Für seine Zusammenarbeit mit Edward Berger bei „Im Westen nichts Neues“ konnte der deutsche Musiker und Komponist Volker Bertelmann einen Oscar gewinnen. Nun war er auch für den Score von Bergers neuem Film, „Konklave“, der morgen in den deutschen Kinos startet, wieder für die Musik verantwortlich. Eine gute Gelegenheit für ein Gespräch mit ihm.
Nach „Im Westen nichts Neues“ haben Sie bei „Konklave“ auch die Musik für den nächsten Film von Edward Berger komponiert. Ist die Zusammenarbeit mit ihm besonders?
Volker Bertelmann: Es scheint so zu sein. Ich glaube, dass wir uns in der Zusammenarbeit sehr gut begegnen. Wir haben beide eine Vorliebe für Kunst. Das beinhaltet vielleicht auch, dass man sich mit Abstraktion ganz gut anfreunden kann. Das hilft bei Dingen, die man vermeiden will, Klischees beispielsweise. Oder wenn man sie denn bedient, dass man es dann ganz bewusst macht und es vor dem Komponieren noch einmal eine eigene Gedankenschleife gibt. Das sind wir uns ähnlich. Und das führt auch dazu, dass man durchaus etwas mit den Gedanken des anderen etwas anfangen kann, die einem dann auch helfen können, indem man sich gegenseitig Mut macht. Man ahnt gar nicht, wie gut es tut, wenn das Gegenüber zu einem sagt: Mach mal etwas weniger! Drei Klänge reichen, das ist okay.
Und man hat das Hauptmotiv von „Im Westen nichts Neues“!
Volker Bertelmann: Es bremst einen als Musiker gut ein, wenn man wieder einmal glaubt, man brauche noch eine starke Melodie. Das fällt weg bei Edward. Das befreit einen als Musiker, weil man anfangen kann, nach anderen Gründen für die Musik zu suchen.
Zumindest die Musik, die Sie für Edward Berger schreiben, schreibt einem nicht vor, was man zu fühlen oder denken hat.
Volker Bertelmann: Man nimmt sie trotzdem wahr. Was für mich natürlich sehr schön ist. Ich habe nicht das Gefühl, ein Schattendasein führen zu müssen, weil ich nichts darf. Ganz im Gegenteil: Ich darf ziemlich viel. Gewiss mache ich die Musik für einen Film nicht, um hinterher zu hören, sie sei das Beste am Film gewesen. Da hätte ich versagt. Für mich wäre das eine Katastrophe, weil das für mich bedeutet, ich hätte versucht, mich in den Vordergrund zu spielen. Es geht doch aber darum, dass die Musik ein weiteres Level hinzugibt, um ihn zu bereichern.
Als Film könnte „Konklave“ kaum mehr von „Im Westen nichts Neues“ entfernt sein. Sind sie denn anders an den Film herangegangen?
Volker Bertelmann: Bei Edward Berger kann man sich immer darauf verlassen, dass er sich schon ein paar Gedanken zur Musik gemacht hat, wenn man sich erstmals trifft. Manchmal hat er schon Vorschläge dabei, in welche Richtung es seiner Meinung nach gehen könnte. Aber nichts ist in Stein gemeißelt. Er ist gleichzeitig auch ganz offen. Grundsätzlich ist es so, dass ein Film immer ein bisschen diktiert oder vorgibt, wie groß die Musik sein muss, ob man mit einem Orchester arbeiten muss oder man besser beraten ist, wenn man einen anderen Ansatz verfolgt. Das hat durchaus ganz profane Gründe der Praktikabilität: Sollte man mit einem Orchester arbeiten wollen, ist man gut beraten, frühzeitig die entsprechenden Termine zu blockieren. Da stellt man mir dann die Frage: Wie viele Musiker sollen kommen? Und ich antworte dann: Keine Ahnung, ich habe ja noch gar nicht angefangen. Und spätestens dann fange ich an, intensiver über die Musik nachzudenken. Was werde ich machen, was werde ich brauchen?
Was waren die entsprechenden Gedanken zu „Konklave“?
Volker Bertelmann: Dass die Handlung und die Kulisse nicht nach dem großen Hollywood-Brett verlangt. Ich werde nicht 80 Musiker anfordern müssen. Es braucht eine kraftvolle, aber an den meisten Stellen kleingehaltene Besetzung, die dann an einer Stelle aber auch explodiert und man sagen kann: Jetzt werden wir größer, aber in einem angemessenen Rahmen. Das finde ich bei Filmmusik das schwierigste: Dass man eine Art der Orchestrierung und Bearbeitung findet, dass man dann, wenn man den fertigen Film sieht, nicht denkt: Du liebe Güte, da hat aber einer den ganzen Film mit orchestralen Ergüssen zugeschmiert, die überhaupt nichts zu tun haben mit dem, was der Film erzählen und vermitteln will.
Das trifft auf „Konklave“ definitiv nicht zu.
