Das Warten hat ein Ende: Mit der zweiten Staffel von „Die Kaiserin“ kehrt am 22. November endlich eine der erfolgreichsten deutschen Netflix-Serien überhaupt zurück. Wir haben uns bei Showrunnerin Katharina Eyssen, ihrem Mitstreiter Robert Eyssen und Produzent Fabian Maubach umgehört und einen Blick hinter die Kulissen geworfen.
Noch kurz bevor die erste Staffel von „Die Kaiserin“ am 29. September 2022 bei Netflix auf Sendung ging, da war die sechsteilige Miniserie von Showrunnerin Katharina Eyssen, produziert von der Sommerhaus Serien GmbH, über die ersten sechs Monate der stürmischen Liebesgeschichte zwischen Elisabeth und dem österreichischen Kaiser Franz-Joseph erst einmal eines von mindestens vier verschiedenen Sissi/Elisabeth-Projekten, die um die Aufmerksamkeit des Publikums rangen: „Corsage“ von Marie Kreutzer hatte ein paar Monate davor in Cannes einen Riesenaufschlag erlebt (Darstellerinnenpreis des Un Certain Regard für Vicky Krieps), „Sisi und ich“ von Frauke Finsterwalder würde ein paar Monate danach auf der Berlinale Weltpremiere feiern, und die Serie „Sisi“ hatte bereits im Dezember davor bei RTL+ hohe Wellen geschlagen (und wird nun ab Dezember in die vierte Staffel gehen).
Kurz nach dem 29. September 2022 war „Die Kaiserin“ eine Sensation. Sie war auf Netflix weltweit die siebtbeliebteste nicht-englischsprachige Serie jenes Jahres, mit fünf Wochen in den globalen Top 10, und avancierte nicht nur zum erfolgreichsten Sisi-Stoff seit den legendären Filmen mit der jungen Romy Schneider, sondern auch zur erfolgreichsten deutschen Netflix-Serie, bis sie im Folgejahr von „Liebes Kind“ abgelöst wurde. „Der Erfolg hat mich ziemlich unerwartet getroffen“, kommentiert Katharina Eyssen die sich überschlagenden Ereignisse. „Nicht, weil ich an ,Die Kaiserin‘ und der Zugkraft der Serie gezweifelt hätte, sondern weil ich bis zum Schluss so sehr involviert war in die Fertigstellung, dass einfach keine Zeit war, sich darüber Gedanken zu machen.“ Sie habe sich von Woche zu Woche gehangelt, immer nur bedacht darauf, die Serie so gut zu machen, wie es ihr möglich sei. „Aber natürlich hatte ich die Hoffnung wie bei allen Geschichten, die ich erzähle: Ich hoffte, dass es bei den Zuschauer:innen ankommt.“
Der ultimative Adelsschlag folgte dann am 21. November 2023, als „Die Kaiserin“ bei den International Emmys als beste Dramaserie ausgezeichnet wurde, als überhaupt erst zweites deutsches Format nach „Deutschland83“ im Jahr 2016. „Ich hatte mir nicht vorstellen können, dass ,Die Kaiserin‘ international einen derartigen Aufschlag haben würde“, so die Showrunnerin. „Das hat mich sehr berührt und demütig gemacht. Ich habe so viele Nachrichten bekommen von leidenschaftlichen Fans aus der ganzen Welt: aus Nigeria, Kolumbien, Kanada, USA, Ukraine, Rumänien, aus den unterschiedlichsten Ländern. Man weiß natürlich, dass Netflix global funktioniert, aber das dann wirklich selbst zu erleben, das hatte ich nicht erwartet.“
Zu diesem Zeitpunkt war der Dreh der zweiten Staffel indes bereits im vollen Gange, selbstverständlich wieder mit Schöpferin Katharina Eyssen als Showrunnerin und Chefautorin und den beiden Produzenten Jochen Laube und Fabian Maubach von Sommerhaus, und vor allem den bewährten Hauptdarsteller:innen, allen voran Devrim Lingnau als Elisabeth, Philipp Froissant als Franz-Joseph und Melika Foroutan als Erzherzogin Sophie. Allerdings gab es auch entscheidende Veränderungen an anderen Stellschrauben. Hatten bei der ersten Staffel noch Katrin Gebbe und Florian Cossen Regie geführt, so übernahmen diesmal die nicht minder namhaften Barbara Ott und Maximilian Erlenwein die Inszenierung, die schon gemeinsam die Netflix-Originals-Serie „Skylines“ gemacht hatten.
