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REVIEW CANNES: „Parthenope“

Nach „Die Hand Gottes“ eine weitere sehr persönliche Liebeserklärung an Neapel und die Schönheit der Frauen von Paolo Sorrentino.

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Paolo Sorrentinos „Parthenope“ (Credit: Gianni Fiorito)

CREDITS:
Land/Jahr: Italien 2024; Laufzeit: Italien, Frankreich 2024; Regie, Drehbuch: Paolo Sorrentino; Besetzung: Silvio Orlando, Luisa Ranieri, Peppe Lanzetta, Isabella Ferrari, Celeste Dalla Porta, Stefania Sandrelli, Gary Oldman; Verleih: Alamode / Wild Bunch

REVIEW:
Und gleich noch einmal eine Liebeserklärung an Neapel, drei Jahre nach „Die Hand Gottes“, mit dem Paolo Sorrentino den Großen Preis in Venedig gewinnen konnte. Gleich noch einmal ein Schwelgen in der Vergangenheit, den Siebzigerjahren diesmal, die strahlen in einem Glanz, als hätte Sorrentinos Bildgestalterin Daria D’Antonio Goldstaub über ihre Kompositionen, eine exquisiter als die andere, gestäubt. Alles Sorrentino, alles klar. Aber irgendwie auch nicht. Weil „Parthenope“ vielleicht ein Begleitfilm zu „Die Hand Gottes“ sein mag, aber auch ein Gegenentwurf ist. Dem vollsatten Griff ins autobiographische Leben – Sorrentino blättert seine eigene Jugend auf, erzählt vom tragischen Unfalltod seiner Eltern –, eine Geschichte von den Schmerzen des Erwachsenwerdens, stellt der italienische Filmemacher, der in ein paar Tagen 54 Jahre alt wird, hier eine Elegie entgegen, in deren Mittelpunkt erstmals eine Frau steht, gespielt von der schönen Celeste Dalla Porte, die zu entdecken man hier das Privileg hat. 

Nennen wir sie Parthenope, ruft der Commandante bei ihrer Geburt im Jahr 1950 in der Meeresbrandung mit einem Blick auf die Stadtfront Neapels. Es handelt sich nicht nur um den Namen einer der Sirenen in der griechischen Mythologie, sondern ist eben auch der ursprüngliche Name Neapels. Wenn der Film fortan von ihrer blendenden Schönheit erzählt, der alle Männer verfallen, von ihrem enigmatischen Lächeln, das die Welt um sie herum vor ihr auf die Knie sinken lässt, dann meint Sorrentino immer auch Neapel, das er verehrt und liebkost, über das er sich aber auch lustig macht. Sie wisse nichts, aber ihr gefalle alles, sagt Parthenope zu ihrem Professor an der Uni, der fortan ihr Mentor sein wird. Sie ist nicht nur attraktiv und sexy und gekleidet in den schönsten Designs, die das Modehaus Saint Laurent zustande gebracht hat (irre Klamotten!), sondern ist auch blitzgescheit, klug und gesegnet mit einer Schlagfertigkeit, die einen um den Verstand bringen könnte: John Cheever ist ihr Lieblingsautor, und als sie ihn in Capri tatsächlich kennenlernt, gespielt mit lässiger Grandezza von Gary Oldman, würde es knistern, wenn Cheever (und die mindestens zwölf leeren Flaschen harten Alkohol, die stets um ihn drapiert sind) nicht dem eigenen Geschlecht zugetan wäre.

Wenn er eine Frau wäre, hat Steve Martin einmal gesagt, dann würde er den ganzen Tag vor dem Spiegel stehen und seine Brüste liebkosen. Ein bisschen trifft das auf den Blick des Films zu, der einfach hin und weg ist von seiner Hauptdarstellerin, die durch die Jahre streift, als würde sie den Boden nicht berühren, 1968, 1973, 1974, 1975, 1982, ein Film, der die „grande bellezza“ des Lebens feiert: Jede Einstellung wie aus einem Modeshoot, während Parthenope zunächst die Jugend feiert als Unberührbare, die über den Dingen steht, oszillierend zwischen ihrem Jugendfreund, der sie liebt, und ihrem älteren Bruder, den sie liebt, aber schließlich nicht retten kann im steten Auf und Ab zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Parthenope will sich als Schauspielerin versuchen, bleibt schließlich aber den Geisteswissenschaften treu, studiert Anthropologie. „Ein guter Lehrer ist seinen Schülern immer nur eine Schulstunde voraus“, wird Billy Wilder zitiert, den der Professor als großen Anthropologen ausweist. 

Immer ist Parthenope auf der Suche und mit ihr auch der Film, der zunehmend bizarrer wird, je länger er dauert, immer mehr Fellini zulässt, was schließlich in einer herrlich grotesken Sexszene in einer Kathedrale kulminiert. Man begibt sich bereitwillig mit auf diese Suche, weil sie zwar auch schwermütig und bitter ist, doch immer der Schönheit verpflichtet, das ultimative Streben zwischen Sexus und Thanos. So schwärmend wie hier hat Paolo Sorrentino seinen Ansatz noch nie formuliert, man will baden in diesem Film, sich von seinen sanften Wogen tragen lassen, den Blick fest auf Neapel gerichtet. Und auf Celeste Dalla Porte, die noch einmal doppelt so toll ist wie ihr Name und in 140 Minuten vor unseren Augen vom Nobody zum Filmstar wird. Dazu spielt Riccardo Cocciante und sein Song „Era Già Tutto Previso“. Alles war schon vorherzusehen. Eben. 

Thomas Schultze