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REVIEW KINO: „Club Zero“

Neues faszinierendes, hermetisches Rätselspiel von Jessica Hausner über eine Lehrerin an einer Eliteschule, die ihren Schülern das Essen austreiben will. 

CREDITS:
Land/Jahr: Österreich, Großbritannien, Deutschland, Frankreich 2023; Laufzeit: 100 Minuten; Regie: Jessica Hausner; Drehbuch: Jessica Hausner, Géraldine Bajard; Besetzung: Mia Wasikowska, Sidse Babett Knudsen, Amir El-Masry, Elsa Zylberstein, Mathieu Demy, Ksenia Devriendt, Luke Barker; Verleih: Neue Visionen; Kinostart: 28. März 2024

REVIEW:
Jessica Hausner bleibt sich konsequent treu, ist vielleicht noch ein bisschen radikaler und konzentrierter in „Club Zero“, ihrem nach „Little Joe – Glück ist ein Geschäft“ zweiten in englischer Sprache gedrehten Film, geht noch weiter und ist noch virtuoser in der Gestaltung einer hermetisch verschlossenen Welt, die wie eine Petrischale wirkt, eine präzise ausgearbeitete Versuchsanordnung, in der zeitgeistige Themen entschlossen auf die Spitze gebracht und zu Ende gedacht werden. Wie der Vorgänger ist auch diese neue Arbeit der 51-jährigen Österreicherin eine Schreckensvision, ein Horrorfilm ohne Monster und Geister, ohne übernatürliche Bedrohung. Ließe sich „Little Joe“ als Weiterführung von „Die Körperfresser kommen“ bezeichnen, dann ist „Club Zero“ nun Jessica Hausners höchst eigenwillige Version von „Dorf der Verdammten“. Der Horror entwickelt sich indes aus sich selbst, ähnlich wie es Todd Haynes in dem verwandten „Safe“ gemacht hatte, in dem Julianne Moore als Hausfrau eine Allergie gegen sich und das eigene Leben entwickelt.

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Mia Wasikowska schwört ihre Schüler auf den „Club Zero“ ein (Foto: Neue Visionen)

Als neue Ernährungslehrerin an einer Eliteschule trifft Miss Novak, gespielt von Mia Wasikowska, einen Nerv bei ihren jugendlichen Schülern mit ihrem Konzept des „Bewussten Essens“: Die Kids wollen anders sein, nicht die Fehler der reichen Eltern machen, sie lehnen den Kapitalismus ab und machen sich Gedanken über einen neuen Lebensansatz und wie man selbst am besten dazu beitragen kann, den gefährdeten Planeten zu retten. Wer selbst immer weniger zu sich nimmt, ist auf dem richtigen Weg. Wer es zur Meisterschaft bringt und dem Club Zero beitritt, der denen vorbehalten bleibt, die überhaupt nichts mehr essen, hat es ans Ziel geschafft. Miss Novak, die so aufgeräumt und zielgerichtet ist, wie sie sich kleidet, stets im farblich geschmackvoll aufeinander abgestimmten preppy Stil mit eng ansitzendem Polohemd, bis oben zugeknüpft, und einer eleganten Chinohose, ist eine überzeugende Botschafterin für die ungewöhnliche Lebensweise, die, wie sich zeigt und wie man ahnen kann, drastische Folgen für ihre Anhänger hat. In der Szene, über die in Cannes am meisten gesprochen wurde, würgt ein Mädchen vor den Augen seiner Eltern sein Essen wieder hervor, nur um es dann mit einem Löffel wieder in den Mund zu schaufeln. 

Man ist, was man isst. Und wenn man nichts mehr isst, ist man irgendwann nichts mehr. Dabei ist „Club Zero“ kein Film, der sich dezidiert mit Essverhalten auseinandersetzt. In diesem wundersam durchdesignten Film, in dem Architektur, Möbel und Mode perfekt ausgewählt sind und immer hundertprozentig zusammenpassen, ist der Mensch das Fremdobjekt, das schwächste Glied. Kameramann Martin Gschlacht, gerade ausgezeichnet mit einem Silbernen Bären für seine Arbeit an dem visuell denkbar anders umgesetzten „Des Teufels Bad“ von den Regisseuren Veronika Franz und Severin Fiala, findet strenge, ganz klare, wie mit dem Geodreieck abgezirkelte Bilder dafür, wie aus einem Vakuum. Dazu kommt noch japanische Kabukimusik, die für zusätzliche Distanz sorgt: Zusehen soll man, den Verstand einschalten, und nicht einfach konsumieren und mitmachen. Wie das geht, lernt man von Fräulein Novak. 

Thomas Schultze