„Man weiß natürlich, dass Netflix global funktioniert, aber das dann wirklich selbst zu erleben, das hatte ich nicht erwartet.“
Noch entscheidender war indes der Wechsel von Katharina Eyssens Ehemann Robert vom Schnitt hin zu einer zentraleren Rolle als Executive Producer und Showrunning-Partner. „Bei der ersten Staffel war es erst einmal gar nicht gesetzt, dass ich als Editor mit an Bord kommen würde“, erinnert sich Robert Eyssen. Als er dann aber mit im Team war, vergrößerte sich sein Aufgabengebiet sehr schnell. „Das Projekt hat ja sozusagen bei uns zuhause gewohnt“, merkt er an. „Und da habe ich jeden Tag gesehen, wie groß die Arbeitsbelastung für Katharina war. Showrunning heißt ja nicht, von oben drauf zu gucken und Anweisungen zu geben. Man ist in alle Prozesse involviert, ist massiv in Kommunikationsabläufe eingebunden und trifft ständig Entscheidungen. Man muss immer dafür sorgen, dass alle Kreativen auf einer Augenhöhe sind, das gleiche Ziel verfolgen und muss dabei immer und immer wieder für die Vision der Serie einstehen, sie verteidigen und abgleichen. Weil Katharina und ich wissen, dass wir sehr gut miteinander funktionieren, war es naheliegend, bestimmte kreative Bereiche, vor allem die visuelle Umsetzung, zu übernehmen. Immer mit dem Ziel, unserer Serie treu zu bleiben und sie noch zu verbessern.“
Und Katharina Eyssen merkt an: „Robert war bereits bei der ersten Staffel eine große Stütze. In der ganzen Fertigstellung hat er die Serie schon deutlich mehr geprägt als das Editorial Grading, Musik, Mischung. Da habe ich bereits gemerkt, wie wertvoll er für die stilistische Geschlossenheit der Serie war, was für einen großen kreativen Beitrag er leistete. Ich wusste, dass ich das Pensum bei einer weiteren Staffel nur stemmen kann, wenn wir uns die Aufgaben der Showrunner:innen-Position ab jetzt aufteilen können. Das konnte ich nicht alles noch einmal alleine machen. Vor allem nicht, weil ich auch alle Bücher weitgehend alleine schreibe, Ich hatte zwar anfangs einen Writers Room, aber ab der ersten Fassung habe ich alles wieder übernommen. Um die besondere Tonalität zu finden, geht das nicht anders.“
Altbekannt ist die zentrale Kulisse der Serie: Wieder wurde in Schloss Weißenstein gedreht, ehemalige Residenz der Fürstbischöfe von Bamberg in der bayerischen Gemeinde Pommersfelden. Als die Presse im Oktober 2023 zum Termin durch das altehrwürdige Gemäuer geführt wird, herrscht, naja, Kaiserwetter. Die Sonne strahlt, was sich unverkennbar auf die Stimmung auswirkt. Wer gerade nicht vor der Kamera gebraucht wird, der sitzt im Basecamp in der Sonne und entspannt sich. Später hat sich der Bürgermeister angekündigt. Die Filmemacher:innen dürfen sich ins Stadtbuch eintragen. „Die Kaiserin“ ist, das weiß man auch in Franken, eine große Sache. All das muss auch noch in den eng gesteckten Terminplan aufgenommen werden. Weiter oben, im Schlossvorhof, wird akribisch eine Szene gedreht, in der Devrim Lingnau als Elisabeth ihre Schwester Marie, gespielt von Josephine Thiesen, in Begleitung ihrer gestrengen Gouvernante in Empfang nimmt. Immer wieder bieten die Schauspielerinnen neue Varianten an, bis schließlich eine genauso ist, wie es sich die Filmemacher wünschen.
Wenn die Handlung diesmal einsetzt, ist Elisabeths erste Tochter Sophie zwei Jahre alt; Sisi selbst ist hochschwanger und spürt den Druck, der auf ihr lastet, ihrem Mann endlich einen Thronerben zu schenken. In der aufgeladenen politischen Situation, in der sich Österreich mit Italien befindet, würde das für eine gewisse Entspannung sorgen, aber wie die History-Buffs unter den Lesern wissen, brachte Elisabeth erneut ein Mädchen zur Welt – und Österreich schlidderte 1859 in einen Krieg mit dem Nachbarland.
