Nicht nur Christopher Bausch als diesjähriger Gastgeber für die Verleihung der BKM-Preise nutzte die Gelegenheit, im Beisein von Claudia Roth noch einmal nachdrücklich für eine Fortsetzung des Zukunftsprogramms Kino zu werben. Auf Ebene der Kulturstaatsministerin rennt man mit dieser Forderung an sich offene Türen ein – doch es gilt, ihr den Rücken bei diesem Anliegen zu stärken.
Nein, die Laune wollte man sich an diesem Abend nicht von unklaren Förderperspektiven (oder einem insgesamt nicht ganz zufriedenstellenden Auftakt des vierten Quartals) verderben lassen. Schließlich hatten Christopher Bausch und sein Team eine tolle Feier auf die Beine gestellt. An einem Ort, dessen Lage inmitten eines Industriegebietes zu Beginn zwar durchaus humorig kommentiert wurde – der aber tatsächlich einen kleinen Teil der Musikgeschichte repräsentiert. Ob Techno im einstigen Cocoon Club (und jetzigen Zoom) wirklich „erfunden“ wurde, sei einmal dahingestellt. Legendär war der Club dank seines Mitbetreibers Sven Väth aber allemal.
Es ist auch nicht so, dass es nicht jede Menge zu feiern gegeben hätte an diesem Abend. 1,8 Mio. Euro wurden unter 239 Kino verteilt – macht im Schnitt gut 7500 Euro pro Haus – wobei der Schauburg Karlsruhe als diesjährigem Spitzenpreisträger für das Jahresprogramm 2023 insgesamt 22.500 Euro an Prämien zugesprochen wurden. Unterstützung, die man in herausfordernden Zeiten natürlich umso dankbarer entgegennimmt, zumal über Monate hinweg eine Kürzung der Gesamtsumme um 200.000 Euro im Raum gestanden hatte. Gleichzeitig hat die Auszeichnung durch die BKM natürlich einen höheren Wert als er durch die reine Prämiensumme zum Ausdruck gebracht wird. Der Preis, so Bausch, schaffe Öffentlichkeit, sorge dafür, dass besondere Kinos und besonderes Kinoprogramm bekannter gemacht werde – und er könne letztlich dazu beitragen, das Publikum zu motivieren. Im Idealfall auch neues.
Zur Preisträgermeldung und der Übersicht sämtlicher Gewinner
Unterdessen nutzte Bausch – wie schon vor rund einer Woche bei der Verleihung des Hessischen Film- und Kinopreises – die Bühne auch, um noch einmal in aller Deutlichkeit darzulegen, wie unverzichtbar Investitionen in den Kinobetrieb sind. Dabei sollte Roth die spezifische Wortwahl aufgefallen sein. Denn Bausch sprach nicht von Kinos, in denen es dank Investitionen besser laufe als anderswo. Sondern explizit von Kinos, die dank der Investitionen „weniger dramatische Rückgänge“ zu beklagen hätten.
Nun spricht mit Bausch kein Zauderer. Sondern ein echter Macher. Jemand, der Unternehmergeist und Mut zum Risiko beweist, der selbst 2021 inmitten der Pandemie seine Frankfurter Kinos Harmonie und Cinema um das Eldorado ergänzte und der erst im Sommer – zumindest zeitweise – den Betrieb des Mainzer Capitol übernahm und somit die Arthouse-Flagge hochhält, bis ein Neubau dieses Haus (und das geschlossene Palatin) ersetzt. Möglicherweise dann wiederum mit ihm am Steuer? Nicht ausgeschlossen. Dass es wieder eine Anlaufstelle für Filmkunst in Mainz gibt – noch dazu in den Händen eines so engagierten Betreibers – ist großartig. Der Seitenhieb von Moderatorin Ariane Binder, die beklagte, dass man „acht Monate lang dem Programm einer Kette ausgeliefert“ gewesen sei, war unterdessen einfach nur überflüssig. Aber gut – man erinnert sich ja durchaus an Verleihungen, bei denen Roths Amtsvorgängerin (die aber ohnehin eher nicht im Verdacht stand, übermäßige Kinoaffinität zu besitzen, ganz gleich für welchen Typ) vergleichbare Sprüche gleich selbst auf der Bühne riss…
Aber zurück zu Bausch: Hier sprach jemand, der ganz genau weiß, was es bedeutet zu investieren – der aber auch ganz genau weiß, was er ohne Unterstützung durch ein Zukunftsprogramm nicht hätte realisieren können. Es sprach jemand, dem es auch dank staatlicher Förderung gelungen ist, Kinos vor dem Exitus zu retten. Es sprach also vor allem jemand, der genau das erreicht hat, was die Politik als Ziel ausgibt: Kinos zu bewahren, zu stärken, in die Zukunft zu führen. Oder anders gesagt: Jemand, dem man zuhören sollte.
