Freie neue Serienadaption des Spionage-Romanklassikers von Frederick Forsyth, in der sich eine hartnäckige britische Ermittlerin an die Fersen eines phantomartigen Auftragskillers heftet.
FAST FACTS:
• Dritte Adaption des legendären Romans von Frederic Forsyth aus dem Jahr 1971
• Rundumüberholt und in die Gegenwart verlegt für eine zehnteilige Miniserie
• Sensationsbesetzung mit Oscargewinner Eddie Redmayne, Lashana Lynch aus „Keine Zeit zu sterben“ und Úrsula Corberó aus „Money Heist“
• Katz-und-Maus-Spiel in 007-Anmutung mit Musik von Oscargewinner Volker Bertelmann
• Realisiert für Sky (international) und Peacock (USA)
CREDITS:
Land / Jahr: Großbritannien 2024; Laufzeit: 10 x 60 Minuten; Showrunner: Ronan Bennett; Besetzung: Eddie Redmayne, Lashana Lynch, Úrsula Corberó, Charles Dance, Richard Dormer, Chukwudi Iwuji, Lia Williams und Khalid Abdalla; Plattform: Sky; Start: 7. November 2024
REVIEW:
Manchmal kann man beim Zusehen direkt den Finger drauflegen, wann ein Film oder eine Serie nicht mehr länger nur interessant ist, vielversprechend, sondern mit einem Schlag packend wird, er/sie einen hat, man danach nicht mehr anders kann, als wie elektrisiert weiterzusehen. Weil sich der Film/die Serie in diesem einen Moment offenbart, zeigt, was sie kann, was sie will, dass sie in Kontrolle ist. Bei „The Day of the Jackal“ kommt dieser eine Moment vergleichsweise spät, aber wenn er kommt, dann weiß man, dass er da ist – keine Angst, es gibt keine Spoiler. Der Moment kommt ziemlich gegen Ende der dritten von zehn Folgen der von dem renommierten Schriftsteller und Drehbuchautor Ronan Bennett als Showrunner konzipierten dritten Verfilmung des legendären Romans von Frederick Forsyth aus dem Jahr 1971, die man als solches eigentlich überhaupt nicht bezeichnen kann.
Mit der Vorlage hat die Miniserie abgesehen vom grundsätzlichen Konstrukt des Katz-und-Mausspiels eines einsamen Auftragskillers mit Decknamen Schakal und eines hartnäckigen Ermittlers – hier eine Ermittlerin – wenig zu tun. Ronan Bennett nimmt die Prämisse, um etwas ganz Anderes, ganz Eigenes daraus zu machen. Eher ein auf den Kopf gestellter Bond (inklusive 007-artigem Titelsong von Celeste, „This Is Who I Am“, und angemessenem Score des deutschen Oscargewinners Volker Bertelmann aka Hauschka) als ein allzu naher Verwandter der Adaptionen von „Der Schakal“ (deutscher Titel des Romans und beider Filme) von Fred Zinnemann von 1973 (mit Edward Fox) und Michael Caton-Jones von 1997 (mit Bruce Willis und Richard Gere).
Verankerte Forsyth seinen Roman (und Zinnemann seine drittletzte Regiearbeit) in der Realpolitik seiner Ära – der Schakal erhält in den frühen Sechzigerjahren von der Terrororganisation OAS den Auftrag, Präsident Charles de Gaulle zu töten -, wird der Rahmen des Kalten Krieges in dieser von Sky und Peacock in Auftrag gegebenen Serie ersetzt von einer internationalen, kosmopolitischen Hatz durch Europa, die Geschichte ins Hier und Jetzt verlegt, beginnend mit einem Auftrag, den der Schakal in München zu erledigen hat, die Beseitigung eines führenden Politikers einer populistischen Bauernfängerpartei (Gastauftritt Burghart Klaußner – gut!). Regisseur Brian Kirk, in seiner ersten Arbeit seit dem Kinothriller „21 Bridges“ mit Chadwick Boseman, findet dafür kühle, souveräne Breitwandbilder, die mindestens so viel Professionalität und Pragmatismus ausstrahlen wie die wandelbare Titelfigur, ein regelrechter Fantomas, ein Mann der 1000 Masken, und natürlich eine Steilvorlage für einen Star wie Oscargewinner und „Phantastische Tierwesen“-Hauptdarsteller Eddie Redmayne in seinem ersten Serienausflug. Obendrein ist dieser Schakal längst nicht so einsam und isoliert wie die Romanfigur. Die Serie schenkt ihm ein Privatleben, eine harmonische Existenz in Spanien mit einer schönen Frau, Úrsula Corberó diesmal ganz anders als in der Netflix-Serie „Money Heist“, mit der sie sich international einen Namen gemacht hat. Fast ein bisschen wie bei Michael Fassbender in David Finchers „The Killer“, nur dass dessen Lebensgefährtin in Kenntnis dessen war, was ihr Lebensgefährte macht, wenn er das heimische Refugium verlässt.
Eine Chiffre ist der Schakal zunächst auch für die Behörden, bis eine Geheimdienstagentin des MI6 sich die Mühe macht, außerhalb der Konventionen zu denken, und tatsächlich Fortschritte erzielt: Dass diese Bianca von Lashana Lynch gespielt wird, ist nicht nur eine gute Entscheidung, sondern auch ein süffisanter Verweis auf „Keine Zeit zu sterben“, wo die Britin als Nomi an der Seite von Daniel Craig erstmals einen bleibenden Eindruck hinterlassen hatte. Hier ist sie jetzt mindestens so gut wie in ihrer bisher besten Rolle als entschlossene Dahomey-Amazone in „The Woman King“, kann aber neben körperlichem Actioneinsatz hier auch Intelligenz und Willenskraft ausspielen, wichtige Attribute, wenn man den Abstand zu dem Killer verringern will, der längst an einem viel größeren Auftrag arbeitet.
Was uns zu diesem Moment bringt, der eingangs angesprochen wurde, das Finale der dritten Folge, mit dem die sorgfältige Exposition zum Abschluss gebracht wird und alle drei Hauptfiguren endlich klar definiert erscheinen, jeder für sich weiß, was die Stunde geschlagen hat, was gemacht, gelöst, getan, bewirkt werden muss. Das gelingt in einer furiosen Montage, einem monumentalen Crescendo, geschnitten zu einem Edit von „Won’t Get Fooled Again“ von den Who, die Hymne der großen englischen Band aus dem Jahr 1971, die der Hoffnung auf eine baldige Revolution und Umsetzung der Versprechen der Sixties eine bittere Absage erteilte, hier aber in diesem Triptychon der Erkenntnisse eine völlig neue Bedeutung erhält. „Meet the new boss, same as the old boss“: Es ist ein genialer Moment, einer der besten des Fernsehjahres 2024. So absurd es scheint, gerade jetzt hält man zu allen drei Figuren, sind alle drei einem nah, sympathisch, auch wenn sie völlig konträre Ziele verfolgen und Absichten haben. In diesem Moment ist „The Day of the Jackal“ angekommen, wirft die Hüllen der Vorlage endgültig ab. Die weiteren Storypoints sind bereits angelegt, wie man das macht, wenn man sein Metier beherrscht wie „Top Boy“-Schöpfer Ronan Bennett. Jetzt kann es richtig losgehen. Jetzt will man wissen, was als nächstes passiert, mit wem man es wirklich zu tun hat.
Thomas Schultze