Am heutigen Tag gab es ausnahmsweise einmal (fast) keine Überraschung in Sachen Filmförderung. Das novellierte Filmförderungsgesetz hat den Bundestag erwartungsgemäß mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP passiert. Auffällig lebhaft war der Termin dennoch.
Man ist als Journalist ja mehr als nur dankbar dafür, proaktiv informiert zu werden. Aber zu behaupten, dass es am Dienstag und Mittwoch hinter den Kulissen im wahrsten Sinne des Wortes rund ging, wäre eine glatte Untertreibung. Selbst in allerbestens informierten (da direkt involvierten) Kreisen durchlebte man offenbar ein hartes Wechselbad der Gefühle. Über etliche Stunden galt eine Verlängerung des alten FFG um zwei Jahre als gesetzt, am Ende setzte die FDP aber ihren Willen durch – und man einigte sich noch unmittelbar vor der Rücküberweisung des Gesetzes in den Kulturausschuss auf einige wenige, aber alles andere als triviale Änderungen.
Der „Beirat für Chancengleichheit und Vielfalt“ wurde in der Beschlussempfehlung aus dem Gesetz gekippt, bei der Definition der Aufgaben der FFA wurden in Nr. 10 und 11 des § 2 FFG die Passagen gestrichen, in denen ausformuliert war, dass es zu den Aufgaben der FFA zählt, „darauf hinzuwirken, dass die Film- und Kinowirtschaft ökologisch nachhaltiger wird“ und „darauf hinzuwirken, dass in der Film- und Kinowirtschaft Belange der Diversität, Geschlechtergerechtigkeit, Inklusion und Antidiskriminierung angemessen berücksichtigt werden“, analog dazu wurden Streichungen im § 3 FFG vorgenommen. Und die Ersetzungsbefugnis der Filmabgabe über Medialeistungen wurde im Umfang von 12,5 auf 15 Prozent erhöht.
Dieser Beschlussempfehlung folgte bei der heutigen (eher spärlich besetzten) Bundestagssitzung nun die erwartetet Mehrheit aus Reihen von SPD, Grünen und FDP, die Union hatte bereits angekündigt, das FFG als nun allein stehende Insel innerhalb einer mehrsäulig geplanten Förderreform abzulehnen. Die Linke enthielt sich. Zu Beginn der Beratung hatte Kulturstaatsministerin Claudia Roth noch eine richtig gute Nachricht für die Filmwirtschaft mitgebracht: Man hat sich mit dem Finanzministerium darauf verständigt, die als „Übergangslösung“ bis zur Schaffung eines neuen Anreizmodells gedachte Verlängerung von DFFF und GMPF ab Anfang Februar mit einem Fördersatz von 30 Prozent zu versehen (Ausführlicheres finden Sie dazu hier).
Am morgigen Freitag geht es für das FFG nun in den Bundesrat, wo keine Hürden mehr zu erwarten sind. Das FFG ist nicht zustimmungspflichtig, allenfalls könnte der Vermittlungsausschuss angerufen werden – das wird nicht geschehen.
Während der Inhalt der Redebeiträge im Prinzip ebenso dem zu Erwartenden entsprach wie das Abstimmungsergebnis, war der Termin doch auffällig lebhaft – das Drama der letzten Tage ging definitiv nicht ganz spurlos an manchen der Beteiligten vorbei.
Nun mag die Rede von Christiane Schenderlein (CDU) durchaus nicht von übermäßig diplomatischer Tonalität geprägt gewesen sein, aber ihre kurze Rekapitulation der Amtszeit von Claudia Roth ging im Prinzip durchaus mit dem konform, was man längst nicht nur in Unionskreisen schon seit geraumer Zeit immer häufiger (wenn auch meist hinter vorgehaltener Hand) hörte. Von der Aufbruchstimmung, mit der es in die Reform ging, war erst einmal nicht allzu viel übrig geblieben. Und auch wenn man der BKM weder die Haushaltsprobleme, noch das Auseinanderbrechen der Koalition anlasten kann: Den Vorwurf, Ankündigungen viel zu spät in einen zielführenden Prozess überführt zu haben (was nicht zuletzt für Vorlagen zur Abstimmung mit den Ländern gilt), muss sich Claudia Roth gefallen lassen – jetzt immerhin kann sie sich dank ihrer Last-Minute-Ankündigung doch noch einmal über sehr warme Worte freuen.
Das (Abstimmungs-)Verhalten der Union in Sachen FFG mag man unterdessen durchaus für unaufrichtig und wahlkampfgetrieben halten – und darin mag auch der Grund für die andauernden Zwischenrufe bei der Rede von Schenderlein gelegen haben, denen Petra Pau als stellvertretende Vizepräsidentin des Bundestags zu keinem Zeitpunkt Einhalt zu gebieten versuchte (erst nach der Rede von Schenderlein kam ihrerseits eine Bemerkung). Katrin Göring-Eckardt hatte da zuvor bei anderen Tagesordnungspunkten eine erheblich bessere Figur als Sitzungsleiterin abgegeben.
