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Sebastian Colley: „‘Pauline‘ hat sehr viele Mütter und Väter“

Headautor Sebastian Colley spricht über die ganz besondere Mischung aus Horror, Humor und Fantasy bei der Disney+-Serie „Pauline“, die am heutigen Mittwoch startet und eine gelungene Gratwanderung zwischen den Genres geworden ist.

Sebastian Colley
Sebastian Colley (Credit: Joseph Strauch)

Die btf-Produzenten Philipp Käßbohrer und Matthias Murmann pflegen eine Vorliebe für Geschichten über männliche Betrüger-Figuren. Wie haben Sie als Headautor der Disney+-Serie „Pauline“ sie überzeugt, eine Serie über eine junge schwangere Frau zu machen, die sich mit dem Sohn des Teufels einlässt?

Sebastian Colley: Philipp und Matthias haben ja vor allem eine Vorliebe für ungewöhnliche Geschichten. Insofern musste bei der btf eigentlich niemand überzeugt werden. Wer im letzten Jahr mal bei „Kebekus“ und „MaiThink X“ reingeschaut hat, könnte auch eher den Eindruck bekommen, die Firma würde sich da heimlich eine neue Kernkompetenz erarbeiten: Jede Menge tolle, schwangere Frauen vor der Kamera. 

Welche Idee stand am Anfang des Drehbuchprozesses und wie entwickelte sich das Ganze in der Zusammenarbeit mit dem Writers Room, bei dem Käßbohrer, Murmann, Elena Lyubarskaya, Sophie-Yukiko Hasters und Alma Buddecke dabei waren?

Sebastian Colley: „Pauline“ hat sehr viele Mütter und Väter. Die ursprüngliche Idee zur Serie stammt von Elena und wurde von uns im Writers Room weiterentwickelt. Mit der Zeit ist unsere kreative Patchwork-Familie dann immer weiter gewachsen: Regie, Kamera, VFX, Szenenbild, Maske, Kostüm … Bei einer Fantasy-Serie ist das visuelle Worldbuilding mindestens genauso wichtig wie das geschriebene Wort. Die Serie wäre nicht annähernd so bildgewaltig und besonders, ohne den Input all dieser unglaublich talentierten und absolut furchtlosen Menschen. 

Für das Genre Fantasy-Horror-Komödie mit Coming-of-Age-Aspekt gibt es in Deutschland relativ wenige Referenzpunkte. Mich erinnerte „Pauline“ positiv an die sehr gute, etwas in Vergessenheit gerate deutsche Fantasy-Komödie „Nur über meine Leiche“ mit Christoph M. Ohrt und Katja Riemann aus den 1990er-Jahren. Was waren Ihre Referenzpunkte?

Sebastian Colley: „Nur über meine Leiche“ habe ich leider nie gesehen, aber es stimmt, dass es nicht so wahnsinnig viele Beispiele für deutschsprachige Genre-Erzählungen gibt. Deshalb haben wir da auch mehr nach Amerika geschaut. Oder ins italienische Horror-Kino der Siebziger. Ich mag zum Beispiel, wie Marvel in seinen Filmen mit dem Thema Humor umgeht. Egal wie dramatisch die Geschichte, es bleibt immer Raum für witzige Dialoge, popkulturelle Referenzen und eine gewisse Selbstironie. Nur weil Aliens gerade New York in Schutt und Asche legen, bedeutet das nicht, dass man nicht auch noch kurz nen Gag über das alberne Kostüm von Dr. Strange machen kann. 

Sira-Anna Faal (l.) und Nikata Thompson in Pauline
Mutter-Tocher-Gespann Sira-Anna Faal (l.) und Nikata Thompson (Credit: Disney+)

Das Serienprojekt begann einmal bei Netflix und wechselte dann zu Disney+. Was können Sie dabei über den kreativen Austausch, zum Beispiel mit Benjamina Mirnik-Voges oder Eun-Kyung Park, sagen?

Sebastian Colley: Wenn es um die Erschaffung neuer Welten geht, hat niemand so viel Erfahrung wie Disney. Daher war der kreative Austausch für uns von unschätzbarem Wert. Dazu macht es menschlich auch noch wahnsinnig viel Spaß, mit Benjamina und ihrem Team zusammenzuarbeiten. Nach dem Aus bei Netflix hätte es für uns also nicht besser laufen können. 

Disney+ hat sich Diversität auf die Fahnen geschrieben. Wie wichtig ist Ihnen, dass eine Serie diese gesellschaftliche Vielfalt auch abbildet?

Sebastian Colley: Uns war es wichtig, Charaktere mit unterschiedlichen Lebensrealitäten und Überzeugungen zu erzählen. Deshalb sind die Drehbücher auch im Writers Room entstanden, also in einem kreativen Miteinander, bei dem jede Autor:in ihre persönlichen Erfahrungen einbringen kann. Ich finde es immer ein bisschen schade, wenn Diversität erst beim Casting anfängt. Natürlich ist Sichtbarkeit wichtig, aber im besten Fall sollte Diversität beim Storytelling anfangen. Wie großartig so etwas funktionieren kann, hat Disney ja bereits mit „Sam – Ein Sachse“ bewiesen. 

Sie haben mit Sira-Anna Faal und Ludger Bökelmann zwei der angesagtesten Jungschauspieler:innen in den Hauptrollen, die vor allem Genre spielen können. Wie schwierig ist es in diesem phantastischen Genre, beim Dialog den richtigen Ton zu treffen?

Sebastian Colley: Wir wollten von Anfang an, dass die Serie nicht nur dramatische, sondern auch komische Momente hat. Also nicht nur „Der Exorzist“, sondern auch ein bisschen „Buffy“. Da die richtige Tonalität zu finden, war eine Gratwanderung, die ohne Sira und Ludger sicher nicht funktioniert hätte. Am Ende ist es die besondere Chemie zwischen den beiden, die „Pauline“ zusammenhält. Das gilt übrigens auch für den Rest unseres Casts. Versuchen Sie mal emotional glaubhaft und unterhaltsam einen Dämonen zu verkörpern. Gar nicht so einfach.

Worauf kann man sich bei Ihrer nächsten Serie „Perfekt Verpasst“ mit Anke Engelke und Bastian Pastewka und wieder der btf freuen, die ihre Weltpremiere auf dem Filmfest München feiern wird?

Sebastian Colley: Ich will nicht zu viel verraten, aber „Perfekt Verpasst“ kommt ganz ohne übernatürliche Schwangerschaften aus. Und es ist auch eher eine „Late-Coming-Of-Age“-Geschichte. Die Idee für die Prime-Video-Serie stammt von Anke Engelke und Bastian Pastewka. Es geht um eine Buchhändlerin und einen Sportgeschäftbesitzer aus Marburg, die beide in ihren jeweiligen Leben feststecken. Sie wären eigentlich ziemlich perfekt füreinander. Das einzige Problem: Die beiden sind sich bisher noch nicht über den Weg gelaufen.

Die Fragen stellte Michael Müller

Sebastian Colley