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Sabine Hofmann von Polyfilm: „Wir sind auf einem guten Weg“

Sabine Hofmann leitet nicht nur den Arthouse-Verleih Polyfilm, sondern führt auch zwei Einsaal-Kinos in Wien. Hier blickt sie auf das erfolgreiche Jahr 2023 zurück und spricht über die Herausforderungen im Verleihgeschäft und die Kooperation mit Alamode. 

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Sabine Hofmann leitet den österreichischen Arthouse-Verleih Polyfilm und führt zwei Einsaal-Kinos in Wien, das Filmcasino und das Filmhaus am Spittelberg (Credit: Polyfilm/Filmcasino Wien)

Sie betreiben die beiden Wiener Arthouse-Kinos Filmcasino und Filmhaus sowie den Filmverleih Polyfilm. Blicken wir zunächst auf den Kinobetrieb. Waren Sie mit dem Lauf des letztjährigen Jahres zufrieden?

Sabine Hofmann: Ich freue mich sagen zu können, dass 2023 ein großartiges Jahr für uns war. Die Kinozahlen waren besser denn je. Beide Häuser haben Spitzenergebnisse eingespielt, wir haben in Summe noch deutlich mehrBesucher:innen gehabt als zuletzt. Das ist spektakulär gut. Besonders herausragend war der Kinosommer, der traditionellerweise bei den Kinoketten immer stärker, bei den Arthouse-Kinos schwächer ist. Da hat uns „Barbie“ geholfen, der uns volle Säle beschert hat, obwohl wir im Filmcasino durch Arbeiten an der Lüftung sogar zwei Schließwochen hinnehmen mussten. Ebenfalls sehr positiv entwickelt sich das nonstop-Kinoabo, das in Österreich im März 2023 an den Start gegangen ist und bei dem wir auch mitmachen. Es zählt insgesamt bereits um die 6000 Abonennt:innen. 

Wo zieht das Abo besonders? Stellen Sie auch eine Veränderung in der Publikumsstruktur fest?

Sabine Hofmann: Das Kinoabo spüren wir besonders bei den Specials, aktuell zB bei unserer Yorgos-Lanthimos-Retrospektive, die sehr gut gebucht wird von den nonstop-Abonennt:innen. Sehr erfreulich ist außerdem, dass dadurch tatsächlich verstärkt wieder jüngere Menschen ins Kino kommen. Seit Jahren arbeiten alle Arthouse-Kinos daran, das Publikum zu verjüngen, was immer ein schwieriges Unterfangen war. Mit diesem Hintergedanken wurde nonstop ja auch entwickelt. Und es zeigt sich, dass es funktioniert! Der Altersdurchschnitt der Abonennt:innen liegt bei 30 Jahren. Das ist super. Alles in allem kann ich sagen, dass wir die Pandemie definitiv überstanden haben. 

Das Filmcasino befindet sich im 5. Bezirk (Credit: Polyfilm/Filmcasino Wien)

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Dennoch ist es nicht einfach, zwei Ein-Saal-Kinos zu bespielen.

Sabine Hofmann: Das ist nie ganz trivial, das ist richtig. Wir müssen sehr kreativ arbeiten, die Häuser gut und interessant programmieren. Glücklicherweise steht ein großartiges Team dahinter, das das mit großer Leidenschaft und vielfältigen Interessen tut. Wir machen gute Kundenbindungsarbeit mit Newslettern und Programmheften und einer sehr aktiven Social-Media-Verbreitung. Es zeigt sich, dass die Angebote dort, wo wir werbemäßig mehr investieren, auch angenommen werden.

Von Cinemorning über Screenings mit Kaffee & Kuchen hin zu einer Architekturfilm-Reihe oder einem Special mit Miyazaki-Filmen hat das Filmcasino einiges in petto. Welche Angebote funktionieren sehr gut?

