In gut einer Woche steht die Bereinigungssitzung zum Bundeshaushalt für 2025 an – ein entscheidender Termin auch in Sachen Kinoförderung. Im Vorfeld wendet sich die Vorsitzende des HDF Kino noch einmal mit einem eindringlichen Appell an die Politik.
Die Film- und Kinobranche in Deutschland sieht sich mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert. Mangels wettbewerbsfähiger Förderbedingungen gelingt es kaum, internationale Produktionen an den Standort zu holen, während große deutsche Produktionen ins Ausland abwandern. Die Auswirkungen der Streiks in Hollywood haben sich unterdessen auch an der Kinokasse unmittelbar und empfindlich bemerkbar gemacht. Leider haben es lokale Produktionen nicht geschafft, die Lücke zu füllen, die ein Mangel an publikumswirksamen US-Blockbustern hinterlassen hat. Zwar brachten die letzten Wochen Besserung und wir freuen uns sehr darüber, dass am vergangenen Wochenende drei großartige deutsche Filme in der Top 5 der Kinocharts zu finden waren. Aber das täuscht nicht darüber hinweg, dass der deutsche Marktanteil im laufenden Jahr noch weit unter 20 Prozent liegt. Auch das ist Ausdruck einer Produktionskrise.
Wir alle in der Branche können uns damit nicht zufriedengeben. Denn es unterstreicht umso mehr, wie wichtig eine Förderreform ist, die Produzenten und Kreative in die Lage versetzt, die besten Stoffe zu finden, zu entwickeln, zu realisieren und effektiv auszuwerten. Das erfordert nachhaltige und vor allem planbare, verlässliche Förderung in sämtlichen Bereichen.
Das Kino steht eng an der Seite seiner Partner. An der Seite der Produzenten, der Kreativen, der Verleiher und weiteren Auswerter. Im Detail mag es unterschiedliche Prioritäten geben. Gleichwohl herrscht größte Einigkeit darüber, dass der Branche in ihrer Gesamtheit mit einer entschiedenen und unbedingt zeitnah umzusetzenden Reform eine echte Perspektive verliehen werden kann. Eine, von der nicht weniger als die Zukunft unseres Filmstandortes abhängt.
Die Produktion und die Kreativen zu stärken ist ein Anliegen des Kinos. Kinomacherinnen und Kinomacher sind bereit, ihren Anteil an einem FFA-Topf zu tragen, aus dem Produktion mit angemessenen Fördermitteln unterstützt werden kann.
Gemeinwohl vor Einzelwohl zu stellen, macht ein Solidarsystem wie die FFA aus. Das Kino zeigt seine große Solidarität – selbst vor dem Hintergrund eines angespannten Marktes und rasant gestiegener Kosten. Das Kino wird die FFA nach derzeitigen Plänen stärker finanzieren als jemals zuvor. Eine Belastung, die vor allem den Mittelstand trifft, sprich: Kinobetriebe im ländlichen Raum. Orte, die in ihren Gemeinden oft eine singuläre kulturelle Rolle einnehmen.
Gerade vor dem Hintergrund eines Solidarsystems gilt es, die Augen nicht vor evidenter Ungerechtigkeit zu Lasten weniger zu verschließen. Die meisten der durch die neue Abgaberegelung am stärksten betroffenen Kinos hatten schon bislang nur eingeschränkten Zugriff auf Förderinstrumente. Sie fielen in vielen Fällen durch das Raster, weil sie entweder nicht als „kulturell genug“ galten, weil sie nicht die vermeintlich „richtigen“ Filme spielen. Oder weil sie schlicht zu viele Leinwände oder ihre Orte zu viele Einwohner haben. Wir haben Situationen erlebt, in denen wenige Tausend Einwohner über Wohl und Wehe der Förderung von Filmtheatern entschieden haben, die ansonsten in jeder Hinsicht vergleichbar waren. Kann das gerecht sein? Darf eine Leinwand zu viel über der Förderwürdigkeit eines Kinos entgegenstehen? Darf sie das insbesondere dann, wenn auf dieser Leinwand genau das gezeigt wird, was man unter dem Begriff des „kulturellen Angebots“ fasst?
