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REVIEW KINO: „Rich Flu“

Dystopisches Science-Fiction-Drama über eine aufstrebende Erfolgsfrau, die ums Überleben kämpfen muss, als ein Virus die Reichen und Mächtigen der Welt dahinzuraffen beginnt. 

CREDITS:
Land / Jahr: USA, Kolumbien, Spanien 2024; Laufzeit: 116 Minuten; Regie: Galder Gaztelu-Urrutia; Drehbuch: Pedro Rivero, Galder Gatzelu-Urrutia, Sam Steiner, David Desola; Besetzung: Mary Elizabeth Winstead, Timothy Spall, Lorraine Bracco, Rafe Spall, Jonah Hauer-King, Dixie Egerickx; Verleih: LEONINE Studios; Start: 12. Dezember 2024

REVIEW:
Ein Mann ist reich im Verhältnis zur Zahl der Dinge, auf die er verzichten kann. Sagte Henry D. Thoreau. Das Zitat steht dem neuen Film von Galder Gaztelu-Urrutia voran, Regisseur der weithin geschätzten Dystopie „Der Schacht“ von 2019 (plus Fortsetzung), später ist Thoreaus Roman „Walden“ ein besonderes Geschenk für Come on, baby, eat the rich. Sangen Motörhead. Könnte ebenfalls „Rich Flu“ voranstehen, der einen Mix diverser moderner Ängste vor dem Untergang zu einem fiesen Molotow-Cocktail anreichert, ein Film, der aberwitzig komisch sein könnte, wenn es dem spanischen Filmemacher nicht so irre ernst wäre mit seiner reversen Refugee-Story, die die herrschende Weltordnung einfach einmal auf den Kopf stellt und dann rüttelt und schüttelt. Mit einem bissigen Zynismus, wie man ihn doch eher selten erlebt in dem so sehr um Harmonie und gegenseitiges Verständnis bemühten Kino von heute, wird hier ein Ende der Welt ausgebreitet, dessen Opfer die Reichsten und Mächtigen der Welt sind: Wie der Name „Rich Flu“ besagt, sind von diesem Virus nur die betroffen, die zu den One Percent gehören und eigentlich immer auf der Insel der Glückseligen obenauf geschwommen sind, während die anderen ums Überleben zu kämpfen haben. 

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„Rich Flu“ von Galder Gaztelu-Urrutia mit Mary Elizabeth Winstead (Credit: Leonine)

Das führt zu irren Szenen, wenn auf einem Golfplatz mit harten Bandagen um die letzten Plätze in den vermeintlich rettenden Hubschraubern gekämpft wird oder verzweifelt mit enormen Schenkungen versucht wird, den eigenen Reichtum radikal schnell zu verringen, es nur niemanden gibt, der jetzt noch freiwillig reich sein will. Eine modern gedachte Variante von „Die Maske des roten Todes“ wartet auf die tolle Mary Elizabeth Winstead aus „Death Proof“ oder der dritten Staffel von „Fargo“ in der Hauptrolle, die sich als Laura eigentlich auf der Karriereleiter auf dem Weg nach oben wähnt, als Managerin eines populären Streamingsvervices durchstarten will, dann aber live und hautnah miterlebt, wie Milliardäre um sie herum krepieren: Erst fangen die Zähne strahlend weiß zu leuchten an, der einzige äußere Hinweis (Spitzenidee – sehr effektiv!), dann kippt man schon um. Rettung aussichtslos. Womit eine Odyssee beginnt, die sich von London über ein Retreat ihres Konzernchefs im bitterkalten Sibirien und eine Flüchtlingsroute übers Mittelmeer hin zu Flüchtlingslager in Nordafrika zieht. Alldieweil wanken die Stützpfeiler des Kapitalismus, befinden sich die Aktienmärkte im Sinkflug.

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„Rich Flu“ von Galder Gaztelu-Urrutia mit Mary Elizabeth Winstead (Credit: Leonine)

An die bitteren Zukunftsentwürfe eines Andrew Niccol muss man denken, an „Gattaca“ und besonders „In Time“, ein bisschen sogar an den deutschen Netflix-Hit „Paradise“ von Boris Kunz, besonders aber in Stimmung und Ton an Alfonso Cuaróns „Children of Men“, was „Rich Flu“ bei aller genussvollen Hinterhältigkeit aber auch seine Grenzen aufzeigt: So furios, bildmächtig und effektiv ist der Film von Galder Gaztelu-Urrutia dann auch wieder nicht. Auch wenn man Mary Elizabeth Winstead fasziniert zusieht, wie sie ihr optisches Downsizing entsprechend der Aussichtslosigkeit der Situation durchzieht, von der atemberaubend gekleideten und geschminkten Powerfrau, Donna Langley hoch 4, zur wettergegerbten Überlebenskämpferin, die sich mit ihrer von ihr entfremdeten Mutter, gespielt von Lorraine Bracco, dem von ihr in Trennung lebenden Ehemann, gespielt von Rafe Spall, und der gemeinsamen 16-jährigen Tochter von Gefahr zu Gefahr, von Bedrohung zu Bedrohung hangelt, von der Strippenzieherin zum potenziellen Opfer wird, ohne ihre innere Härte jemals abzulegen, auch als es auf den letzten Metern des Films dann wirklich hart auf hart kommt. 

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„Rich Flu“ von Galder Gaztelu-Urrutia mit Mary Elizabeth Winstead und Rafe Spall (Credit: Leonine)

Nicht alles vermag „Rich Flu“ schlüssig zu erklären, zeigt sich schließlich doch zufrieden damit, als Allegorie oder Metapher zu funktionieren. Aber wie der Film, der in einer früheren Planungsphase noch Rosamund Pike und Daniel Brühl in den Hauptrollen hatte zeigen wollen, aus seinem offenkundig nicht in den Himmel wachsenden Budget – Laura als Plattform-Executive wäre zufrieden mit der Austerität der Filmemacher – doch ein Maximum an atmosphärischer Dichte herausholt, um seinen Soundtrack zum Untergang anzustimmen, registriert man mit einer gewissen Zufriedenheit: Die Botschaft, dass Reichtum nicht glücklich macht und man Geld nicht essen kann, ist nicht neu oder originell, aber deshalb nicht weniger wahr. Am Schluss vermisst man in dieser amerikanisch-kolumbianisch-spanischen Produktion dann doch nur Motörhead und ihr „Come on, baby, eat the rich.“ Ansonsten passt alles. 

Thomas Schultze