Das Schwierige sei eigentlich immer, das Politische und das Persönliche, ohne das Politische zu verfälschen, in eine schöne Entsprechung und eine erzählerisch wertvolle Verbindung zu bringen. Das eine solle sich mit dem anderen verschränken, um etwas zu sagen. Was mit der geltenden Ansicht bricht, bei „Die Kaiserin“ handele es sich um eine revisionistische Serie, die wenig Wert auf Authentizität legt. „Es kamen ja beispielsweise Anmerkungen in der deutschen Presse, dass die Frisuren nicht stimmen würden oder dass der zweite Satz des Walzers von Dvorak erst zwei Jahre nach der Hochzeit geschrieben wurde“, sagt die Showrunnerin achselzuckend und meint süffisant: „Aber wie wir wissen: Die Welt ist voller Bundestrainer und voller Historiker. Wichtig ist doch vielmehr, dass wir die politischen Zusammenhänge und die historischen Figuren komplex betrachten und für das moderne Auge nachvollziehbar machen.“
„Wichtig ist doch vielmehr, dass wir die politischen Zusammenhänge und die historischen Figuren komplex betrachten und für das moderne Auge nachvollziehbar machen.“
Dabei weiß sie, dass ihre Mitstreiter Freiräume brauchen, um die bestmögliche Arbeit abzuliefern. „Ich schaue zum Beispiel Gabriela nicht ständig über die Schulter, wenn sie ihre Kostüme entwirft“, sagt Katharina Eyssen. „Wir haben großes Vertrauen in ihren Instinkt, deshalb genießt Gabriela bei Konzeption und Interpretation die nötige Freiheit. Aber natürlich nehmen wir als Showrunner schließlich fast alle Kostüme ab. Es ist ein ganz engmaschiger Austausch zwischen uns und den HoDs und Regie.“ Wenn es am Set oft wie ein strenges Regiment wirkt, dann deshalb, weil die Showrunnerin die Erzählung schützt und verteidigt. „Das Drehbuch ist die Bibel“, stellt sie klar. „Es ist die Maßgabe für alle Beteiligten. Alles wird klar besprochen, mit den Schauspieler:innen ebenso wie mit den Gewerken. Es gibt viel kreative Vorarbeit, da lasse ich über alles mit mir sprechen, viel Raum für Ideen und Sorgen im Rahmen wochenlanger Proben. Aber am Set wird dann so gut wie keine Zeile mehr verändert.“
Dabei will sie die Vorwürfe geraderücken und erklärt, dass man sich jeden Tag entscheiden müsse, wo man sich eine künstlerische Freiheit nehme, um eine Modernität zu schaffen, und wo die Grenze sei: „Unsere Grenze ist ganz klar bei den historischen und politischen wie sozialökonomischen Fakten. Bei Kostüm und Maske dagegen und vielleicht auch beim Umgang miteinander, wenn sie die Figuren sich hinter verschlossenen Türen begegnen, sowie Casting/Besetzung gibt es mehr Spiel, nehmen Robert und ich uns gemeinsam mit Regie und HoDs auch viele Freiheiten.“ Stolz verweist Eyssen auf die Arbeit mit den kreativen Mitstreitern, zum Beispiel Kostümbildnerin Gabriela Reumer oder die „fantastischen“ Komponist:innen Sebastian Damerius, Johannes Lehniger und Lisa Morgenstern. „Wie lässt man das Heutige einfließen in einen historischen Stoff, ohne ihn zu verfälschen?“, überlegt Katharina Eyssen. „Dafür braucht es die richtigen Leute und die richtigen Ideen.“
Und wenn es dann auch manchmal hart wird und man bei der Arbeit nicht weiterkommt? „Mich hat die Begeisterung der Fans durch schwere Zeiten gebracht. Man hat’s als deutsches Produkt in Deutschland nicht immer leicht. Die Kritik aus der eigenen Branche ist harsch. Mein Eindruck ist, dass sich schnell darauf verabredet wird, was alle mögen und was alle nicht mögen. Mit einem neuen Stoff im aktuellen sehr überschwemmten Markt mit Geschichten über das Kaiserpaar und Elisabeth-von-Österreich-Ungarn war es doppelt schwer.“ Während im eigenen Land dann Anerkennung erst nach und nach spürbar war, war die sofortige unverstellte Begeisterung aus dem Ausland verblüffend, stellt die Showrunnerin fest: „Außerhalb von DACH kannte man die Geschichte von Elisabeth so gut wie nicht und war angetan von den Figuren und der Geschichte, die wir erzählt haben. Ganz einfach. Ich hatte bei der Arbeit immer ein Post-It am Computer kleben, auf dem stand: I’m doing it for the fans. Wenn ich mal nicht weiterkam, musste ich ihn mir ansehen. Und tief durchatmen.“
