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Schauspielerin Lia von Blarer über „Bad Influencer“: „Es gibt so viele bescheuerte Begriffe in dieser Internetkultur“

In der achtteiligen Serie „Bad Influencer“ (hier unsere SPOT-Besprechung), die einen satirischen Blick auf die Social-Media-Welt wirft, ist Lia von Blarer eine Wucht. Über ihr eigenes Verhältnis zum Thema Social Media & Influencer, weirde Erkenntnisse im Zuge der Recherche und das tolle Team spricht sie im Interview. Die Serie ist ab 8.11. in der ARD Mediathek.

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Lia von Blarer (Credit: Jessica Csak)

Welches Verhältnis haben Sie persönlich zu Social Media & dem Thema Influencer?

Lia von Blarer: Das ist eine gute Frage. Ich habe das Gefühl, es schwappt immer mehr ineinander. Von Schauspielpersonen wird immer häufiger erwartet, dass sie gleichzeitig Influencer sind, und umgekehrt ist es manchmal so, dass Influencer anfangen zu spielen, was hin und wieder funktionieren mag. Von der anderen Seite betrachtet, aus der Schauspielperspektive, muss ich sagen: Das ist nicht mein Beruf. Die Influencer/Social-Media-Welt hat wenig mit dem zu tun, was ich studiert und gelernt habe, was ich unter meinem Beruf verstehe. Bei Social Media geht es immer auch um die Darstellung des eigenen Privatlebens – das finde ich super schwierig. Dieses Sich-selbst-Inszenieren, in verschiedenen Momenten, oft für verschiedene Produkte, sich selbst mit dem Handy aufnehmen, verstehe ich nicht. Gleichzeitig weiß man gar nicht, wie schwierig das sein kann, wenn man es nicht ausprobiert hat. Ich bin im Rahmen der Arbeit an unserer Serie zum Teil daran verzweifelt. Es ist einfach was anderes, wenn da ein Set ist, wenn da Menschen sind, jemand, der fürs Licht zuständig ist, für die Kamera etc. Filmemachen ist ein Zusammenspiel. Wenn das alles wegfällt, und man nur mit sich selbst spielt, ist das ein ganz anderes Genre.

„Bad Influencer“ wirft einen sehr humorvollen und satirischen Blick auf diese Welt. Was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie das Drehbuch gelesen haben? Was machte den Reiz aus, in die Rolle von Hauptdarstellerin Donna zu schlüpfen?

Lia von Blarer: Mein erster Impuls war: wenn hinter „Bad Influencer“ die Autorinnen- und Regienamen Lilli Tautfest, Melanie Waelde und Anika Soisson stehen, kann es nicht totaler Quatsch sein! Bei der ersten Lektüre mag einem schon dieses etwas Platte und Attitüdenhafte ins Auge springen. Ich habe da aber dem Kreativtrio vertraut. Zum Glück! Und zu Donna kann ich sagen: Es gibt wenige so unsympathische, widerspenstige Figuren wie sie… Die ist schon echt auch nicht nett. Das finde ich super.

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„Bad Influencer“ – Salome Kießling und Lia von Blarer (Credit: WR/Maor Waisburd)

Lilli Tautfest und Melanie Waelde führten auch Regie. Über was habt ihr euch Vorab unterhalten und ausgetauscht?

Lia von Blarer: Wir hatten eine Probenwoche, die essenziell und hilfreich war, weil wir wirklich wenig Zeit hatten, nur 24 Drehtage für acht Folgen. Das war knackig. Diese Probenwoche hat uns geholfen, um gemeinsam zu probieren, auszutesten, in Szenen zu gehen, ohne am Set zu stehen, zu hinterfragen, was darin verhandelt wird, worum es geht. Da hat das ganze Ensemble mitgezogen, egal, wie klein oder groß die jeweilige Rolle war. Alle waren da. Das zeichnet Lilli und Melanie auch aus: Sie nehmen die gemeinsame Vorbereitungszeit sehr ernst. Natürlich bereite ich mich als Schauspielerin auch viel allein vor. Aber schöner ist es, wenn man es im Kollektiv macht und zusammen nachbohrt. Zur Vorbereitung hat uns Melanie auch viele Links geschickt zu ihren Lieblings-Tradwifes oder den schlimmsten Manfluencern. Da kann man sich ganz schön verlieren in diesen rabbit holes.

