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REVIEW STREAMING: „Maxton Hall – Die Welt zwischen uns“

Serien-Verfilmung des Erfolgsromans „Save Me“ von Mona Kasten über das Kräftemssen eines einfachen Mädchens mit einem reichen Schnösel an einer Eliteschule der Rich Kids.

CREDITS:
Land/Jahr: Deutschland 2024; Laufzeit: 6 x 45 Minuten; Regie: Martin Schreier, Tarek Roehlinger; Showrunner: Daphne Ferraro; Besetzung: Harriet Herbig-Matten, Damian Hardung, Fedja van Huêt; Plattform: Prime Video; Start: 9. Mai 2024

REVIEW: 
„Mauerblümchen“ nannte man im Mittelalter Mädchen, die auf Mauervorsprüngen sitzenblieben, weil sie nicht zum Tanzen aufgefordert wurden, frei nach dem Zimbelkraut, das gerne allein und für sich auf Mauern wächst. Man könnte indes auch einfach auf Ruby Bell verweisen, ein Mädchen aus normalem Hause, grundsympathisch und nahbar gespielt von Harriet Herbig-Matten, den Kopf gerade auf den Schultern sitzend, das schnell und unbeachtet durch die Schulzeit in der Eliteschule Maxton Hall kommen will, um in Oxford studieren zu können. Wenn man dann nach dem Ursprung des Wortes „Schnösel“ sucht, wird man im Netz schnell fündig: umgangssprachlicher Ausdruck aus dem 19. Jahrhundert, voraussichtlich abgeleitet von dem Wort „Schnodder“ – also „Rotznase“. Einer wie James Beaufort, der so ist, wie er heißt, und von Damian Hardung auch so gespielt wird. Super schön und super arrogant, aber vielleicht eben nicht nur, auch wenn es zuerst den Anschein haben mag. 

Maxton Hall  x
Gegensätze ziehen sich an, auch in „Maxton Hall“ (Credit: Prime Video)

Mauerblümchen und Schnösel. Beschreibt schon gleich perfekt die Prämisse für Mona Kastens „Maxton Hall“-Buchreihe, die sie 2018 mit dem Roman „Save Me“ auf ihren im Jahr zuvor erschienenen „Again“-Zyklus folgen ließ und die noch im selben Jahr die Fortsetzungen „Save You“ und „Save Us“ nach sich zog. Und ist entsprechend nun auch die Grundlage für die sechsteilige Verfilmung der Regisseure Martin Schreier („Traumfabrik“, „One Night Off“) und Tarek Roehlinger („Gag Attack“), die der Vorzeigeproduktion von UFA Fiction (Head-Autorin: Daphne Ferraro) einen Glanz- und Glamour-Anstrich verliehen, ein Leuchten, das von innen kommt, als wäre man wieder in Chantals Märchenland: Hier können Wunder wahr werden, hier können sich Gegensätze richtig anziehen, als wäre es ein Naturgesetz, hier können sich auch Mauerblümchen und Schnösel ineinander verlieben. 

Dass es so kommen wird, ist festgeschrieben von Minute eins an. Um das zu begreifen, muss man keine Doktorarbeit in romantischen Filmen abgeschlossen haben. Dass es den beiden nicht leicht gemacht wird, dass zuerst einmal tiefste Abneigung bestehen muss, dass sie KÄMPFEN müssen, um überhaupt zu entdecken, dass da im fortwährenden Kleinkrieg gegeneinander etwas entsteht, dass Neugier und dann vielleicht sogar Zuneigung sein könnte, und dass sie dann noch einmal KÄMPFEN müssen, um zueinander stehen zu können, weil in der Welt von Maxton Hall nicht sein kann, was eigentlich nicht sein darf, nämlich Mauerblümchen UND Schnösel, auch das ist ausgemachte Sache. Wer durch die Tore dieser Welt tritt, der weiß, WAS passieren wird. Das ist Teil des ungeschriebenen Vertrags zwischen Serienmacher und Zuschauer. Der Spaß ist das WIE, das Auskosten, das Verzögern, die Umwege, die Hindernisse, die in den Weg geworfen werden, die Geheimnisse, die es zu entdecken gilt, die Loyalitäten, die getestet werden, und die Verrate, die begangen werden. Die Liebe ist – wem erzählt man’s? – ein seltsames Spiel. 

„Maxton Hall“ macht alles richtig, hat bei den Besten zugeschaut, wie man’s macht, wie man’s RICHTIG macht, und hat von den Besten gelernt, hat nicht einfach kopiert, sondern adaptiert. Hat dabei aus den sattsam bekannten Versatzstücken, von „Romeo und Julia“ und Jane Austen über „Pretty Woman“ und „Notting Hill“ hin zu „Emily in Paris“, das Geeignete herausgepickt. Hat es angenommen und verinnerlicht und etwas daraus geformt, das stets vertraut ist und doch eine ganz eigene Tonalität besitzt. Die Welt stimmt, in der die Figuren sich bewegen. Und in der Ruby Bell und James Beaufort mit erstaunlicher Wucht und inerter Antipathie aufeinanderprallen, obwohl sie sich bisher, naja, noch nicht einmal aus dem Weg gegangen sind, sondern einander nicht wirklich wahrgenommen haben, weil ihre Welten so unterschiedlich sind, dass sie sich auch in verschiedenen Sonnensystemen befinden könnten. Aber Ruby hat etwas gesehen, das sie nicht hätte sehen sollen. Und James sieht sich genötigt, als künftiger Man of the House der Beaufort-Dynastie einzuspringen und seiner Schwester zu helfen, die die Konsequenzen tragen würde, wenn bekannt werden würde, was Ruby gesehen hat. 

Die Serie steht und fällt mit den Hauptfiguren. Alles andere, die Welt und die Nebenfiguren und Haken, die die Handlung schlägt, sind Dreingabe. Harriet Herbig-Matten, die Tina aus der „Bibi & Tina“-Serie (und dem nachfolgenden Film), und Damian Hardung, bekannt und beliebt seit „Club der roten Bänder“, sind genau richtig gewählt. Ihr nimmt man das Entlein ab, hinter dem sich stets der Schwan verbirgt, ihm den Beefcake, der doch mehr zu bieten hat, als ein Luxus-Kleiderständer zu sein. Ihnen folgt man gerne durch die Irrungen und Wirrungen der beschwingten Erzählung, die sich vielleicht das eine oder andere Mal zu oft in von Popsongs begleitete Montagen flüchtet, aber doch immer Tempo hat, nichts schleifen lässt, die Nebenfiguren nicht aus den Augen verliert und nach vorne holt, wenn es nötig ist, Diversität und Inklusion großschreibt und viel Mühe darauf verwendet, Diversität und Inklusion intrinsisch in der Handlung zu verankern, ohne dass man den Eindruck gewinnt, man habe einfach nur Checklisten abgehakt. Am Ende des Tages hat man doch nur Augen für Ruby und James. Mauerblümchen und Schnösel. Arm und reich. Schön schlicht und absolut süchtig machend. Wie es sein soll.

Thomas Schultze