Das aber nur am Rande. Denn ironischerweise hatte Schenderlein neben Schelte für Roth auch Schelte für die FDP im Gepäck. Diese habe das Verfahren am Ende zum Krimi gemacht. „Am Dienstag hieß es ‚Verlängerung‘, am Mittwoch war doch wieder alles anders“, so die CDU-Politikerin, die der FDP vorwarf, sich am Ende für das neue FFG habe „einkaufen“ lassen. Die Grünen wiederum hätten mit den Zugeständnissen in den Bereichen von Diversität und Nachhaltigkeit ihren „Markenkern“ verkauft – das sei „Murks“. Und die Union? Habe dafür gesorgt, dass die Beschlussempfehlung ins Plenum kommen könne (wie bereits berichtet, wurden nur noch solche Punkte auf die Tagesordnung gesetzt, bei denen dieser Schritt von SPD, FDP, Grünen und Union gleichermaßen getragen wurde), um eine „Totalkatastrophe“ zu verhindern. Nun müsse man zusehen, dass eine „Gesamtförderung“ auf den Weg komme – und darum werde sich der/die Nachfolger(in) von Roth kümmern, sobald die unionsgeführte Regierung (…die Zwischenrufe wurden lauter…) stehe.
Auf die Retourkutsche seitens der FDP – vertreten durch deren medienpolitischen Sprecher Thomas Hacker – musste Schenderlein unterdessen nicht lange warten. Hacker bedauerte die Abwesenheit von Marco Wanderwitz (CDU) mit den Worten, die „Ersatzspielerin“ habe das Thema komplett vertauscht, indem sie vor allem über die Anreizförderung gesprochen habe. Sagen wir’s wie’s ist: Eine Spur weniger „alter weißer Mann“ hätte dem Klima im Saal in diesem Moment vielleicht nicht geschadet.
Geradezu selbstironisch wirkten unterdessen Hackers Ausführungen dazu, dass es in den vergangenen Tagen zuletzt noch einmal „spannend“ geworden sei. Mit einer Achterbahn der Gefühle, mit einem wahren Horrorfilm (zwischen Dienstag und Mittwoch; Anm.d.Red.) und am Ende mit „großer Freude“ über das Erreichte. Mit dem neuen FFG begeistere man die Menschen für den deutschen Film, es sei ein wichtiger erster Schritt. Allerdings sehne sich die Branche nach einer modernen Anreizförderung. Dass diese (vorerst) nicht kommt, möge für die ehemalige Koalition und die Kulturstaatsministerin „peinlich“ sein. Für die Filmwirtschaft aber sei es eine Katastrophe. Es sei, so Hacker „Fünf NACH Zwölf“. Womit er leider durchaus nicht ganz falsch liegt – auch wenn die Erhöhung des Fördersatzes bei den Anreizmodellen Linderung verspricht.
Den „Elefanten im Raum“ umschiffte Hacker unterdessen nicht: die von der FDP zur Bedingung für eine Zustimmung gemachte Streichung des Diversitätsbeirates. „Ein branchenzentriertes Fachgesetz ist nicht der Ort, um wichtige gesellschaftspolitische Themen zu verhandeln.“ Es seien wichtige Ziele, die an dieser Stelle aber sach- und fachfremd seien. Die Streichung aus dem FFG drohe entsprechende Bemühungen auch nicht, in einen rechtsfreien Raum zu verlagern. Die FDP setze auf gelebte Selbstbestimmung. Gesetze alleine würden die Welt nicht automatisch besser machen, so Hacker.
Wie man Kritik sachlich und freundlich formuliert, durfte im Anschluss – leider bei ihrem letzten Auftritt an diesem Pult – Michelle Müntefering (SPD) demonstrieren: „Liebe FDP, die Nachverhandlungen zum Beirat hätte es aus unserer Sicht nicht gebraucht. Im Gegenteil, es hätte uns gutgetan, wenn wir mit dem Gesetz eine Einladung an alle Menschen in der Gesellschaft ausgesprochen hätten. Kultur lebt von Vielfalt!“ Und Demokratie davon, dass man sich vielleicht auch einmal so äußern kann, anstatt immer gleich zum Frontalangriff überzugehen, möchte der Autor ganz subjektiv hinzufügen…
Wie dem auch sei: Müntefering hob in ihrer Rede etliche Errungenschaften des neuen FFG hervor, trat aber vor allem auch dafür ein, gemeinsam mit dem Haushalt 2025 auch eine Neuauflage des Zukunftsprogramms Kino (es sei an dieser Stelle wegen irreführender Berichterstattung noch einmal betont: auch ein Haushalt 2024 als Bemessungsgrundlage für eine vorläufige Haushaltsführung hätte in deren Rahmen keine ZPK-Mittel bedeutet) zu beschließen.
Dass Michael Sacher (Bündnis 90/Die Grünen) beim Gang ans Redepult erst einmal „wirres Zeug“ aus dem Kopf bekommen musste, lag am Vorredner aus Reihen der AfD, grundsätzlich freute sich Sacher über eine „Rettung in letzter Minute“, auch wenn es bedauerlich sei, dass dieser ausgerechnet der Beirat zum Opfer gefallen sei. In Sachen Anreizmodell und Investitionsverpflichtung zeigte er sich zuversichtlich, dass diese Maßnahmen 2025 kommen würden.
Maßnahmen, die auch Petra Sitte (Die Linke) befürwortet. Umso schlimmer sei nach ihren Worten, dass zur Investitionsverpflichtung noch gar nichts Zählbares vorliege – und zum Anreizmodell ein Entwurf „viel zu spät“ für eine Beratung (in dieser Legislaturperiode) gekommen sei. Ihre kurzen Anmerkungen: Kino und Verleih müssten sich in der Reform stärker wiederfinden, die Regelungen zu den Arbeitsbedingungen griffen zu kurz – und dass die FDP „alles blockiert“ habe, nur um Vorschriften für Diversität und Nachhaltigkeit aus dem Entwurf zu bekommen. Das spreche für sich.