDF herausgegriffen, was zuerst als Erfolg für die privaten Anbieter gefeiert wurde. Tatsächlich beziehen sich aber die 5 Prozent auf die Gesamtausgaben und nicht nur auf die Programmausgaben von ARD und ZDF, womit sich dort an der jährlichen Summe von 400 Millionen Euro nicht viel ändern wird, wie die Kollegen von epd-Medien als Erstes vorrechneten.
Die um 58 Cent von der KEF empfohlene Rundfunkbeitragserhöhung ist auch nicht abgesagt, sondern die Entscheidung dafür wurde auf den Dezember beim nächsten Treffen vertagt. Dann soll auch ein neues Verfahren präsentiert werden, bei dem in den nächsten Beitragsperioden ab 2027 nicht immer alle Landesparlamente zustimmen müssen, sondern es für die Teuerungsrate einen gewissen Automatismus per Verordnung gibt. Das wäre eine große Verbesserung hin zu einer Entpolitisierung des Prozesses, wenn nicht ein wahrscheinliches Veto-Recht eingebaut wird. Die offene Beitragserhöhung bleibt der größte Unsicherheitsfaktor für ARD, ZDF und Deutschlandradio, die wohl auch nicht im Dezember für den 1. Januar 2025 kommt, sondern letztlich wieder vor dem Bundesverfassungsgericht eingeklagt werden muss. Auch der so sehr angezählte Sender 3sat ist noch nicht Geschichte. Dazu waren die Formulierungen der Ministerpräsidenten zu schwammig. Ohne vorgegebenen Zeithorizont wurde gesagt, dass dereinst 3sat in eine europäische Kulturplattform mit Arte aufgehen könnte. Wann diese Kulturplattform entsteht, steht aber auch noch in den Sternen. Klar, es wird Einschnitte bei den TV-Spartensendern und den Radiowellen geben. Die Öffentlich-Rechtlichen sind auch angehalten, ihre Inhalte bei den privaten Streaming-Plattformen von ProSiebenSat.1 und RTL Deutschland on demand zu teilen. Online soll es weniger Text und mehr Video und Audio geben. Aber die jetzt angestoßenen Reformen sind weder der Untergang des Abendlandes noch der Untergang der Öffentlich-Rechtlichen, die sich sowieso schon im Reformprozess befinden.
Mein Film des Monats
„Terrified“
In Vorbereitung auf Halloween ein paar Horror-Perlen wie „Late Night with the Devil“, „The Empty Man“ oder „The First Omen“ nachgeholt. Am meisten angetan war ich aber von dem argentinischen Horrorfilm „Terrified“ von Regisseur Demián Rugna (bin sehr auf seinen neue Film „When Evil Lurks“ gespannt), der mit einem überschaubaren Budget, aber unendlicher Vorstellungskraft einen der spannendsten und atmosphärischsten Horrorfilme der vergangenen Jahre über mysteriöse Vorkommnisse in einem Stadtteil von Buenos Aires drehte.
Meine Serie des Monats
„7 vs. Wild“ Staffel 4
Neun von wahrscheinlich 16 Episoden habe ich schon gesehen. Meiner Meinung nach ist es vielleicht die unterhaltsamste, weil härteste Staffel in diesem Survival-Kosmos, bei dem Influencer und Promis mit eigenen Kameras in der Wildnis ausgesetzt werden. Hart ist die Staffel nicht nur wegen der eiskalten klimatischen Bedingungen Neuseelands, sondern weil hier auch erstmals Gruppendynamiken mit reinspielen. Der Erfinder Fritz Meinecke hat sich aus dieser Staffel als Protagonist herausgezogen, was aber überhaupt nicht geschadet hat. Und es war sehr smart von Amazon, diese Staffel auch auf Prime Video und nicht mehr nur bei Freevee auszuspielen. So gibt es auch weniger Werbung. Ich schaue die Episoden meistens um Mitternacht, wenn sie online gehen, um im Netz nicht gespoilert zu werden.
Jochen Müller, Redakteur
Preisverleihung
Zum dritten Mal fand am 23. Oktober in der BMW Welt in München die Verleihung des Blauer Panther – TV & Streaming Award statt. War bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises ziemlich genau einen Monat vorher noch die ARD-Serie „Die Zweiflers“ der große Gewinner, konnte ein solcher bei der Panther-Verleihung nicht ausgemacht werden.
Über zwei Auszeichnungen konnten sich die Verantwortlichen der Prime-Video-Serie „Maxton Hall – Die Welt zwischen uns“ freuen. Die Produktion von UFA Fiction erhielt ebenso einen Blauen Panther wie Headwriterin Daphne Ferrano.
Neuesuper und Markus H. Rosenmüller erhielten den Blauen Panther für Produktion und Regie der RTL+-Serie „Neue Geschichten vom Pumuckl“, Katharina Stark wurde für ihre Rolle in der Disney+-Serie „Deutsches Haus“ ausgezeichnet, Marvin Kren erhielt den Blauen Panther als Creator und Showrunner der Netflixserie „Crooks“, Lorenzo Germeno für seine Rolle in „Nackt in Berlin“ mit dem Nachwuchspreis.
Leer ging aber auch „Die Zweiflers“ nicht aus: Aaron Altares erhielt für seine Rolle in der von Turbokultur produzierte Serie den Schauspielpreis.
Nachschub
Die ARD hat im Oktober mächtig für Nachschub für ihre Krimireihen gesorgt. In Wien entstehen derzeit die Filme zwölf und 13 aus der Reihe mit Philipp Hochmair in der Rolle des blinden Sonderermittlers Alexander Haller, in Passau werden zwei neue Filme mit Marie Leuenberger und Michael Ostrowski als Ex-Polizistin Frederike Bader Detektiv Ferdinand Zankl gedreht, für zwei neue „Steirerkrimis“ mit Hary Prinz und Anna Unterberger in den Hauptrollen fiel die letzte Klappe, an der deutsch-niederländischen Grenze inszeniert Hans Steinbichler einen „Tatort“, Johannes Naber führt beim nächsten Lindholm-„Tatort“ Regie und der von Fritz Karl in der ServusTV-Serie „Meiberger“ gespielte forensische Kriminalpsychologe Thomas Meiberger bekommt zwei 90-minütige Auftritte am Donnerstagabend im Ersten.
Quoten-Phänomen
Beliebt war die ZDF-„heute show“ ja schon immer, aber im Oktober – so scheint es mir – hat das satirische ZDF-Nachrichtenformat noch einmal an Beliebtheit hinzu gewonnen. Am Freitagabend war die „heute show“ vor allem bei der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen das Maß der Dinge, ganz gleich, ob RTL die „Ninja Warriors“ ins Rennen schickte“ oder das Erste den Fußball-Klassiker der Frauen zwischen England und Deutschland. Einzig dem Nations-League-Spiel zwischen Deutschland und Bosnien-Herzegowina musste sich die „heute show“ in dieser Zielgruppe im Oktober geschlagen geben.
Mein Film des Monats
„Der Buchspazierer“
Ich mochte Christoph Maria Herbst ja schon immer, ganz gleich, ob als Stromberg oder als bürgerlicher Intellektueller Stephan Berger in Sönke Wortmanns Filmen „Der Vorname“ und „Der Nachname“. In „Der Buchspazierer“ hat er mir als etwas sonderbarer Alter, in seiner eigenen Welt der Bücher lebt, in die die kecke Schascha anfangs ungewünschte Abwechslung bringt, auch wieder sehr gut gefallen.