Wie war der Prozess des Drehens? Auch unter dem Aspekt, des häufig direkt in die (Handy)Kamera Spielens?

Lia von Blarer: Mir hat die sehr penible Textarbeit geholfen. Das direkte Sprechen in die Kamera ist eine Herausforderung. Ich weiß nicht, ob andere Schauspielende diesen Effekt auch kennen. Es ist einfach etwas anderes, wenn man direkt in eine Kamera sprechen muss. Und bei Donna gibt es einige Monologe, die sie in die Kamera spricht… auch wenn es nicht unbedingt per se die Filmkamera war, sondern die Handykamera, die auch aufgenommen hat… Auf alle Fälle habe ich mich sehr auf den Text konzentriert, einige Sachen auch noch „ver-Donnaisiert“, ein paar Begriffe eingestreut… Es gibt so viele bescheuerte Begriffe in dieser Internetkultur wie Moingiorno, das ist ein riesiger Fundus. Es war schön, eine Figur zu spielen, die sich bei all dem bedienen kann. 

„Die Radikalisierung dieser Bubbles ist wirklich die dark side von Social Media.“

Welche Begriffe – außer Moingiorno – waren denn noch illuminierend? 

Lia von Blarer: Es gab viele Begriffe, mit denen ich nicht in Berührung war vor „Bad Influencer“. Zum Beispiel diese ganze Incel-Community, Männer, die im unfreiwilligen Zölibat leben und davon überzeugt sind, dass ihnen von Natur aus eine Frau zusteht und es widernatürlich ist, dass sie keine Freundin haben. Oder Tradwifes – eine Bewegung, die ich auch nicht verstehe. Ich schaue diese jungen Frauen in diesen Kostümchen an, die in der Küche stehen und Frühstück für ihren Mann machen und schwärmen… Puuuhhh. Aber hey: Who am I to judge? Jeder kann sich das selbst aussuchen. Aber es braucht schon viel Raum, um dafür eine Form von Akzeptanz zu finden. Genau das ist so schwierig in unseren Zeiten. Wir müssten viel mehr nach solidarischen Lösungen suchen, aufeinander zugehen, wieder mehr lernen und zulassen… 

Das ist bei Social Media schwierig…

Lia von Blarer: Das ist wirklich die dark side von Social Media, die Radikalisierung dieser Bubbles, die eigene Meinung, die immer auch gleich eine Expertenmeinung ist. Anstatt zu akzeptieren, dass es Bereiche gibt, die sehr komplex sind und sich nicht runterbrechen lassen auf ein Zehn-Sekunden-Video. Es ist schon krass, wie Algorithmen verstehen, wie Clickbaits funktionieren. Und dass jeder etwas anderes ausgespielt bekommt. Person X sieht nur das, Person Y jenes. Wir kriegen nicht alle das gleiche zugespielt. Als ich mich zur Vorbereitung mit dem Thema Incel beschäftigt habe, hat es vielleicht sieben Videos gebraucht, bis ich nur noch Content in diese Richtung bekommen habe oder Content, der in Verlängerung da reinpasst, wie Pro-Trump-Videos. Das ist schon erschreckend. 

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„Bad Influencer“ mit Lia von Blarer und Lukas T. Sperber (Credit: WR/Maor Waisburd)

Haben Sie sich auch das niederländische Original angeschaut?

Lia von Blarer: Direkt nach dem Dreh. Das war meine erste Amtshandlung. Davor wollte ich auf keinen Fall, weil man sich auch freimachen, die eigene Fantasie walten lassen muss. Das liebe ich auch. Doch dann war ich doch neugierig und wollte wissen, wie die das gemacht haben. Ich war sehr erleichtert, dass es sehr anders ist. Ganz anders.

Ganz allgemein gefragt: Was muss ein Stoff mitbringen, dass er auf Ihr Interesse stößt?

