Am Donnerstag startet der Film, der auch in den deutschen Kinos endlich den Sommerkino-Bann brechen soll. Was „Alles steht Kopf 2“ darüber hinaus noch alles zu bieten hat und warum er für einen neuen Aufbruch bei Pixar steht, erzählte uns Regisseur Kelsey Mann im SPOT-Interview.
„Alles steht Kopf“ ist ein wunderbarer Film, der völlig für sich alleinstehen kann. Und dennoch haben Sie eine Fortsetzung gemacht. Sind die Gründe rein wirtschaftlicher Natur?
Kelsey Mann: Sie haben auf jeden Fall recht. „Alles steht Kopf“ ist kein Film, der nach einer Fortsetzung schreit. Das hat aber etwas mit unserer generellen Philosophie bei Pixar zu tun: Wenn wir einen Film machen, dann machen nur DIESEN Film. Er muss funktionieren, er muss auf eigenen Beinen stehen, er ist nur sich selbst verpflichtet. Wenn man weiter denkt, kann man sich automatisch nicht hundertprozentig auf das konzentrieren, was man gerade macht. Aber wissen Sie… Tatsächlich ist da am Ende von „Alles steht Kopf“ ein kleines Hintertürchen, wenn Joy sagt: „Riley ist jetzt zwölf Jahre alt, was kann schon passieren?“ Verstehen Sie mich nicht falsch: Das war ein Witz ganz am Ende, mit dem wir klarstellen wollten, dass Joy nichts gelernt hat aus der Erfahrung und wieder so optimistisch ist wie am Anfang.
Und doch ist es auch die Prämisse Ihres Films: Riley ist jetzt dreizehn…
Kelsey Mann: Es war komisch… „Alles steht Kopf“ war ein abgeschlossener Film. Und doch lebte er weiter. Im Lauf der Jahre kamen immer wieder Menschen auf Pete zu und erzählten ihm, wie sehr der Film sie berührt hatte. Da fängt man natürlich an, sich Gedanken zu machen und zu überlegen, ob diese originär für „Alles steht Kopf“ geschaffene Welt nicht das Potenzial hätte, sich noch ein bisschen weiter in ihr umzugehen. Also setzte sich Pete mit mir zusammen und unterhielt sich mit mir darüber, ob ich vielleicht die Idee für eine Geschichte hätte, die erzählenswert wäre. Wenn uns nichts Tolles einfällt, sagte Pete, dann lassen wir es einfach sein. Aber wenn es eine zündende Idee gibt, dann sollte man ihr nachgehen.
Sie hatten diese zündende Idee.
Kelsey Mann: Sonst würde ich nicht mit Ihnen reden. Ich bin sehr stolz darauf, was wir gemacht haben, sehr unterhaltsam und witzig, aber hoffentlich auch mit einer gewissen Botschaft und Bedeutung. Sonst hätten wir den Film nicht machen wollen.
„Alles steht Kopf“ ist sehr stark verbunden mit der künstlerischen Persona von Pete Docter, der Mann für die verrückten Ideen bei Pixar: „Oben“, „Soul“… Wie ist es Ihnen gelungen, aus der Prämisse einen Film zu machen, der IHR Film ist?
Kelsey Mann: Es hätte schwierig sein können, wenn es um jemand anderen gegangen wäre als Pete. Pete ist nicht nur ein feiner Kerl, sondern auch ein Künstler, dem Zusammenarbeit über alles geht. Er ist nicht im geringsten eitel, ihm geht es immer nur um das Resultat. Er hat mich an Bord von „Alles steht Kopf 2“ gebracht, ohne auch nur einmal zu mir zu sagen, was ich zu tun oder zu lassen hätte oder was ich unbedingt berücksichtigen müsste. Dann hat er mich einfach machen lassen. Er hatte großes Vertrauen. Ich habe Andrew Stanton um Ratschlag gebeten und er sagte zu mir: „Sieh deinen Film nie als Fortsetzung an. Es ist deine Geschichte, dein Film.“ Das habe ich mir zu Herzen genommen.
Wie hat Ihnen das geholfen?
