Tanja Hausner zählt zu den renommiertesten Kostümbildnerinnen im deutschsprachigen Raum. Für ihre Arbeit an „Des Teufels Bad“ hat sie den Excellence Award gewonnen, den die European Film Awards den Gewerken zuspricht. Im Interview spricht sie über die Bedeutung dieser Auszeichnung und die Zusammenarbeit mit Veronika Franz und Severin Fiala.
Herzlichen Glückwunsch zum European Film Award! Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung, und ganz allgemein: Welchen Stellenwert haben Preise für Sie als Kostümbildnerin?
Tanja Hausner: Der European Film Award freut mich natürlich sehr. Ich finde, jeder Preis, der für Kostüm vergeben wird, unterstützt den Stellenwert für Kostüm an sich. Dadurch wird sichtbar, dass auch hinter dem Gewerk Kostüm Leute stehen, die künstlerisch arbeiten und die Idee eines Films vorantreiben. Kostüm ist ein wichtiges Mittel beim Film. Die Figuren haben nicht irgendetwas an, es steckt immer eine Idee dahinter.
Sie sind im Juni dieses Jahres Mitglied in der European Film Academy geworden. Warum war es Ihnen ein anlegen, beizutreten?
Tanja Hausner: Ich habe mich sehr geehrt gefühlt, von der European Film Academy eingeladen worden zu sein, als Mitglied beizutreten. Aber dass ich gleich einen Preis entgegennehmen würde, hätte ich mir nicht gedacht! Deshalb war ich völlig überrascht, als mich Veronika Franz und Severin Fiala anriefen und mir zum European Film Award gratulierten.
Beim Österreichischen Filmpreis dieses Jahr haben Sie nicht für „Des Teufels Bad“ gewonnen…
Tanja Hausner: Das stimmt. Aber für „Sisi & ich“, mit dem ich auch den Deutschen Filmpreis gewonnen habe. Vielleicht sollte „Des Teufels Bad“ nicht in allen Kategorien gewinnen…
„Des Teufels Bad“ ist historisch, spielt Ende des 18. Jahrhunderts, in einer ländlichen, armen Gegend. Auf welche Quellen greift man da zurück? Damals wurden auf Gemälden ja weniger die einfachen Bauern als vielmehr die Adeligen abgebildet…
Tanja Hausner: Das ist genau der Punkt. Es war sehr schwierig zu recherchieren. Wenn die einfachen Bauern abgebildet wurden, dann eher traditionell in Trachten. Da gibt es entsprechend ein paar alte Stiche. Aber diese Darstellungen der einfachen Bevölkerung haben eher etwas Künstliches und Überhöhtes, ins Schöne Gehende an sich. Veronika hat sehr interessante Bilder in einem niederländischen Museum aufgetan, die aus dem 19. Jahrhundert stammten und Bauern und Bäuerinnen zeigten. Das war sehr inspirierend. Wir haben uns nicht unbedingt ans 18. Jahrhundert geklammert, sondern sind da großzügiger vorgegangen, haben geschaut, was Leute im 19. Jahrhundert am Land anhatten, wie die Arbeitskleidung war. Arbeitskleidung ist keinen Moden unterworfen, hat etwas Gleichbleibendes, etwas sehr Funktionales. Große Unterschiede wird es da nicht gegeben haben.
Wie sind Sie generell mit dem Begriff der Authentizität umgegangen?
Tanja Hausner: Es gibt viele interessante historische Details in dem Film. Aber grundsätzlich war beim Kostüm nicht die Idee, ein genaues historisches Abbild zu bringen. Es sollte schon authentisch wirken, aber nicht wie aus einem Bilderband aus dem 18. Jahrhundert. Wir hatten durchaus das Bedürfnis, eine etwas reduziertere und dadurch moderne Sicht auf die Kleidung zu werfen.
Gab es eine bestimmte Maßgabe oder Vorgabe von Seiten der Regie?
Tanja Hausner: Ich kenne Veronika und Severin sehr gut. Die wichtigste Maßgabe haben sie mir gleich am Anfang eingetrichtert: Jedes Kleidungsstück sollte einen Fehler haben. Vielleicht weil sie erwartet haben, dass ich immer alles besonders akkurat, perfekt und schön mache. Genau das wollten sie nicht. Daher haben mein Team und ich sehr viel ins Fehlermachen investiert. Das ist eigentlich noch viel schwieriger, als perfekte Kleider zu machen. Wir haben zum Teil Sachen aus Second-Hand-Läden gekauft, diese auseinandergeschnitten und neu zusammengestückelt. Wir haben Stoffe gefärbt, tolle grobe Leinenstoffe, die ich in hellen Farben gekauft hatte. Da bin ich mit Farben drüber, habe sie fleckig gemacht, damit sie eine gewisse Unregelmäßigkeit und Patina erhalten. Und wir haben viele Sachen zerstört, Stoffe mit Bürsten bearbeitet, ausgedünnt – kurzum: runtergerockt. Das war körperlich harte Arbeit!
Also eine komplett andere Erfahrung als bei „Sisi & ich“…
Tanja Hausner: Absolut. Wahrscheinlich hatten Veronika und Severin aufgrund dieses Films die Sorge, dass ich nur noch Haute Couture mache…
Die Kostüme in „Des Teufels Bad“ wirken sehr schwer. Grobes Leinen wurde angesprochen. Es werden aber auch dicke, gestrickte Pullover getragen. So was findet man doch nicht unbedingt Second Hand, oder?
