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REVIEW VENEDIG: „Horizon 2“

Zweiter Teil von Kevin Costners auf vier Filme angelegtem Western-Epos über die Jahre, in denen Siedler den Wilden Westen eroberten.

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„Horizon 2“ von und mit Kevin Costner (Credit: Biennale di Venezia)

CREDITS:
Land / Jahr: USA 2024; Laufzeit: 190 Minuten; Regie: Kevin Costner; Drehbuch: Jon Baird, Kevin Costner; Besetzung: Kevin Costner, Sienna Miller, Sam Worthington, Giovanni Ribisi, Luke Wilson, Isabelle Fuhrman, Abby Lee, Will Patton, Ella Hunt; Verleih: Tobis; Start: 7. November 2024

REVIEW:
Horizon“ heißt der Traum. Für die Figuren in dem dreistündigen Western. Genauso für Kevin Costner. Ein Sehnsuchtsort, ein Verlangen, ein Versprechen. Für die einen ist es ein Ort im Westen, der noch nicht existiert, ein Shangri-La, wo die Zukunft wartet, ein besseres Leben. Für den anderen ist es ein Weißer Wal, ein Filmprojekt, das gestemmt, eine Geschichte, die erzählt werden will. Für beide eine Verrücktheit. Wie die Siedler losreisen mit nicht mehr als einem Zettel in der Hand, auf dem „Horizon“ als moderne Stadt der Erfüllung angepriesen wird, hat Kevin Costner es sich in den Kopf gesetzt, dieses Filmprojekt umzusetzen, no matter what, als „amerikanisches Epos“, wie es noch keines gab: vier Filme, zwölf Stunden Laufzeit, eine Reise durch den knappen Zeitkorridor, in dem der Wilde Westen tatsächlich gewonnen wurde, von Träumern und Idealisten, in denen der Filmemacher sich offenkundig wiederfindet und spiegelt. 

Zwei von vier Filmen gibt es bereits, der dritte hat ein paar Drehtage hinter sich und soll auf jeden Fall im kommenden Frühjahr gedreht werden. Ins Stocken geraten ist das Mammutprojekt, weil der erste Film hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Dass der zweite Teil in den USA nun überhaupt nicht in die Kinos kommen wird (ursprünglich war ein Start im August angepeilt gewesen, nur wenige Wochen nach dem ersten Teil), ist grausam. Dank Venedig-Festivalchef Alberto Barbera konnte „Horizon 2“ nun wenigstens in Venedig eine große Premiere erleben, zusammen mit dem ersten Teil in einem sechsstündigen Screening am letzten Tag der 81. Mostra. Das ist gut so. Weil dieser neue Film weniger Stückwerk ist, souveräner in der Erzählung, packender in der Dramaturgie. Vor allem weil Costner den Groove gefunden zu haben scheint und sich stärker herauskristallisiert, was sich der Macher von „Der mit dem Wolf tanzt“ und „Open Range“ vorgestellt haben mag, worum es ihm geht und warum ihm das so wichtig ist, dass er sein komplettes Anwesen in Santa Barbara dafür verhökert hat.

Natürlich erfindet „Horizon 2“ weder die Welt noch den Western neu, auch die eigene Marke nicht: Look and Feel des ersten Teils finden sich im Grunde auch hier. Und doch wirkt das Unterfangen jetzt fokussierter, weniger ausgefranst, verdichtet sich die Erzählung jetzt mehr, laufen die verschiedenen Stränge zunehmend aufeinander zu, finden teilweise schon zusammen. Immer stärker treten die Themen hervor, die John Ford stets interessiert hatten in den größten seiner Western: die Entstehung von Zivilisation gegen alle Widerstände, das Verteidigen dieses zarten Pflänzchens, der Traum von Gemeinde und Gemeinschaft, das Urbarmachen des Landes. Die Frauen rückt „Horizon 2“ in den Mittelpunkt. Ihnen gehört die besondere Aufmerksamkeit von Kevin Costner: der Witwe Frances Kittredge und ihrer Tochter Lizzie, die sich nicht von ihrem Grund und Boden vertreiben lassen, der Prostituierten Marigold, die weiter dem Zugriff der Sykes-Brüder entgeht, den drei Töchtern des Pioniers Owen Kittredge, die sich auf dem Trek Richtung Westen ebenso befinden wie die im ersten Teil noch so hilflose Lehrerin Juliette Chesney, die sich nach einem tragischen Zwischenfall ziemlich zu Beginn allein durchschlagen muss und in diesem Film von allen die größte Entwicklung durchmacht – Ella Hunt hinterlässt einen starken Eindruck in der Rolle, aber auch Sienna MillerIsabelle Fuhrman und Abbey Lee liefern unverändert solide Arbeit ab. Die Männer dagegen sind Schlawiner und Simpel, sind entweder aufrecht und nobel oder grausam und bösartig. Es gibt ungeahnte Allianzen und weiterhin neue Gestalten im ohnehin schon ausufernden Ensemble mit mehr als 150 Sprechrollen.

Es ist dennoch nicht schwer, den Überblick zu behalten, weil sich Costner gestalterisch und inszenatorisch nicht allzu weit aus dem Fenster lehnt: Kino auf Augenhöhe, ganz im Sinne von Howard Hawks. Und natürlich als gutes Gewissen mittendrin Kevin Costner selbst als eigenbrötlerischer Hayes Ellison, der Gary Cooper des Films, dessen müde Augen uns signalisieren, dass sie alles schon gesehen haben in dieser Welt, in der man manchmal besser erst schießt und erst dann fragt. So ganz befinden wir uns zwar noch nicht in der nihilistischen Westernapokalypse eines Cormac McCarthy (Larry McMurtry mag die bessere literarische Referenz sein) oder auf dem blutigen Schlachtfeld eines „Deadwood“, aber es geht doch ziemlich ans Eingemachte, Mord und Totschlag. Und dann immer wieder unerwartete Kniffe, die den vermeintlich engen Blick weiten. Auch eine kleine chinesische Gemeinde siedelt sich an in diesem gottverdammten Fleckchen Erde, das einmal „Horizon“ werden soll – die dann ihrerseits konfrontiert wird mit der Unerbittlichkeit der indigenen Einwohner, die sich ihr Land nicht nehmen lassen wollen, von wem auch immer. Interessante Sache also. Wenn jetzt also im dritten Teil tatsächlich der sagenumwobene Mr. Pickering, gespielt von Giovanni Ribisi, vor Ort auftauchen sollte, der einen Reibach gemacht hat mit dem Geld der Siedler, die sich Land bei ihm gesichert haben, dann wird „Horizon“ gleich noch einmal interessanter. Drücken wir Kevin Costner die Daumen, dass er beim Geldeinsammeln ähnlich geschickt ist wie dieser Mr. Pickering. 

Thomas Schultze