Das Filmförderungsgesetz hatte erst wenige Stunden zuvor den Kulturausschuss passiert, da kam die Nachricht vom Ende der Koalition. Darüber, was das für die Förderreform bedeuten könnte und wie es jetzt weitergehen muss, sprachen wir mit dem CEO der Produktionsallianz.
Wir alle haben die Schlagzeilen der letzten Tage und Wochen verfolgt. Völlig unerwartet traf die Situation auch die Produktionsallianz also nicht?
Björn Böhning: Nein, natürlich wussten wir um die Krise, wir wussten, dass die Szenarien, wie es mit der Regierung weitergeht, sehr offen sind. Umso mehr haben wir uns bemüht, dass sich nicht nur die Branche unterhakt und geschlossen auftritt, sondern dass wir vor allem auch – wie es im Übrigen bei Förderreformen immer gute Tradition war – einen großen überparteilichen Konsens bekommen. Das ist am Ende ja auch erfolgreich. Bund und Länder haben sich zusammengerauft, im Kulturausschuss ist deutlich geworden, dass die Union die Vorschläge der Ampel zum Filmförderungsgesetz im Grundsatz richtig findet. Insofern glaube ich, dass die Ausgangslage für die Filmwirtschaft erst einmal nicht so schlecht ist.
Betonen sollte man an dieser Stelle vielleicht, dass die Ablehnung des FFG im Kulturausschuss durch die Union als Signal im Sinne einer Gesamtreform zu verstehen war – und nicht als Vorzeichen für ein Abstimmungsverhalten im Bundestag gesehen werden muss.
Björn Böhning: Nein, ich habe das auch so verstanden. Die CDU/CSU bzw. der Abgeordnete Marco Wanderwitz haben nicht zu Unrecht gesagt, dass die Filmförderreform nur nachhaltig wirken kann, wenn die weiteren Säulen ebenfalls umgesetzt werden. Auf dieser Linie sind wir natürlich schon immer zu 100 Prozent – und da sehen wir große Unterstützung durch die CDU/CSU.
Was bedeutet das Ende der Ampel aus Ihrer Sicht nun für den weiteren Reformprozess? Wie geht es weiter?
Björn Böhning: Natürlich sollte nichts unversucht bleiben, die weiteren Gesetzespakete zu einer steuerlichen Filmförderung und einer Investitionsverpflichtung, die in den Schubladen liegen, möglichst schnell im Kabinett zu beschließen und dann dem Bundestag zuzuleiten. Die Regierung ist handlungsfähig und sollte das angekündigte große Wirtschaftspaket auf den Weg bringen, das ist für unser Land wichtig. Die Filmförderung muss ein Teil sein – wie das vorgesehen war. Selbst wenn das kurzfristig nicht gelingt, haben wir Entwürfe, die in einer neuen Regierung rasch umgesetzt werden könnten. Schließlich werden in dieser wohl keine fundamental anderen Parteien als jene vertreten sein, die die Förderreform – und sei es aus Reihen der bisherigen Opposition – schon bislang unterstützt haben. Deswegen bin ich sehr zuversichtlich – und darauf wette ich auch – dass eine Reform spätestens dann sehr schnell umgesetzt werden kann, wenn die neue Regierung steht. Jedem muss klar sein: Wenn die Signale immer unsicherer werden, droht das, was wir schon immer gesagt haben: In der gesamten Wertschöpfungskette der Filmwirtschaft würden hunderttausende Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Das kann niemand wollen.
Sie sagen, die Entwürfe lägen in den Schubladen: Vermittelte der aktuelle Arbeitsstand denn den Eindruck, die weiteren Säulen hätten zeitnah umgesetzt werden können – selbst wenn es nicht zum Ende der Koalition gekommen wäre?
Björn Böhning: Ja, ich weiß, dass die Abstimmungen zwischen BKM und Bundesfinanzministerium bzw. zwischen Bund und Ländern sehr weit gediehen waren. Es wäre wirklich tragisch, wenn diese Reform auf den letzten Metern stecken bliebe. Fest steht ohnehin: Wir benötigen jedenfalls noch in diesem Jahr das neue Filmförderungsgesetz, da wir sonst ab 1. Januar keine gesetzliche Grundlage für die Filmabgabe mehr haben. Das ist keine Option.
Zumindest mit Blick auf einen aktuellen Entwurf zum Filmförderzulagengesetz soll dem Vernehmen nach Sorge bestehen, dass der Verwaltungsaufwand so groß werden könnte, dass das Modell insbesondere für kleinere Unternehmen wegen notwendiger Zwischenfinanzierung schwierig werden könnte. Was wäre wichtiger: Noch einmal eingehend ins Feintuning zu gehen oder so rasch wie möglich in die nächsten Phasen eines Gesetzgebungsverfahrens einzutreten?
Björn Böhning: Zunächst einmal muss möglichst schnell Sicherheit hergestellt werden, dass DFFF I, II und GMPF ab dem 1. Januar weiter zur Verfügung stehen, weil wir ansonsten einen echten Dammbruch und ein Zusammenbrechen der Filmindustrie erleben könnten. Darüber hinaus halte ich es für sinnvoll, möglichst schnell konkrete Gesetzentwürfe vorzulegen. Dann kann man über Detailfragen sprechen und diese regeln. Es ist immer besser, wenn Vorlagen im Raum stehen, über die man konkret verhandeln kann, als dass man über Gerüchte und Hörensagen sprechen muss.
So oder so kommt es nun auf die Union an. Wie lautet ihre Botschaft an Sie?
Björn Böhning: Meine Zuversicht lautet schlicht, dass der Schulterschluss, den die Union mit der deutschen Filmindustrie immer gesucht hat, auch in diesen sehr schwierigen Zeiten tragen wird.
„Wir werden mit der Regierung keine Reformen mehr hinbekommen“, stellte Kanzlerkandidat Friedrich Merz noch gestern fest. Wie konkret muss man solche Aussagen jetzt schon bewerten?
Björn Böhning: Ich denke, dass sich das in den nächsten Tagen sehr dynamisch entwickeln wird. Ich kann den Parteien nicht bei der Frage helfen, wie die Abläufe bis zu einer Neuwahl konkret gestaltet werden. Ich kann nur nachdrücklich dafür werben, dass – auch aus der internationalen Verantwortung heraus – möglichst schnell Stabilität an allen Ecken und Enden geschaffen wird; für Deutschland und für Europa. Und ich kann nur noch einmal unterstreichen, was zwingend notwendig ist, um die Funktionsfähigkeit der deutschen Filmwirtschaft zu erhalten: Nämlich den baldigen Beschluss über das FFG im Bundestag zu ermöglichen.
Wie ist die Stimmung bei Ihren Mitgliedern?
Björn Böhning: Wie Sie sich denken können, besteht hohe Unsicherheit bei den Produzentinnen und Produzenten. Natürlich haben sich viele in ihren Planungen für das Jahr 2025 darauf verlassen, dass die drei Säulen der Filmförderung spätestens im Lauf des Jahres umgesetzt werden. Jetzt steht das erst einmal wieder auf dem Spiel. Die Sorgen bei den Unternehmen und ihren Beschäftigten sind exorbitant hoch. Dennoch sehe ich nach wir vor eine positive Perspektive.
Das Gespräch führte Marc Mensch