Genau jene Kinos, die im Widerspruch zwischen höherer Belastung und schwächerer Förderung betrieben werden, sind das Rückgrat der deutschen Kinolandschaft. Sie begeistern einen Großteil des Gesamtpublikums für den magischen Ort Kino – und damit vor allen Dingen für den Kinofilm, nicht zuletzt den deutschen. Hört Kultur wirklich bei 50.000 Einwohnern und sieben Leinwänden auf? Sollte es nicht aber darum gehen, genau solche magischen Orte zu schaffen, die das Publikum begeistern? Gerade auch mit frischen, jungen und zeitgemäßen Stoffe. Die für exakt das stehen, was man sich zurecht auf die Fahnen schreibt: Vielfalt.
In den Kinos, von denen wir sprechen, haben magische Tiere genauso ihren Platz wie beeindruckende und wichtige Dokumentarfilme wie „Riefenstahl“ von Andres Veiel, ergreifendes Schauspielkino wie „Sterben“ von Matthias Glasner oder große deutsche Komödien wie „Alter weißer Mann“ von Simon Verhoeven. Es geht nicht um entweder oder, sondern um sowohl als auch: Denn gerade die Vielfalt an Filmen ist unsere Kraft!
Sie den Menschen nahezubringen, erfordert eine Stärkung des Kinostandortes Deutschland durch konsequente Investitionen in die Struktur, die Aufenthaltsqualität und die Möglichkeiten, mit dem Publikum in Kontakt zu treten. Das wiederum erfordert nachhaltige und planbare Förderung, zu der die Kinolandschaft in der Fläche und in ihrer gesamten Breite Zugriff hat.
Auswertungen zeigen, dass dort bis zu 30 Prozent mehr Besuche erzielt wurden, wo Kinos renoviert und modernisiert, wo sie auf den neuesten Stand in Sachen Technik, Komfort und Erlebnis gebracht werden konnten. Und Studien zeigen, wo die Bedarfe liegen, um den eingeschlagenen Kurs fortsetzen zu können.
Kinos auch in Zukunft in die Lage zu versetzen, entschlossen zu investieren, erfordert nachhaltige Begleitung durch eine Investitionsförderung, die Kinounternehmen überhaupt erst in die Lage versetzt, ihren Teil zu leisten. Eine Förderung, die mit deutlich mehr als 20 Mio. Euro ausgestattet sein muss, soll sie zumindest einen nennenswerten Teil des Investitionsbedarfs adressieren. Eine Förderung, die die Kinostruktur in ihrer Breite erreichen muss.
Eine solche Maßnahme ist keine Einbahnstraße. Ganz im Gegenteil. Sie bildet den Kern dessen, was als Ziel der Reform ausgegeben wurde. Mehr Besuche; mehr Publikum für den deutschen Film. Das ist nicht etwa nur Grundlage für die wirtschaftliche Zukunft des Kinos. Ein Plus an Kinogängerinnen und Kinogänger zahlt direkt und indirekt auf künftige Produktionstätigkeit ein. Mehrbesuch erhöht nicht zuletzt unmittelbar die Filmabgabe der Kinos und vergrößert damit den Fördertopf der FFA.
Die Branche hatte bei der Vereinbarung zu den Sperrfristen gezeigt, was sie gemeinsam erreichen und aushandeln kann. Sie hat – trotz oftmals widerstreitender Interessen – den Reformprozess bis zum jetzigen Zeitpunkt in vielen Punkten in einer nie dagewesenen Einigkeit und Geschlossenheit begleitet und mitgestaltet.
Die Politik ist aufgerufen, auch das zu honorieren, indem sie die Branche in ihrer Gesamtheit im Blick behält. Auswertung und Abspiel sind unverzichtbare Säulen. Daher müssen auch diese gestärkt werden: Für die Verleiher im Bereich des Steueranreizmodells und bei den Kinos durch ein verstetigtes Zukunftsprogramm mit mehr als 20 Mio. Euro Fördervolumen.
Kinos und Verleihen legen den Weg zum Publikum, den Weg zu jenem Ziel, für das die Reform in Angriff genommen wurde. Wir wollen den deutschen Film stärken, ihn beim Publikum und auf Festivals glänzen lassen. Wir wollen ihn international wettbewerbsfähig machen. Wir wollen im eigenen Land 35 Mio. Menschen jährlich für deutsche Kinofilme begeistern. Zusammen lässt sich das erreichen. Daher unser klarer und dringender Appell: Stärken Sie das Kino, stärken Sie den deutschen Film! Und investieren Sie auf diese Weise in die Zukunft der gesamten Filmbranche.
Christine Berg, Vorstandsvorsitzende HDF Kino