Die Figurentiefe gibt der Serie eine ganz eigene Qualität. „Damit geht auch das Konzept auf, bei der Regie wieder auf Namen aus dem Arthouse zu setzen, die für eine große Genauigkeit stehen und entsprechend die Emotionalität der Figuren herausarbeiten können“, findet Produzent Fabian Maubach. „Ich sehe ,Die Kaiserin‘ auch ganz klar als Ensemble-Piece: Wir erzählen nicht die Geschichte eines Kaiserpaares, sondern einer Familie. Auch unsere Vorstellungen bezüglich der Visualisierung haben sich erfüllt: Das Niveau ist auffällig hoch, auch das hebt sich ab.“ Und Robert Eyssen erinnert sich: „Schon während der ersten Gespräche mit Netflix war es für Katharina klar, dass in unserer Serie nicht nur eine Figur im Mittelpunkt stehen dürfe. Wenn der Fokus nur auf Elisabeth läge, gäbe es kaum genug Material, um eine lange Serie zu rechtfertigen. Unsere Erzählung lebt von Kontrasten, von Gegenkräften und Figuren, die Elisabeth spiegeln und ergänzen.“ Deshalb stand für die Autorin fest, dass sie ein Ensemblestück erzählen wollte, mit Figuren, die alle ein Eigenleben haben sollten, eine Agenda, die ihren Teil des Themas transportieren sollte. „Das gibt der Serie ihre Tiefe, und deshalb macht es in meinen Augen auch so viel Spaß“, erklärt Robert Eyssen. „Jede:r Zuschauer:in kann ihre/seine Lieblingsfigur finden.“
Dass das Konzept aufging, ist der Vision von Katharina Eyssen zu verdanken. „Wir haben mit Sommerhaus miterleben dürfen, wie Katharina sich im Verlauf weniger Jahre von einer Drehbuchautorin zu einer Showrunnerin im ureigenen Sinne entwickelt hat“, berichtet Fabian Maubach. Als Produktionsfirma hätten sie selbst erst einmal lernen müssen, was dieser Begriff bedeuten und umfassen könne. „Man muss das erst einmal begreifen und verinnerlichen, bevor man es wirklich umsetzen kann. Aber Katharina ist das in dieser Konstellation auf bewundernswerte Weise gelungen. Von der Farbe eines Gürtels und der richtigen Gardine bis zur letzten Nuance in den Dialogen des Buchs hat sie die künstlerische Gesamthoheit und hat gleichzeitig ein erstklassiges Team um sich geschart.“ Die Fäden laufen bei Katharina Eyssen zusammen, aber natürlich ist auch diese Serie ein Gemeinschaftsprodukt, bei dem die Regie und die anderen Gewerke maßgeblich an der erfolgreichen Realisierung beteiligt waren. „Wie Kati diese Orchestrierung gelingt, ringt mir größten Respekt ab“, sagt Maubach.
Und Katharina Eyssen bestätigt: „Ich liebe es, dass es uns die Rolle der Showrunner:in erlaubt, eine kreative Vision von Anfang bis Ende zu begleiten.“ Im Gegenteil zur oft isolierten Arbeit der Drehbuchautorin genießt sie als Showrunnerin den Austausch mit dem Team. „Das Schreiben ist ein einsamer Job; das Wesen des Showrunners hingegen ist permanente Kommunikation“, merkt sie an. Bei der ersten Staffel habe sie auf diesem Weg unglaublich viel über das Filmemachen gelernt, von den von den Regisseur:innen, von den Kamerapersonen, den Editor:innen „Allein im Zimmer vor dem Computer sitzend, hätte ich mich niemals in diesem Maße weiterentwickeln können. Der Austausch ist unglaublich: In zwei Jahren ,Die Kaiserin’ habe ich weitaus mehr gelernt als in vier Jahren an der Filmhochschule.“
Und abschließend erklärt sie: „Meine Mutter, Vivian Naefe, hat immer gesagt: Der Erfolg gibt dir Recht. Nach der ersten Staffel von ,Die Kaiserin‘ habe ich da schon eine größere kreative Autorität gespürt, dass ich mich mehr durchsetzen kann in einzelnen Punkten, weil ich im Rücken habe, dass es mir in der ersten Staffel schon einmal gelungen war. Das ist eine harte Währung, die ich mir hart erarbeitet hatte. Aber sonst hat sich für mich nicht viel geändert: Die Absprachen sind immer noch sehr eng und feinmaschig, das ist nicht immer einfach und kann anstrengend sein. Aber am Ende zählt das Ergebnis, weshalb ich sagen kann: Wir fühlen uns sehr gut aufgehoben und sind sehr dankbar für die Zusammenarbeit mit Netflix.“
Thomas Schultze