Volker Bertelmann: Danke. Ich habe mit ein paar verschiedenen Leitmotiven gearbeitet. Zum einen kommt ein Cristal Baschet zum Einsatz, ein Instrument, das aus Glasstäben besteht und am Ende Metalltrichter haben, die das Geräusch verstärken und verzerre, wodurch eine Obertonschwingung entsteht. Man muss seine Hände mit Wasser anfeuchten, ein bisschen nach dem Prinzip, wie man Weingläser zum Singen bringt. Das war eigentlich das erste Instrument, wonach ich gesucht habe in Anbetracht der Tatsache, dass ich nach einem Orgelersatz gesucht habe. Es sollte eine moderne Entsprechung sein, klingt ein bisschen wie ein Synthesizer in bestimmten Bereichen, ein bisschen wie aus einer anderen Welt. Dann gibt es ein Streichermotiv, das wir als Spannungsmotiv verwenden, ein Pizzikato-Motiv, das für Drive sucht. Und dann gibt es noch kleinere Elemente wie die Schläge, die man erzielt, wenn man mit einem umgedrehten Bogen auf die Geigensaiten schlägt, in Verbindung mit präpariertem Klavier: Ich habe Sachen auf den Saiten gestrichen, ich habe Gaffatape-Rollen ins Klavier gelegt. Also eine Mischung aus experimentellen Klängen, wie man wie aus neuerer Musik kennt, und Gewohntem. Ich wollte keine Musik komponieren, die einen entfremdet, sondern durchaus auf Traditionen zurückgreift. Irgendwann lag die gesamte Rezeptur vor uns.
Damit greifen Sie durchaus den Erzählrahmen des Films auf, in dem es ebenfalls um Traditionen, aber auch die dringende Notwendigkeit von Erneuerung geht, Tradition in die Zukunft gedacht.
Volker Bertelmann: Es macht unglaublich viel Spaß, wenn man Sachen baut und komponiert, die auch verstanden werden. Das ist nicht immer der Fall.
Zu welchem Zeitpunkt wurden Sie von Edward Berger an Bord des Projekts geholt?
Volker Bertelmann: Es wird immer früher. Das ist für mich eine gute Nachricht, weil ich weiß, dass ich mehr Zeit habe, ich kann mich mehr auf Dinge vorbereiten. Ganz sicher ist es so, dass ich keine Freifahrtkarte für alle künftigen Filme von Edward Berger habe. Er muss den Eindruck haben, dass ich der Richtige für den jeweiligen Stoff bin – und ebenso muss der Stoff dann auch zu mir sprechen. Es gibt keine Verpflichtung. Es ist gerade so, dass wir uns immer wieder füreinander entscheiden. Und das genieße ich sehr. Von mir aus kann das auch noch eine Weile so weitergehen, weil wir Spaß an der Arbeit miteinander haben. Und sich auch die Resultate sehenlassen können. Um auf die Frage zurückzukommen: Über „Konklave“ haben wir erstmals gesprochen, als wir noch in Los Angeles bei all den Preisverleihungen waren. Er musste zu diesem Zeitpunkt schon immer hin- und herfliegen, weil er bereits mit dem Dreh in Rom begonnen hatte. Mir gefiel das Drehbuch. Und ich war sehr angetan von der Besetzung. Die Zeichen waren also gegeben, dass es ein guter Film werden könnte. Einen ersten Schnitt bekomme ich dann allerdings erst zu sehen, wenn Edward den Eindruck hat, der Filme könne bereits etwas erzählen. Manchmal bitte ich ihn schon früher, ob er mir eine kleine Zusammenstellung zukommen lassen kann, weil ich auf der Suche nach gewissen Dingen bin. Ich muss wissen, wie das Tempo ist, wie der Rhythmus ist, weil das für die Entscheidungsfindung wichtig ist.
Sind Sie auch bei Bergers nächstem Projekt wieder mit dabei, „The Ballad of a Small Player“?
Volker Bertelmann: Richtig. Das wird wieder etwas ganz anderes sein. Ich freue mich drauf.
Zum Abschluss doch noch eine unvermeidliche Oscarfrage: Was hat sich für Sie verändert seit dem Academy Award? Und wie viel Zeit bleibt Ihnen, noch als Hauschka Musik zu machen?
Volker Bertelmann: Im letzten Jahr habe wieder ein Album als Hauschka veröffentlicht. Jetzt habe ich für mich die Entscheidung getroffen, wieder Volker Bertelmann zu sein und mich fürs Erste auf Filmkomposition zu konzentrieren. Danach kann ich mir vorstellen, dass es auch für Hauschka wieder ein Zeitfenster gibt. Im kommenden Jahr werde ich auf wieder ein paar Konzerte geben und in Europa auf Tour gehen, worauf ich mich freue. Aber das lasse ich entspannt angehen. Im Vergleich zu Film fällt mir Musik für Hauschka sehr leicht, weil sie einfach aus mir herausfließt. Nach den Oscars ging es darum, Filmprojekte zu machen, von denen ich das Gefühl hatte, dass sie ein Niveau haben, das dem auch entspricht. Es war gar nicht so einfach, nach dem Oscargewinn für einen deutschen Film in einen Bereich zu kommen, an dem man an amerikanische und britische Projekte anknüpft. Da befinde ich mich langsam auf dem richtigen Weg. Aber es stimmt jedenfalls, dass es mir wichtig war, dieses Eisen zu schmieden, solange es heiß ist.
Das Gespräch führte Thomas Schultze.