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REVIEW KINO: „Der Mann aus Rom“

Eindringlicher Glaubensthriller über einen Priester, der vom Vatikan in eine niederländische Gemeinde geschickt wird, wo er ein angebliches Wunder untersuchen soll.  

CREDITS:
O-Titel: De Man uit Rome; Land / Jahr: Niederlande, Deutschland 2023; Laufzeit: 107 Minuten: Regie: Jaap van Heusden; Drehbuch: Rogier de Blok, Jaap van Heusden; Besetzung: Michele Riondino, Raymond Thiry, Emma Bading, Daniela Holtz; Verleih: missingFILMs; Start: 12. Dezember 2024

REVIEW:
Wenn man es denken kann, kann man es auch filmen. Wird als Zitat Stanley Kubrick zugeschrieben, manchmal auch Ridley Scott, aber ist auch egal, weil es ein guter Satz ist. Aber wie denkt man ein Wunder, um es dann so filmen zu können, dass es auch wie ein Wunder wirkt und nicht wie ein billiger Taschenspielertrick, was es in einer Inszenierung letztlich auch ist? Wirklich gelungen ist das bislang wohl nur Carl Theodor Dreyer mit „Das Wort“ im Jahr 1959, mit Rigidität der Erzählung, Strenge der Bilder, Überzeugung der Gedanken, Kino der Transzendenz. Alle anderen? Nicht so. Wenn also nun in „Der Mann aus Rom“, dem neuen Film des niederländischen Filmemachers Jaap van Heusden, der Mann aus Rom in eine kleine limburgische Gemeinde kommt, scheinen die Vorzeichen klar. Wie er da in seinem Priestergewand am Bahnsteig steht, gespielt von dem höchst attraktiven Michele Riondino, vielleicht bekannt aus Marco Bellochios „Bella Addormantata“, aber für deutsche Kinogänger ein eher unbeschriebenes Blatt, ziemlich lässig aussieht mit einer Zigarette in der Hand, ist gleich klar, dass da vielleicht ein Geistlicher ankommen mag, aber dass er ein Zweifler ist, einer, der der Weltlichkeit nähersteht als dem Spirituellen, der auf die Wissenschaft vertraut, eine Art Geheimwaffe des Vatikan, weil er falsche Wunder sieben Meilen gegen den Wind riechen kann. Die Lüge sei eine Droge, der sich die Menschen nicht entziehen könnten, sagt er zu Beginn aus dem Off. Er hat einen Koffer mit Instrumenten bei sich, als wäre er Abraham Van Helsing. Wir wissen gleich: Sein Mangel an Glauben soll auf eine harte Probe gestellt werden. 

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Jaap van Heusdens „Der Mann aus Rom“ mit Michele Riondino und Emma Bading (Credit: missingFILMs)

Erst denkt man an Max von Sydows Priester aus „Der Exorzist“, obwohl Filippos Auftrag genau umgekehrt: Er soll nicht einen Teufel austreiben, um wieder für Glauben zu sorgen, sondern einen Schwindel entlarven, um den Status Quo wieder herzustellen; er soll wissenschaftlich beweisen, dass eine Marienstatue nicht aus höheren Gründen Tränen vergossen hat, sondern es ganz profane Gründe für das vermeintliche Wunder gibt. Dann aber lässt der Regisseur seine Hauptfigur ganz schön schwitzen bei seinem inneren Ringen. Da erinnert er dann an Gunnar Björnstrands Pfarrer in Ingmar Bergmans „Licht im Winter“. Er soll es nicht leicht haben, sich nicht leicht machen im Verlauf der Geschichte. Weil die Dinge auch längst nicht so einfach sind, wie er sich das anfangs vorstellt als rationeller Mensch. Denn Filippo kommt in eine Gemeinde, die vier Jahre zu vor in ihren Grundfesten erschüttert wurde, sich immer noch verzehrt vor Trauer und Schmerz, sich nicht erholt hat von einer Katastrophe, die sich wie Blei über das Städtchen ergossen hat und immer weiter auf ihm lastet.

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Jaap van Heusdens „Der Mann aus Rom“ mit Michele Riondino (Credit: missingFILMs)

Nach 20 Minuten Laufzeit wird diese Katastrophe klar benannt, lapidar gezeigt, in einer schockierenden Szene, mit einer fixierten Kamera, aus einer gewissen Distanz. Auf der anderen Seite des Hofs sieht man panische Kinder und Jugendliche aus ihrer Schule stürzen, man sieht vereinzelte Lichtblitze, man hört immer wieder ein dumpfes Ploppen, jedes Ploppen ein Schuss, mit dem ein Amokschütze, ein Junge aus ihrer Mitte, ein Leben auslöscht, elf Menschen insgesamt. Davon erholt sich niemand. Der Glaube spendet Trost, gibt Hoffnung. Sie glauben an die Marienstatue, die im Zimmer eines Mädchens stand, Térèse, deren Bruder bei dem Anschlag ums Leben gekommen ist und die seither kein Wort mehr gesprochen hat. Für Filippo ist sie der Schlüssel zu seinen Untersuchungen, über die er seine Vorgesetzten konstant auf dem Laufenden hält und die ihn erst einmal auf eine Mauer des Schweigens und wachsende Feindseligkeit stoßen lassen, als den Menschen klar wird, dass er nicht gekommen ist, um die Marienstatue zu segnen, sondern ihre Heiligkeit anzuzweifeln. 

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Jaap van Heusdens „Der Mann aus Rom“ mit Emma Bading (Credit: missingFILMs)

Regisseur van Heusden findet beeindruckende Bildkompositionen, die klar signalisieren, dass es ihm ernst ist mit seinem Film, mit seiner Untersuchung von Glauben, Trauma und Trauer, mit seinem Porträt eines Mannes, dessen Skepsis ihn einsam hat werden lassen. Lange hält „Der Mann aus Rom“ offen, worum es ihm wirklich geht, wohin seine eindringliche, ernüchternde Atmosphäre ihn bei seiner Spurensuche führen wird. Das Motiv des Eindringlings in eine ihm feindselig gesinnte Welt erinnert an „Wicker Man“, aber während der Film sehr wohl einen realen Horror beschreibt und schließlich auch in schockieren Bildern zeigt, ist er kein Horrorfilm, sondern die Geschichte eines ganz persönlichen Ringens, festgemacht an der Faszination, die Pater Filippo für die stumme Térèse entwickelt, gespielt von der deutschen Schauspielerin Emma Bading mit sprachloser Intensität, den Blick immer leicht nach unten gerichtet, eine Unschuld, die eigentliche Marienstatue der Geschichte, die den Mann aus Rom schriftlich wissen lässt, dass er wieder zu Gott finden werde, bevor er das Städtchen verlässt. Koproduziert mit der Düsseldorfer Fiction Park von Maria Tsigka und Markus Halberschmidt(Förderung von DFFF und Film- und Medienstiftung NRW), die nach „Cuckoo“ wieder einen bemerkenswerten Film am Start hat, ist dieser „metaphysische Detektivfilm“ (Pressetext) ein besonderes Erlebnis, ein verschlungenes Labyrinth, das seine Hauptfigur nach und nach den Boden unter den Füßen verlieren lässt und zu einem bitteren, konsequenten Ende führt.

Thomas Schultze