Und ja – auch dieser Auftritt von Roth vermittelte den Eindruck, dass sie das durchaus tut. Dass sie gerne helfen würde. Dass sie gerne auch für die kommenden Jahre eine Kinoinvestitionsförderung in Form des Zukunftsprogramms bereitstellen würde. „Wir wissen, dass sie vor großen Herausforderungen stehen und mehr erwarten als nur Dank und warme Worte!“, so Roth, die einmal mehr versprach, sich im parlamentarischen (Haushalts-)Verfahren mit aller Kraft für die Fortsetzung des ZPK einzusetzen – die aber auch klar machte, dass es nicht einfach ist („Es war nie als dauerhafte Maßnahme angelegt“), dass es nicht in ihren Händen liegt. Und dass sie die Unterstützung einer Branche benötigt, die laut ist; die laut bleibt. „Christian Bräuer’s got you covered“ könnte man (nicht nur) mit Blick auf den Abend da sagen – aber klar ist: Die gerade präsentierte Steuerschätzung macht die Verhandlungen zum Haushalt nicht einfacher. Gegenüber der Schätzung aus dem Mai stehen bis 2028 nun prognostizierte Mindereinnahmen in Höhe von 12,7 Mrd. Euro im Raum. Gut, die Zahlungen an die EU werden 2025 wohl um 7,4 Mrd. Euro geringer ausfallen als geplant. Und ob der Haushalt 2026 noch Lindners Problem ist, sei einmal dahingestellt. Aber bei seiner Rede am Donnerstag machte der Bundesfinanzminister ausgesprochen klar, für wie groß er die Spielräume denn so hält…
Dass man „die gesamte Branche im Blick“ habe, wie es Roth versicherte – das wollte an diesem Abend nicht jeden überzeugen. Keine Frage: Für die Haushaltssituation kann die BKM nichts – und dass beim Verschiebebahnhof BKM-Etat tatsächlich auch eine echte Mittelerhöhung für die kulturelle Filmförderung aufs Gleis gebracht zu werden scheint (in trockenen Tüchern ist vor der Bereinigungssitzung natürlich nichts), die am Ende auch der Verleihförderung zugutekommt, ist in diesen Zeiten mehr als anerkennenswert. Aber wenn ein BKM-Amtschef öffentlich sagt, dass man zwar sehe, dass eine Gruppe „aus gutem Grund“ Unzufriedenheit äußere, man aber halt einfach keine Lösung wisse, ist das vielleicht nicht vollumfänglich das, was sich Betroffene darunter vorstellen, „im Blick“ zu sein…
Übrigens ist das Zukunftsprogramm nicht die einzige Maßnahme, für die Roth gerne noch eine Summe x im Haushalt sehen würde und dabei auch auf die Unterstützung der Branche pocht: Rund 754.000 Kinotickets seien mittlerweile via Kulturpass-Guthaben erworben worden, das entspreche rund 8,7 Mio. Euro Umsatz. „Der KulturPass wirkt, helfen Sie mir, dass er erhalten bleiben kann“, so die BKM. Sagen wir es so: Die gefühlte Begeisterung dafür, dieser Bitte nachzukommen, war zumindest nicht so ausgeprägt wie im Fall des ZPK.