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REVIEW KINO: „Nosferatu – Der Untote“

Hollywood-Bilderstürmer Robert Eggers interpretiert den Murnau-Stummfilmklassiker „Nosferatu“ auf seine Weise als sehr atmosphärischen und aufwendigen Horrorfilm neu. Bill Skarsgård spielt im Star-gespickten Cast den blutsaugenden Graf Orlok. Aber der heimliche Star des Films ist Lily-Rose Depp.

CREDITS:
USA 2024; Regie & Buch: Robert Eggers; Produktion: Maiden Voyage Pictures, Studio 8, Birch Hill Road Entertainment; Produzenten: Bernard Bellew, Garrett Bird, Chris Columbus, Eleanor Columbus, Robert Eggers, John Graham, David Minkowski, Jeff Robinov, Matthew Stillman; Cast: Lily-Rose Depp, Bill Skarsgård, Nicholas Hoult, Willem Dafoe, Aaron Taylor-Johnson; Verleih: Universal; Weltpremiere: 2.12.24 im Berliner Zoo Palast; US-Kinostart: 25.12.24; Deutscher Kinostart: 2.1.25

REVIEW:
Mit Robert Eggers hat einer der jungen, wilden Hollywood-Bilderstürmer seine atmosphärische, ernsthaft gruselige und in den Gewaltspitzen saftige Neuinterpretation von Friedrich Wilhelm Murnaus Vampir-Klassiker „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ vorgelegt. Schauspielerisch konnte Eggers zudem aus dem Vollen schöpfen: „It“-Clown Bill Skarsgård spielt in einer Mischung aus Maske und Effekten Vampir Graf Orlok, Nicholas Hoult den Deutschen Thomas Hutter und Lily-Rose Depp dessen Frau Ellen. Dazu kommen Eggers-Stammschauspieler wie Willem Dafoe.

Eggers, der in seinen bisherigen Regiearbeiten wie „The Witch“, „Der Leuchtturm“ oder „Northman“ einerseits eine große Vorliebe für Mythen und andererseits für beeindruckende Bilderwelten zeigte, greift hier auf die erzählerische Essenz von Henrik Galeens Adaption des Bram-Stoker-Romans „Dracula“ zurück: Thomas Hutter (Nicholas Hoult) ist mit seiner Angebeteten Ellen (Lily-Rose Depp) frisch verheiratet und lebt in einem kleinen deutschen Küstenstädtchen Mitte des 19. Jahrhunderts.

Hutters Arbeitgeber schickt ihn auf eine beschwerliche Reise nach Osteuropa, wo er von dem schon alten und kranken Graf Orlok den Vertrag für eine Immobilie unterzeichnen lassen soll. Der Graf, der sich auf seinem Schloss wiederum als blutsaugendes Monstrum herausstellt, hat es aber vor allem auf Hutters Frau Ellen abgesehen, mit der schon länger eine mysteriös-magische Verbindung hält.

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Willem Dafoe in „Nosferatu“ (Credit: Focus Features / UPI)

Graf Orlok tritt bei Eggers das erste Mal so richtig nicht über seinen Körper, sondern über die markerschütternde hypnotische Stimme in Erscheinung. „Nosferatu – Der Untote“ ist neben seiner düster-kunstvollen Bilderwelten, die in ihren aufwendigen und haptischen Sets eine gelungene Mischung aus Expressionismus und Schauer-Romantik sind, vor allem ein Genuss auf der akustischen Ebene: So opulent und dunkel ist der Score, so wirkungsvoll für den Horror ist das Sound-Design, so gut wird mit der in die Seele abzielende Stimme des Grafen gearbeitet.

Mit dieser Stimme erreicht Graf Orlok auch Lily-Rose Depps Figur Ellen im deutschen Hafenstädtchen, sucht sie telepathisch richtiggehend heim. Wenn Nicholas Hoults Hutter-Figur die Geschichte in Gang bringt, steht dann aber vor allem auch die Beziehung zwischen ihr und dem Grafen im Mittelpunkt. Wobei Lily-Rose Depp, die optisch mehr an Isabelle Adjani in Werner Herzogs 1970er-Jahre-„Nosferatu“ erinnert, hier schauspielerisch dem Affen richtig Zucker gibt. Das fängt mit Blut, das Lucio-Fulci-mäßig wie Tränen aus ihren Augen läuft, an, geht über fast schon „Exorzisten“-würdige somnambule Besessenheits-Anfälle bis hin zu erotisch stark aufgeladenen Szenerien.

Denn auch diese „Nosferatu“-Geschichte ist wieder die Geschichte einer Obsession. Max Schreck wurde schon im Ur-Vampirfilm als menschlicher Phallus beschrieben. Hier sind die sexuellen Konnotationen zwischen dem Grafen und Ellen nochmal deutlich verstärkt worden, wie überhaupt der Frauenfigur eine größere Bedeutung für die Erzählung eingeräumt wird.

„Nosferatu“ ist bislang vielleicht Eggers‘ stärkster, weil rundester Film, indem sich nicht wie bei „The Witch“ oder „Northman“ stärkere und schwächere Passagen abwechseln. Er ist tonal auch weniger unstet als „Der Leuchtturm“, der bis dato trotz seiner Schwarzweißbilder sein zugänglichstes Werk war, das sich auch am meisten für seine Charaktere interessiert. „Nosferatu“ bringt alle diese Elemente jetzt zusammen: Die beeindruckende Optik, die dichte Gefrier-Atmosphäre, die saftigeren und blutigeren Genremomente, durchaus auch unerwarteter Humor, aber auch richtig starke Schauspielleistungen. Es ist ein waschechter Horrorfilm geworden – und ein richtig guter dazu, der dabei interessante kleinere Verschiebungen zu den bisherigen „Nosferatu“-Verfilmungen aufweist.

Michael Müller