Mit „Agatha All Along“ startet am 19. September bei Disney+ eine der ungewöhnlichsten Serien aus dem Marvel Cinematic Universe. Für das Spinoff von „WandaVision“ mit Kathryn Hahn als Hexe Agatha Harkness zeichnet erneut Showrunnerin Jac Schaeffer verantwortlich. Wir haben bei ihr nachgefragt.
Agatha Harkness ist eine faszinierende Figur, aber auch eine ungewöhnliche Figur in der Welt des MCU. Nach „WandaVision“ haben Sie ihr nun eine eigene Show geschenkt. Mögen Sie Agatha?
Jac Schaeffer: Sehr. Unbedingt. Stimmt schon, sie trifft ziemlich viele schlimme Entscheidungen. Ihre Prioritäten sind ziemlich schräg und nicht immer vorbildlich. Aber ich fühle für sie, habe Empathie. Und ich bewundere sie sehr.
Was macht Agatha interessant für Sie?
Jac Schaeffer: Viele Aspekte ihrer Persönlichkeit sprechen mich ganz direkt an. Sie hat ein Selbstbewusstsein, das erstaunlich ist und zu Prahlerei neigt. Ich finde das inspirierend und fesselnd. Sie ist kompromisslos, dreist, unverfroren gar. Sie entschuldigt sich nicht für das, was sie macht. Da ist sie ganz anders als ich. Mir gefällt, dass sie auf eine gewisse Weise rücksichtslos ist. In unserer Show ist sie so etwas wie ein einsamer Wolf, sie steht sich häufig selbst im Weg, sabotiert ihre eigenen Interessen. Ich fand es spannend, sie in eine Situation zu bringen, wo sie allein nicht mehr weiterkommt, wo sie gezwungen ist, mit anderen zu arbeiten und sich auf andere zu verlassen. Wie sie sich dabei windet und immer wieder sehr unwohl fühlt, gefiel mir als Autorin und Showrunner sehr gut.
Wussten Sie von Anfang an, welchen Weg Sie bei der Geschichte einschlagen würden oder ging es Ihnen so wie den Figuren in der Serie, die sich auf einer Entdeckungsreise befinden?
Jac Schaeffer: Ich wusste, dass ich diverse Elemente aufgreifen wollte, von denen ich den Eindruck hatte, dass sie bei „WandaVision“ funktioniert hätten. Ich wollte, dass es keine einheitliche Tonalität geben sollte, ich wollte freie Hand haben, von komisch zu ernst und wieder zurück wechseln können, ohne dass es sich willkürlich anfühlen würde. Ich wollte eine Comedy machen ebenso wie ich ein Drama machen wollte. Und ich wollte, dass Horror ein Teil der Reise sein würde. Es sollte verblüffende Momente geben wie es beunruhigende Momente geben sollte.
Wie pitcht man eine solche Idee?
Jac Schaeffer: Nicht in einem Satz. Das steht fest. Es lässt sich mit Worten auch gar nicht so einfach beschreiben. Wenn man es dann sieht, fällt der Groschen sofort. Aber das war bei „WandaVision“ nicht anders. Das gibt diesen Serien ihren Kick. Sie zelebrieren Popkultur. Das stand für mich bei „Agatha All Along“ auch sofort fest. Unklar war uns zunächst, wie das eigentliche Abenteuer aussehen, was der Motor der Show sein würde. Wir wussten: Agatha hat ihre Zauberkräfte verloren und will sie zurückhaben. Aber wie wir das erzählen und aufbauen würden, das mussten wir uns erarbeiten.
Fällt es Ihnen leicht, Agatha zu schreiben?
Jac Schaeffer: Ihre Stimme fällt mir in der Tat sehr leicht. Ich denke, meinen Kollegen im Writers Room geht es ähnlich. Wir liegen da auf einer Wellenlänge, die meisten waren auch bei „WandaVision“ schon dabei. Speziell die Gags schreiben sich wie von selbst. Sie hat einfach eine sehr präzise und spezielle Form, sich zu äußern und auszudrücken. Es hilft außerdem, für Kathryn zu schreiben. Ich kenne sie sehr gut und kann mir ausmalen, was ihr liegen würde. Wenn Sie wissen wollen, was schwierig ist? Die Konstruktion, das eigentliche Narrativ. Das ist der Knackpunkt.
Wie frei sind Sie bei der Gestaltung der Figur? Gibt es Vorgaben aus den Comics oder von Marvel selbst, an die Sie sich gebunden fühlen?
Jac Schaeffer: Das ist in anderen Fällen anders, aber bei Agatha waren die Maßgaben minimal. Agatha Harkness ist eine prägnante Figur in den Marvel-Comics, aber sie hat keinen eigenen Comic. Die einzige wahre Maßgabe ist Kathryn Hahn, die Agatha in „WandaVision“ so umwerfend gut gespielt hatte. Davon wollte ich nicht abweichen, das war mein Leitstern: Die Figur, die Kathryn geformt hatte, war der Ausgangspunkt. Darauf bauten wir auf.
Inwiefern müssen Sie sich an größere Zusammenhänge im MCU orientieren? Gibt es Vorgaben, was in Ihrer Show abgehandelt/eingebaut werden muss?
Jac Schaeffer: Ganz frei ist man natürlich nicht, weil wir uns innerhalb der Marvel-Mythologie bewegen. Aber das empfinde ich nicht als hinderlich. Im Gegenteil: Es ist ein Privileg. Jeder Autor leckt sich die Finge danach ab, innerhalb einer klar definierten Welt oder Mythologie zu schreiben. Das ist ein steter Quell der Inspiration. Und doch waren wir sehr frei. Wir hatten die Freude, einen Hexenzirkel zu erfinden, den es in den Comics nicht gibt.
Das Gespräch führte Thomas Schultze.