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REVIEW KINO: „Die Ironie des Lebens“

Bittersüße Komödie über einen in die Jahre gekommenen Standup-Comedian, der in Folge einer Tragödie Leben und Liebe aufs Neue kennen und schätzen lernt.

CREDITS:
Land / Jahr: Deutschland 2024; Laufzeit: 111 Minuten; Regie: Markus Goller; Drehbuch: Oliver Ziegenbalg; Besetzung: Uwe Ochsenknecht, Corinna Harfouch, Emilia Schüle; Verleih: Warner Bros.; Start: 5. September 2024

REVIEW:
Das Gute an den Filmen von Markus Goller und Oliver Ziegenbalg: Sie werden immer besser. Immer weiter verfeinern der Regisseur und der Drehbuchautor, die gemeinsam unter dem Banner Sunnysideup seit 2017 kreativ und als Produzenten gemeinsame Sache machen, ihren Ansatz, Geschichten aus der realen Welt zu erzählen, die durchdrungen sind von einem zutiefst menschlichen und lebensbejahenden Ansatz – die sonnige Seite oben -, aber die Härten und Untiefen nicht nur einfach nicht ausblenden, sondern mitten ins Tageslicht zerren, in den Mittelpunkt ihrer Filme rücken. Bruderzwist, Alkoholismus. Nichts, worauf es einfache Antworten gäbe oder womöglich gar einfache Filme. Goller/Ziegenbalg verstehen es indes, ihre Themen ernst zu nehmen und einen Ansatz zu finden, genau deshalb unterhaltsame Filme zu machen. Diesmal das ganz schwere Brett. Krankheit und Tod. Aber eben auch die Geschichte einer Wiedergeburt, einer zweiten Chance, eines Neuanfangs. 

Die Ironie des Lebens scaled e x
Corinna Harfouch und Uwe Ochsenknecht in „Die Ironie des Lebens“ von Markus Goller und Oliver Ziegenbalg (Credit: Warner Bros.)

Everybody’s Gotta Learn Sometime”, hören wir gleich zu Beginn, der erhebende und traurige Popsong von Korgis. Setzt perfekt die Stimmung mit seiner getragenen Melodie. Und der Ankündigung, dass die Hauptfigur in den kommenden 110 Minuten etwas dazulernen soll. Und hoffentlich wird. Zumindest wird Edgar damit konfrontiert werden, ein Standup-Comedian, der seit Jahrzehnten Erfolge feiert mit seiner Form der Confessional-Comedy, dessen Name seine eigene Marke, seine eigene Brand, seine eigene IP geworden ist. Von dem Mensch Edgar ist dahinter nicht viel zurückgeblieben. Gleich die ersten Szenen etablieren ihn als einsamen Mann, der sich auf dem Rücksitz seiner Limousine von seinem Chauffeur Kurti kreuz und quer durchs Land fahren lässt, von Auftritt zu Auftritt. „Another town, another place / Another girl, another face”, singen Motörhead in „(We Are) The Road Crew“. So ist das. Die Leute lachen. Über seine Witze übers Älterwerden, über die Dinge, die er im Leben versemmelt hat. Edgar nimmt’s hin, lässt den Beifall über sich hinwegbranden. 

Uwe Ochsenknecht spielt diesen Edgar in seiner ersten richtig großen Kinohauptrolle seit weit mehr als einem Jahrzehnt, und es fällt schwer, Echos des Filmstars aus dem realen Leben nicht auch in diesem Comedy-Star in der Fiktion zu erkennen. Edgar ist kein Typ, der es einem leichtmacht, ihn zu mögen. Aber irgendwie kriegt es Ochsenknecht hin, dass man ihn sofort in sein Herz schließt. Der kann das, ohne dass er etwas tun muss. So sieht man einen traurigen Mann, aber eben keinen traurigen Sack. Und man wundert sich: Mann, wo warst du so lange – schön dich wiederzusehen, altes Haus. Das ist ohnehin eine der Qualitäten in den Arbeiten von Goller / Ziegenbalg: Das sind immer Schlawiner und Hallodris im Mittelpunkt ihrer Filme, Fuck-Ups und Loser, Kerle, deren Leben irgendwie, irgendwann von der Schiene gerollt ist, die aber trotzdem weitermachen, weil die Alternative auch keine Option ist. „Everybody’s gotta live / Everybody’s gonna die / Everybody better try to have a good time”, singt ganz am Schluss Arthur Lee in seiner kaputten und anrührenden, seltsam glücklich machenden Ode an das Leben, und sie sollte auch als Sinnspruch über diesem Film stehen. Weil es genau darum gehen wird. Weil Edgar aus seinem täglichen Tran geschockt wird, als seine Ex-Frau unangekündigt zu einem seiner Auftritte kommt. Sie haben einander seit Jahren nicht mehr gesehen, seit Edgar irgendwann einfach weggegangen ist und Eva mit ihren beiden kleinen Kindern hat sitzen lassen. Und jetzt ist sie da, sieht ihm in die Augen und erklärt ihm, dass sie sterben wird. Krebs. Unheilbar.

Was der Beginn der Reise ist, die eine Reise an ein Ende ist, klar, everybody’s gonna die, aber eben auch an einen Anfang, everybody’s gotta live. Des Widerspenstigen Wiedergeburt: Wie Edgar an der Seite von Eva, die er immer irgendwie hofft, doch noch zu einer Therapie zu überreden, die sie nicht machen und lieber die letzten Monate ganz bewusst erleben will, lernt, ein Mensch zu sein, das ist der Kick des Films, der voller guter Ideen ist, schöner Momente, der immer den richtigen Ton trifft, im Drehbuch, in der Inszenierung. Da ist natürlich der große emotionale Moment, wenn Corinna Harfouch als Eva – nach „Sterben“ der zweite Film in diesem Jahr, in dem man die Lola-Gewinnerin in der Rolle einer Mutter am Ende des Lebens sieht, sie aber die eisige Kälte der einen Figur gegen eine hinreißende Wärme und Offenheit eingetauscht hat – im leeren Ballsaal sitzt und für Edgar „Cosmic Dancer“ singt. Da sind die vielen kleinen Momente der Erkenntnis, die Edgar wieder die Nähe zu den Kindern, die er gar nicht kennt, gespielt von Emilia Schüle und Robert Gwisdek, suchen lässt. Und die Erkenntnis, dass man immer dazu lernen kann, everybody better try to have a good time

Thomas Schultze