Tanja Hausner: Es gibt tatsächlich noch ganz tolle Leinenwebereien im Mühlviertel in Österreich, die noch alte Muster haben und Leinenstoffe ganz unterschiedlicher Gewichte. Von super schwer hin zu ganz leicht. Die leichten Leinenstoffe haben wir eher für die Blusen verwendet… Das war großartig. Großartig ist auch, dass es dieses Handwerk noch gibt.
Und die gestrickten Teile?
Tanja Hausner: Die wurden großteils extra für uns gestrickt. Wir haben in Oberösterreich eine ganz tolle Frau gefunden, die wunderbare Pullover strickt, aus ökologischer Wolle, etwas altmodisch, aber eben überhaupt nicht im Trachtenlook. Die Form der Pullover wirkt fast modern, obwohl sie von der Struktur und der Wolle etwas Altertümliches ausstrahlen. Da haben wir einige bestellt!
Konnten Sie letztendlich alles so umsetzen, wie Sie wollten?
Tanja Hausner: Eigentlich ja. Wir hatten zwar kein enormes Budget, aber es haben glücklicherweise so viele fleißige Menschen mitgeholfen, dass es sich gut ausgegangen ist. An manchen Stellen haben wir auch Kosten gespart. Etwa bei den paar wenigen Szenen, in denen viele Komparsen auftreten wie dem Hochzeitsfest oder der Hinrichtung. Hier haben wir uns damit beholfen, dass wir im Caritas-Lager günstig Kleidung, durchaus auch moderne, nehmen konnten und diese so weit verfremdet haben, bis sie in die Geschichte gepasst haben. Wir wurden auch in einem Militärlager fündig, wo es Materialien wie Zeltplanen gab, die man günstig einkaufen konnte. Auch Stiefel. Wir haben uns lange gefragt, was tragen die im Film für Schuhwerk. Sie tragen nicht Originalschuhwerk aus dem 18. Jahrhundert. Wir fanden gut, sie alle in diese Schnürstiefel aus dem 19. Jahrhundert zu stecken, die wir eben sehr günstig in dem Militärlager erstehen konnten.
Ihre Filmographie ist sehr vielfältig. Sie wandeln sowohl in historischen Geschichten wie in zeitgenössischen. Wie sieht für Sie die ideale Zusammenarbeit in einem Filmprojekt aus?
Tanja Hausner: Ich habe das große Glück, dass ich bislang immer nur mit Regisseur:innen arbeiten durfte, die mir vertrauen und mir die Gelegenheit geben, meine eigenen Gedanken einzubringen, und auf mein Feedback gespannt sind. Klar kriege ich anfangs den Grundtenor erzählt. Aber nach der Drehbuchlektüre trifft man sich und spricht gemeinsam über das Projekt. Das ist das Spannende. Ich nehme nicht nur Anweisungen entgegen, sondern lege auch etwas vor. Das ist dann die Grundlage für die Weiterentwicklung am Kostümbild. Bei der Anprobe mit den Schauspielenden wird es noch mal spannend, weil man da sieht, ob es funktioniert, ob etwas vielleicht nicht funktioniert… Bei Veronika und Severin schätze ich sehr, dass sie bei den Anproben immer dabei sind. Die Gespräche mit den Schauspielenden bei der Anprobe sind wichtig. Man macht sich noch mal Gedanken über die Rolle, wie man sich im Kostüm fühlt, sich bewegt…
Wird Ihrer Meinung nach das Gewerk Kostüm ausreichend gesehen?
Tanja Hausner: Vom normalen Kinopublikum, das Filme guckt, hört man schon öfters lobende Worte, wenn das Kostüm aufgefallen ist. Aber die Expert:innen lassen es auch gerne mal unter den Tisch fallen. Das verstehe ich nicht. Als ob das kein optisches Medium wäre, sondern eine Buchbesprechung. Film ist ja nicht nur allein eine Geschichte, sondern eine Geschichte in Bildern. Dazu trägt das Kostüm enorm bei.
An was arbeiten Sie aktuell?
Tanja Hausner: Es gibt einige Projekte, die am Entstehen sind. Ich bin zum Beispiel bei Maria Speths neuem Spielfilm als Kostümbildnerin an Bord. Frauke Finsterwalder verfilmt „Eurotrash“, den Bestseller ihres Mannes Christian Kracht. Da sollen die Dreharbeiten im Frühjahr 2025 in der Schweiz und Bayern beginnen. Doris Dörrie plant einen sehr spannenden Film über eine ältere Dame mit einem Pflegeroboter, „Frau Winkler verlässt das Haus“. Da hoffen wir alle, dass die Finanzierung endlich klappt. Und im Sommer wird „Mädchen in Uniform“ noch mal neu verfilmt. Den gab es 1958 mit Romy Schneider, war damals aber auch schon eine Neuverfilmung. Das Original stammt von 1931. Das mache ich mit einer jungen Regisseurin, Justina Jürgensen. Es wird ihr Langfilmdebüt… Da versuchen wir nicht nur rein historisch zu arbeiten, sondern auch eine Übersetzung ins Moderne zu finden.
Das Gespräch führte Barbara Schuster