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REVIEW KINO: „Die Herrlichkeit des Lebens“

Verfilmung des Bestsellers von Michael Kumpfmüller über die Liebe zwischen Franz Kafka und Dora Diamant im letzten Jahr im Leben des Schriftstellers.

CREDITS: 
Land/Jahr: Deutschland, Österreich 2024; Laufzeit: 98 Minuten; Regie: Georg Maas, Judith Kaufmann; Drehbuch: Georg Maas, Michael Gutmann; Besetzung: Henriette Confurius, Sabin Tambrea, Manuel Rubey, Daniela Golpashin, Leo Altaras, Luise Aschenbrenner; Verleih: Majestic; Start: 14. März 2024

REVIEW:
Viele prägnante Attribute lassen sich finden für die Verfilmung des Romans von Michael Kumpfmüller über die Liebe zwischen Franz Kafka und Dora Diamant im letzten Jahr seines Lebens, „kafkaesk“ ist nicht darunter. Georg Maas und Judith Kaufmann ist in ihrer gemeinsamen Regiearbeit, die auf einem Drehbuch von Maas basiert, das er mit Michael Gutmann geschrieben hat, nicht an der Psychologisierung Kafkas gelegen. Sie suchen nicht nach Bildern, die dem beklemmenden Werk des Schriftstellers entsprechen, die eine Verbindung zwischen seinen Arbeiten und seinem Leben herstellen. Vielmehr ist ihnen daran gelegen, eine Liebesgeschichte zu visualisieren, deren tragisches Ende bereits feststeht, als sie beginnt, eine Liebesgeschichte, deren Zeit verrinnt – und die so zentral und groß erzählt wird, in exquisiten Bildern Kaufmanns und mit der präzisen Schnittarbeit von Gisela Zick und Hansjörg Weißbrich, dass der Mythos Kafka hinter dem Menschen Kafka zu verschwinden beginnt. 

Die Herrlichkeit des Lebens  x
Sabin Tambrea und Henriette Confurius in „Die Herrlichkeit des Lebens“ (Credit: Majestic)

Dass die Liebenden eben besagter monolithischer Schriftsteller und Dora Diamant sind, ist ein entscheidendes Detail, das den Rahmen für die historisch belegte, durch eine belletristische Vorlage gefilterte Handlung vorgibt, aber eben nur ein Detail, das dem Film eine besondere Dringlichkeit verleiht. Für einen Kinostoff ist es eine starke Prämisse, eine Liebe gegen alle Widerstände, die mit einer Zufallsbekanntschaft an einem Strand an der Ostsee beginnt, zwischen zwei Menschen, die so gegensätzlich erscheinen, dass man nicht recht weiß, wie sie überhaupt jemals ein Gespräch führen konnten. Und die eben doch spüren, dass sie füreinander geschaffen sind, der immer über den Dingen schwebende Kafka, der für seine verzweifelte Weltsicht Worte findet wie kein anderer, und die patente Diamant, eine moderne junge Frau in einer Zeit, in der man weiblichem Aufbegehren mit Skepsis bis Ablehnung begegnet. 

Sabin Tambrea und Henriette Confurius sind Idealbesetzungen für die beiden Hauptrollen, wirken auf eine Weise, wie das nur auf Filmstars zutrifft, immer handfest und gleichzeitig ein bisschen wie Wesen von einem anderen Stern. Was von entscheidender Bedeutung ist, um die Geschichte von „Die Herrlichkeit des Lebens“ funktionieren zu lassen. Sehr nah gehen die beiden Regisseure ran an die zentralen Figuren, aber nicht immer so nah, dass sich der Film ganz frei machen kann von dem Vorwurf, wohlfeiles Ausstattungskino zu sein. Die Bilder haben eine Ausgesuchtheit, Kostüm (Tanja Hausner) und Szenenbild (Katharina Wöppermann) eine Genauigkeit, die der Authentizität der Ära entspricht, der Zeit zwischen den beiden großen Kriegen, aber eben auch Gefahr laufen, ausgestellt zu wirken und das Leben der Handlung zu ersticken. Die Schauspieler sind da besonders wichtig. Und wirken stets fein und umsichtig geführt, können sich entfalten, zwei berühmten Namen Kontur verleihen. Eine nachhaltige Rolle spielt neben Tambrea und Confurius ohnehin nur Manuel Rubey als Kafkas bester Freund Max Brod, dem, das wissen wir heute, es freilich zu verdanken ist, dass man die Arbeit des Schriftstellers überhaupt jemals zu lesen bekam. Vor seinem Tod hatte Kafka ihm angewiesen, er solle sämtliche Manuskripte des bis dahin weitgehend unveröffentlichten Autors vernichten – Brod entschied sich dagegen. 

„Die Herrlichkeit des Lebens“, hergestellt von der deutschen Tempest Film in Koproduktion mit der österreichischen Lotus Filmproduktion, ist Kino, das die Herrlichkeit des Lebens nicht laut herausbrüllt, sondern mit feinem Pinselstrich und formal klassisch erzählt – wer Kafka verrückter und knalliger haben will, der kann aktuell auf David Schalkos gemeinsam mit Daniel Kehlmann geschriebene Miniserie mit Joel Basman als Franz Kafka zugreifen. Ein älteres Publikum dürfte aber diese Variante vorziehen, vielleicht manchmal etwas brav und steif, aber immer sehenswert, Masterclass-Kino mit gestärktem Kragen und guten Manieren. 

Thomas Schultze