Lia von Blarer: Das ist sehr unterschiedlich. Mich reizen Stoffe, die in mir etwas bewegen, bei denen ich das Gefühl habe, dass es um Figuren geht, die nicht eindeutig sind, sondern die sich auf verschiedenen Ebenen lesen lassen. Das lässt sich auch über die Geschichten per se sagen: Geschichte und Figuren müssen dreidimensional sein, keine einfachen Lösungen präsentieren. Ich bin seit fünf Jahren in diesem Beruf und hatte sehr viel Glück, mit tollen Leuten zu arbeiten. Bis jetzt habe ich mich immer auf Augenhöhe getroffen, noch nie eine Arschlocherfahrung gemacht. Das klärt sich eigentlich schon im Casting. Ich verlasse mich auf meine Intuition.

„Geschichte und Figuren müssen dreidimensional sein.“

Sie stehen auch auf der Theaterbühne, eine komplett andere Welt im Gegensatz zum Film/TV. Ist Ihnen eine dieser beiden Welten lieber?

Lia von Blarer: Wenn ich das eine mache, vermisse ich das andere. Ich habe die letzten Jahre mehr Film gemacht und merke, dass ich in der Theaterwelt nicht mehr so viele Leute kenne. Im Film bin ich angekommen… wir kennen uns gegenseitig, die Branche und ich… Im Theater sehe ich mittlerweile Inszenierungen von Leuten, deren Namen mir fremd sind. Das funktioniert nicht selbstverständlich. Ich konnte mich aber auch nie für ein Festengagement am Theater entscheiden, weil ich mich nach der Schauspielschule nicht gleich wieder in die Hände einer Kunstinstitution begeben wollte, die mir wieder sagt, was ich spielen soll. Das war eine bewusste Entscheidung. 

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„Bad Influencer“ – Als überzeugte Feministin in eine Influencer-Challenge kann ganz schön anstrengend sein… und zu Blessuren führen: Lia von Blarer als Donna (Credit: SWR/Maor Waisburd)

Worin liegt jeweils der Kick?

Lia von Blarer: Beim Theater bekommt man jeden Abend einen neuen Versuch, kann die Figur noch mal bisschen neu gestalten, etwas neues herausfinden, herausholen… Theater ist wie ein längerer Work-in-Progress, den man von Anfang bis Ende gemeinsam erkundigt. Das liebe ich sehr. Ich finde auch Proben was Tolles. Manchmal mag ich Proben lieber, als das eigentliche vor dem Publikum spielen. Und die Sprache natürlich! Dieses Durchkaufen von Theatertext ist sehr besonders. Beim Film muss man damit leben, dass es das ist, was es wird und dass man nicht mehr gefragt wird… Gleichzeitig ist es eine viel detailverliebtere Arbeit, weil man mit einem Zucken im Gesicht schon 1000 Sätze sagen kann. Das ist toll an einer ganz nahen, präzisen Kameraarbeit. 

Sie leben in Berlin und Paris. Arbeiten Sie auch in Frankreich?

Lia von Blarer: Ich habe mein letztes Semester an der Schauspielschule École supérieure d’art dramatique studiert. Dabei habe ich mich sehr unterwartet in diese Stadt verliebt. Seither pendle ich, merke aber auch, dass es schwierig ist, weil man nirgendwo so richtig ist. Kurz vor Corona habe ich noch für eine deutsch-französische Theaterproduktion geprobt, die dann allerdings leider komplett abgesoffen ist in der Pandemie. Die französische Film-/Theaterwelt ist eine in sich abgeschlossene, andere Welt, von der ich aus Berlin aus nicht so viel Zugang habe. An der Uni habe ich gemerkt, was für Qualitäten es haben kann, nicht in der eigenen Muttersprache zu spielen und wie anders das Spiel ist. Man muss irgendwie irgendwo mindestens den kleinen Zeh in die Tür bekommen… Und wenn man mal vier Monate nicht da war, ist die Tür schnell wieder zu. Ich hätte viel Lust drauf, muss nur gucken, wie ich das jongliert bekomme.


Das Gespräch führte Barbara Schuster