Am heutigen Montag hat die deutsche Vampir-Comedy „Der Upir“ mit Fahri Yardim und Rocko Schamoni das neue Serienfestival Seriesly Berlin auch jenseits des Conference-Programms am Abend eröffnet. SPOT media & film sagt, ob das Format vollblütig oder blutleer geworden ist.
FAST FACTS:
• „Der Upir“ ist eine deutsche Vampir-Comedy mit Fahri Yardim und Rocko Schamoni in den Hauptrollen
• Es ist das erste große Comedy-Serienprojekt von Yardim seit der Ausstrahlung des „Jerks“-Finales
• Die Ufa Fiction Produktion hat acht Episoden und läuft erst einmal exklusiv bei der ProSiebenSat.1-Plattform Joyn
• Das Format ist Teil einer kleinen aktuellen Vampirserien-Welle aus Deutschland
• Am 16. September feierte „Der Upir“ Premiere beim neuen Serienfestival Seriesly Berlin
CREDITS:
Auftraggeber: Joyn; Produktion: UFA Fiction – Katharina Possert; Regie & Buch: Peter Meister; Cast: Fahri Yardim, Rocko Schamoni, David Scheid, Lana Cooper, Bernhard Schütz, Thelma Buabeng, Stephanie Petrowitz, Aenne Schwarz, Andrea Sawatzki; Episodenanzahl: 8; Premiere: Seriesly Berlin am 16. September; Streaming-Start: Ab 18. September 2024 auf Joyn
REVIEW:
Die achtteilige deutsche Vampir-Comedy „Der Upir“ ist aus dreierlei Hinsicht besonders spannend geraten: Nach fünf immens erfolgreichen Staffeln ist es das erste „Jerks“-Nachfolgeprojekt mit Fahri Yardim in einer Comedy-Hauptrolle seit dem Serienfinale; nachdem die Fiction-Quelle unter der Ausrichtung von Daniel Rosemann bei ProSiebenSat.1 fast versiegt war, ist „Der Upir“ ebenso der Startschuss jenseits der Sat.1-Dailys wieder für mehr fiktionale Originals auf der eigenen Streaming-Plattform Joyn; zudem ist die Serie Teil einer faszinierenden kleinen Welle an deutschen Genreformaten wie „Love Sucks“, „Oderbruch“ oder „City of Blood“, die das Vampir-Sujet auf ihre Weise neuinterpretieren.
Dabei hat „Der Upir“ von Regisseur und Drehbuchautor Peter Meister trotz der Comedy-Verquickung weniger etwas von dem kongenialen Emmy-Abräumer „What We Do in the Shadows“ über eine Vampir-WG, sondern fühlt sich anfangs so an, als ob Fahri Yardims dauerlügende „Jerks“-Figur in eine Vampirserie geraten wäre. Er heißt in „Der Upir“ Eddie, spielt einer Burgerbuden-Besitzer, der bei einer Hausbesichtigung von Vampir Igor (Rocko Schamoni) angebissen wird. Es ist aber kein klassischer Vampirbiss, der Eddie direkt in einen Blutsauger verwandelt. Er bekommt eine Schonfrist von 30 Tagen, in denen er wie in der Pubertät immer weitere Veränderungen wie die spitzen Eckzähne oder das fehlende Spiegelbild an sich feststellt. Aber wenn er sich als Gehilfe von Igor, etwa bei der Leichenbeseitigung oder amourösen Abenteuern gut benimmt, verspricht zumindest der Vampir, werde er Eddie als Mensch wieder in die Freiheit entlassen.
Dass „Der Upir“ aber nicht „Jerks“ im Vampirland geworden ist, was als Prämisse vernünftig umgesetzt eigentlich schon ziemlich gut und unterhaltsam geworden wäre, liegt an Peter Meister hinter der Kamera, der beim Schauspiel auf deutlich weniger Improvisationen setzt. Es liegt aber auch an der zweiten Hauptrolle von Rocko Schamoni, der als selbstverliebter Dandy-Vampir ein interessantes Gegengewicht zu Yardim darstellt. Zumal seine Figur, wie man im Laufe der Geschichte feststellt, unter den anderen in Berlin lebenden Vampiren nicht sonderlich beliebt ist. Es gab zum Beispiel gute Gründe, warum Schamonis Igor längere Zeit im Keller der Villa festsaß, bis ihn Yardim dort unabsichtlich befreite.
Der heimliche Star in der von UFA Fiction produzierten Serie ist aber der österreichische Kabarettist David Scheid (u.a. „Des Teufels Bad“), der Yardims Kumpel Andy spielt. Dem Ösi-Freund wird in den ersten Episoden schlimmste Verletzungen beigefügt, bei dem die meisten Menschen bereits abgetreten wären, während er das Ganze aber sportlich nimmt. Dabei erinnert er als nicht totzukriegender und zäher Zeitgenosse, dessen Rolle vom scheinbaren Running Gag zur echten dritten Hauptrolle heranwächst, an das Auto des Dudes in der 1990er-Kultkomödie „The Big Lebowski“, das zwar im Laufe des Films auch immer weiter ramponiert und besudelt wird, aber letztlich bis zum Schluss fährt.
Peter Meister schafft es vor allem – und das ist gar nicht so leicht – trotz des reichhaltigen Humors die Genre-Atmosphäre hochzuhalten, in der die wilden Absurditäten der Handlung funktionieren. Das gilt insbesondere für die Aufgaben, vor die Rocko Schamonis Vampir Igor gestellt wird, als er eine Art Wahlkampf bei etablierten Vampiren für sich machen muss, um sich deren Stimmen zu sichern. Dazu kommt bei dem Format eine in deutschen Serien selten gesehene Schmierig- und Geschmacklosigkeit in einigen Szenen, die das Format auch aus dem sonstigen Einheitsbrei herausheben. Der Score ist schlicht, aber passend zum Genre gehalten. In Episode drei klingt es aber zwischenzeitlich auch mal so, als sei die Musik aus einem Italo-Meisterwerk aus den 1970er-Jahre entlehnt oder virtuos abgekupfert worden.
Neben Fahri Yardim, Rocko Schamoni und David Scheid spielen viele weitere prominente deutschsprachige Schauspielerinnen und Schauspieler im Cast mit: Aenne Schwarz („Alles ist gut“) gibt Fahri Yardims Serienfreundin, Lana Cooper („Love Steaks“, „Bedways“) spielt die Polizeiermittlerin, die auf das eigenartige Vampir-Mensch-Duo aufmerksam wird, während Bernhard Schütz („Eichwald, MdB“) als angeheuerter Vampirjäger ins Spiel kommt.
So wie der Begriff des titelgebenden „Upirs“ bislang noch wenig Verwendung in der Beschreibung des Vampirgenres gefunden hat, bewahrt sich diese Joyn-Comedy eine unterhaltsame Eigenständigkeit, die nicht immer auf die naheliegendsten Gags zielt und auch voller angedeuteter oder auch umgesetzter Gewalt ist. Hier wird sich was getraut. Und es funktioniert ziemlich gut. Das wird wohl nicht den breiten Mainstream-Geschmack treffen, könnte sich aber über die Zeit als würdiger Geheimtipp sein Publikum erarbeiten. 100 Jahre nach der „Nosferatu“-Weltpremiere entstehen wieder Vampirgeschichten aus Deutschland. Auch „Der Upir“ gehört dabei zu den geglückten Genrewerken.
Michael Müller