Kelsey Mann: Erst einmal wurde mir eine große Last von den Schultern genommen. Ich befand mich auf einmal nicht mehr im Wettstreit mit dem ersten Film. Bei Pixar sind die Originalfilme oftmals sehr persönlich, die Filmemacher stecken buchstäblich viel von sich selbst in ihre Arbeiten. So habe ich versucht, auch an „Alles steht Kopf 2“ heranzugehen. Pete gab mir den nötigen Raum dazu. Natürlich habe ich auch nachgedacht, was es bedeutet, eine Fortsetzung zu machen. Ich habe also eine Liste meiner Lieblingsfortsetzungen angefertigt und überlegt, ob es bei diesen Filmen einen gemeinsamen Nenner gibt. Tatsächlich ist es so, dass ich die Fortsetzungen mochte, die originell sind, die sich vom Vorgängerfilm abheben und ihn als Plattform für die Umsetzung eigener Ideen und neuer Geschichten nehmen. Sie machen die Welt größer. Fortsetzungen, die einfach nur noch einmal dieselbe Geschichte erzählen, nur größer oder vor einer anderen Kulisse, finde ich dagegen weniger reizvoll. Sie wiederholen sich einfach nur.
Und doch muss es einen Wiedererkennungswert geben. Sonst könnte man ja gleich einen Originalfilm machen.
Kelsey Mann: Die Kunst besteht darin, die richtige Balance zu finden. Das geht zurück auf ein Selbstverständnis, das wir bei Pixar haben. Wir setzen uns nicht einfach hin und machen dann den Film. Wir machen den Film immer und immer wieder. Alle drei Monate stellen wir alles auf den Prüfstand und überprüfen, ob das Erreichte wirklich das Beste ist, das wir schaffen können. Wenn ja, dann machen wir weiter. Wenn nein, dann gehen wir noch einmal zurück und machen alles neu.
Das ist der so genannte „Brain Trust“, den John Lasseter eingeführt hat: Die Filmemacher der Firma präsentieren sich regelmäßig, was sie gerade machen und nehmen die Kritik der Kollegen entgegen. Ein effektiver, aber auch harter Prozess, oder? Das muss man auch ertragen können…
Kelsey Mann: Niemand stellt sich gerne vor andere Leute und lässt sich kritisieren. Ich hatte jedes Mal richtig Lampenfieber. Man weiß ja nicht, was die anderen sagen werden – die Angst vor dem Unbekannten! Aber wir kennen einander. Wir schätzen einander, mögen die Arbeit, die bei Pixar geleistet wird. Man weiß, es wird nur um die Sache gehen. Wir wollen einander helfen. Und es sind ja auch nur Anmerkungen und Ideen, die geäußert werden. Was man damit macht, entscheidet man selbst. Das Feedback kann schon auch wehtun. Man ist sehr verletzlich. Aber weil es auch mir nur darum geht, den bestmöglichen Film zu machen, ist jede Anregung gut, die meinen Film besser werden lassen. Als Story Supervisor gehöre ich seit vielen Jahren zum Brain Trust und kenne die Abläufe. Diesmal war das erste Mal, dass ich auf der anderen Seite des Tisches saß.
Mit dem Start von „Alles steht Kopf 2“ verbinden sich große Erwartungen. Es ist ein wichtiger Film für Pixar, aber auch ein wichtiger Film für die Kinos allgemein in einer bisher schwierigen Sommersaison. Wie gehen Sie mit dem Druck um?
Kelsey Mann: Ich bin seit 2009 bei Pixar und spüre diesen Druck seither jeden Tag. Weil das ein intrinsischer Teil dieser Firma ist, die immer nur die bestmöglichen Filme machen will und sich deshalb fordert. Das ist mir also nicht fremd. Aber ich sage mal: Es ist viel schwieriger geworden, wirklich herausragende Filme für das Kino zu machen. Wir alle haben unser Herzblut in den Film gesteckt und sind jetzt überglücklich, dass „Alles steht Kopf 2“ tatsächlich in die Kinos kommt, als großer Film für ein großes Publikum. So haben wir ihn gemacht. Und für mich gibt es einfach keinen besseren Ort als das Kino. Wir haben den Film im größtmöglichen Kinoformat gedreht, 2,35 zu 1, echtes Breitwandformat, damit man ihn wirklich erleben kann.
Sie glauben also an die Zukunft des Kinos?
Kelsey Mann: Glauben? Ich weiß es! Weil es nichts Besseres gibt.
Das Gespräch führte Thomas Schultze.