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Silvia Bauer vom Cinema Iran Festival: „Würde mir mehr leidenschaftliche Mitstreiter wünschen“

Die neunte Ausgabe des Cinema Iran Festival München ist bereits am 14. Juli zu Ende gegangen. Nach einer intensiven Phase der Nacharbeit rekapituliert Leiterin Silvia Bauer die diesjährige Ausgabe und formuliert Wünsche für die Zukunft.

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Mit großer Leidenschaft bei der Sache: Silvia Bauer (Credit: Cinema Iran)

Am 14. Juli ist das 9. Cinema Iran Festival zu Ende gegangen. Wie ist es gelaufen? Was waren Ihren Highlights?

Silvia Bauer: Wir hatten in diesem Jahr acht Filme im Programm, darunter mit „Winners“ und „Celluloid Underground“ zwei Deutschlandpremieren und mehrere Münchner Premieren. Besonders ist, dass in diesem Jahr gleich drei der Filme unserer Auswahl einen deutschen Kinostart haben, „Ein kleines Stück vom Kuchen“ läuft inzwischen und „Tatami“ und „Shahid“ starten am 1. August bundesweit. Die Highlights des Festivals sind natürlich immer die Begegnungen mit den Filmschaffenden, die Gespräche nach den Vorstellungen und der Austausch mit dem Publikum, das in seiner Vielfalt gut die Münchner Stadtgesellschaft abbildet.

Wie war der Publikumszuspruch? 

Silvia Bauer: Auch in diesem Jahr fand das Festival wieder parallel zu einem Fußball-Großereignis statt. Diese Konkurrenz und das große Freizeitangebot im Sommer drücken immer etwas auf die Publikumszahlen, aber insgesamt bin ich zufrieden. Das Feedback des Publikums war äußerst positiv. Die Filmauswahl kam sehr gut an und nach einigen Vorführungen verweilten Zuschauerinnen und Zuschauer noch länger, reflektierten das Gesehene in kleinen Grüppchen und waren sichtlich nachdenklich und berührt.

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„Celluloid Underground” feierte Deutschlandpremiere auf dem Cinema Iran Festival (Credit: Impronta Films)

Durch welche Themen haben sich die diesjährigen Beiträge ausgezeichnet? Gab es eine Art roter Faden im Programm?

Silvia Bauer: Dieses Jahr stand das Festival unter dem Motto „Aus Liebe zum Kino“. Nach den ersten Recherchen und Sichtungen von möglichen Filmen, formuliere ich regelmäßig ein Motto, das die jeweilige Filmauswahl näher beschreibt oder eine bestimmte Perspektive hervorhebt. Das heißt, dass ein kuratorischer roter Faden typisch für das Programm von Cinema Iran ist und die ausgewählten Filme miteinander in eine Art Dialog treten. Mit dieser Ausgabe wollte ich den Fokus auf die vielen Facetten der Filmkultur richten. Einige Filmschaffende sind staatlichen Repressionen ausgesetzt, wie es Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha ganz konkret erleben, in „Achilles“ zieht der fiktive Regisseur im Spielfilm seine Konsequenzen aus solchen Arbeitsbedingungen, und Ayat Najafi stellt sich der Frage nach der Verantwortung von Kunstschaffenden in seiner dokumentarischen Filmerzählung ganz gegenwartsbezogen. „Celluloid Underground“ beschreibt die Liebe zum Kino, die Filmsammler und -archivare, aber auch Projektionisten und Filmhistoriker antreibt. „Careless Crime“ nimmt die historische Referenz des Brandanschlags auf das Cinema Rex im Jahr 1978 auf, bei dem über 400 Menschen ums Leben kamen und „Winners“ reflektiert u.a. die Schattenseiten von internationalen Filmpreisen. Bei „Shahid“ und „Tatami“ spiegelt sich die Liebe zum Kino in den Biographien der Filmschaffenden und der ästhetischen Weiterentwicklung der Filmsprache. Zudem fand die erste Ausgabe von Cinema Iran 2014, also vor zehn Jahren, statt. Diesem kleinen Jubiläum wollte ich durch ein paar Bezüge zur ersten Ausgabe Rechnung tragen. Wie 2014 mit „The Desert Fish“ war auch 2024 mit „Winners“ der Eröffnungsfilm eine Verbeugung an die Poesie des iranischen Kinderfilms. Und die Hälfte der in diesem Jahr gezeigten Filme sind von Filmschaffenden, die bereits 2014 bzw. 2015 mit früheren Arbeiten im Festival vertreten waren. 

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Auch „Winners” lief als Deutschlandpremiere im Programm (Credit: Cinema Iran)

Hassan Nazer war bei Ihnen in München zu Gast, der Regisseur der britischen Oscareinreichung „Winners“. Was haben Sie aus dieser Begegnung mitgenommen?

Silvia Bauer: Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass Hassan Nazer eigens zur Deutschlandpremiere nach München gekommen ist. Die Begegnungen mit den Regisseuren sind immer ein Highlight des Festivals und bei den Filmgesprächen nach der Vorführung erfährt man immer noch Neues, Unbekanntes. So konnten wir nach dem Eröffnungsfilm einiges über seine Vorbilder und die gesetzten Filmreferenzen erfahren. Die autobiografischen Dimensionen waren mir jedoch neu und haben mich sehr berührt. Interessant fand ich auch die Einblicke in die Produktionsbedingungen und die Erkenntnis, dass die britisch-iranische Filmcommunity wohl nicht so vernetzt ist, wie ich es aus der Distanz vermutet hätte. 

Sie organisieren das Festival als One-Woman-Show, ehrenamtlich. Das kann man nur leisten, wenn echte Leidenschaft und ein echtes Anliegen dahintersteckt, oder?

Silvia Bauer: Ich habe über die Jahre immer wieder Unterstützung beim Festival erfahren. Ohne die Zusammenarbeit mit deutschen und iranischen Freundinnen und Freunden wäre die erste Ausgabe 2014 nie umgesetzt worden und auch die institutionellen Kooperationspartner:innen sind lebenswichtig fürs Festival. In den letzten Jahren habe ich das Festival immer gemeinsam mit zwei, drei wechselnden Volunteers organisiert und ich bin sehr dankbar, dass ich auch 2024 wieder zwei neue Volunteers an meiner Seite hatte, die mich bei der Umsetzung unterstützt haben. Aber es ist richtig, dass die Mehrzahl der Aufgaben bei der Vorbereitung, Planung und Organisation und die Verantwortung, dass alles funktioniert, bei mir liegt. Das hat sich aber eher zufällig so ergeben. Dank der Förderung durch die Filmstadt München kann ich für einige zentrale Aufgaben wie etwa die Grafik und PR auch Profis engagieren. Ich bin intrinsisch motiviert und arbeite gerne, aber es stimmt schon, ohne Begeisterung für das, was ich mache, wären die Energien vermutlich schnell erschöpft. 

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„Careless Crime” (Credit: Cinema Iran)

Wie schwierig ist es, so ein Festival auf die Beine zu stellen? Würden Sie sich mehr (finanzielle) Unterstützung wünschen? Was sind die besonderen Herausforderungen?

Silvia Bauer: Na ja, es ist schon recht viel Arbeit. Aber es ist auch sehr erfüllend, immer wieder kleine Filmdiamanten zu entdecken, die andere übersehen haben. Der Kommunikationsaufwand ist enorm und natürlich bekomme ich als kleines unabhängiges Festival nicht alle Filme, die ich gerne zeigen möchte. Die besondere Herausforderung liegt sicherlich im Bezug zum Iran, der dazu führt, dass vieles unter einer politischen Brille betrachtet wird und dabei komplexere gesellschaftliche, historische oder kulturelle Aspekte übersehen oder ignoriert werden. Konkrete Herausforderungen können etwa die Wirkung von Sanktionen betreffen oder Reiseeinschränkungen oder Probleme bei der Visavergabe. Selbstverständlich wäre auch mehr finanzielle Kulturförderung zu begrüßen, aber zurzeit stehen ja eher Einsparungen oder Kürzungen auf der Agenda. Das macht es bei steigenden Filmmieten, Honoraren und Produktionskosten natürlich anstrengend. Vor allem aber würde ich mir personelle Unterstützung wünschen, also konkret leidenschaftliche Mitstreiter:innen. Über den Austausch und die Zusammenarbeit mit anderen Filmnerds, die Lust darauf haben, die vielen, tollen iranischen Filme einem Publikum vorzustellen und gemeinsam das Festival auf die Beine zu stellen, würde ich mich sehr freuen. 

Inwiefern stehen Sie auch mit anderen iranischen Filmfestivals in Deutschland im Austausch?

Silvia Bauer: Von Anfang an bestand ein reger Austausch mit anderen Festivals, aber auch Galerien oder individuellen Kulturschaffenden, die sich mit iranischer Gegenwartskultur befassen. Am kontinuierlichsten ist der Kontakt zu Amin Farzanefar und dem Iranischen Filmfestival in Köln. Vor einigen Jahren kooperierten wir mit dem iranischen Kulturfestival in Hamburg, das dann aber nicht fortgeführt wurde. Auch in Berlin leben Partner und Partnerinnen, mit denen ich mich regelmäßig austausche oder deren Veranstaltungen ich besuche. Das betrifft vorrangig Musik-, Performance- und Kunst-Events, aber auch die Film-Aktivitäten, die etwa das Goethe Institut im Exil organisiert. Die Kulturszene ist recht überschaubar und der Austausch ergibt sich meist organisch. Daneben gibt es noch die Vereine und Veranstaltungen der verschiedenen iranischen Communities. Auch hier bestehen Kontakte zu einigen der Organisationen in München, aber auch z.B. zum Verein Diwan, der in Köln und Hamburg aktiv ist. 

Die Fragen stellte Barbara Schuster