Sabine Hofmann: Cinemorning inklusive Kinderbetreuung ist ein Programmangebot, das einmal im Monat stattfindet. Es ist eines der wenigen Formate, wo wir auf deutsch spielen, weil wir Filme sonst nur in OmU zeigen. In Zusammenarbeit mit der Sozialeinrichtung Station Wien kommen viele Frauen, die deutsch lernen. Das funktioniert gut, ist ein feines, solides Angebot. Sehr gut entwickelt hat sich das Programm „Stadtstreifen“ mit den Architekturfilmen, das wir seit vielen Jahren mit wechselnden Kurator:innen machen. Zu unserem Highlight entwickelt sich gerade Kino & Kuchen, unser Nachmittagsangebot, das in erster Linie Menschen in Pension anspricht. Wir hatten da zuletzt immer wieder ausverkaufte Häuser. Dank der Einbindung in gute Verteiler und Lobbyarbeit unserer älteren Gäste funktioniert es großartig. So großartig, dass unsere Mitarbeiter an ihre Belastungsgrenze kommen, weil sie auch noch Kaffee und Kuchen servieren müssen. Manche Formate brauchen eine Weile, bis sie etabliert sind. Die Rückkehr der älteren Besuchsgruppe freut uns besonders, weil gerade sie nach der Corona-Pandemie verloren schien. Bei den Jungen ist es so, dass sich das Erlebnis Kinobesuch verändert hat. Es ist qualitätsvoller geworden. Und dank der Streamingplattformen wird die Originalfassung auch mehr geschätzt.

Neben den Kinos leiten Sie den Verleih Polyfilm, der jährlich in etwa die stolze Anzahl von 40 Filme herausbringt…

Sabine Hofmann: Wir haben uns sogar zurückgenommen. 2021/2022 hatten wir 51 oder 52 Filme im Programm. Das war dann doch zu viel und führte uns an die Belastungsgrenzen. Wir haben gemerkt, dass wir uns nicht mehr auf alle Titel ausreichend konzentrieren können. Selbst 40 Filme sind noch viel, aber machbar. Erzähle ich das internationalen Verleiherkolleg:innen, ist das Staunen oft groß.

Warum so viele?

Sabine Hofmann: Das ist ein österreichisches Phänomen. Die österreichischen Arthouse-Verleiher sind mehr oder weniger genötigt, so viel zu machen. Das ist auch gut, weil wir dadurch eine große Vielfalt haben, das unternehmerische Risiko streuen und unsere Interessen in alle Genres abdecken können, von Dokumentarfilmen über Kinderfilme und Animationsfilme/Anime hin zum klassischen Arthouse-Programm. Was die österreichische Verleihlandschaft speziell macht, ist die Anbindung an den großen Deutschen Markt. Wir sind da sehr offen, mit wem wir zusammenarbeiten. Es ist nach wie vor so, dass wir, wenn wir einen Film breit positionieren wollen, die deutsche Fassung brauchen. Das würden wir uns für einen kleineren Titel, der vielleicht 3000 bis 5000 Besucher:innen macht, nicht leisten können. Wir können kein eigenes Dubbing finanzieren. Somit arbeiten wir mit unseren Lizenzgebern aus dem deutschsprachigen Raum zusammen, die uns die Filmrechte für Österreich sublizenzieren und das Material geben. Das ist so Usus. Manchmal gehen wir auch direkt zum Weltvertrieb, wenn wir uns in einen Titel verlieben, aber meistens ist es eine Kooperation mit den deutschen Verleihpartnern.

Welche Titel waren die erfolgreichsten im Verleihprogramm der letzten Zeit?

Sabine Hofmann: Ganz erfolgreich waren und sind wir mit dem neuen Miyazaki-Film „Der Junge und der Reiher“, der sehr schön läuft und Nummer eins beim Start in Österreich war. Auch „Perfect Days“ von Wim Wenders hat einen tollen Lauf, ebenso „Geliebte Köchin“. Ein Überraschungstitel vom vergangenen Jahr war Bianca Gleissingers humorvoller Debüt-Dokumentarfilm „27 Storeys“ über die architektonisch sehr bedeutsame Stätte Alterlaa in Wien und deren Bewohner:innen. Wir streben auf die 20.000 Besucher:innen zu, was wirklich erfreulich ist. 

Gibt es eine Maßgabe in Bezug auf die jährliche Anzahl österreichischer Filme im Programm von Polyfilm?

Sabine Hofmann: Nein. Wir haben immer wieder österreichische Filme im Programm und haben auch Filmemacher:innen und Produktionsfirmen, mit denen wir kontinuierlich und gerne arbeiten. Sehr erfolgreich waren wir zuletzt zum Beispiel auch mit „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“, den Amour Fou mitproduziert hat. Der Schwerpunkt liegt bei Polyfilm dennoch eher im europäischen Arthousefilm. Österreichische Filme sind bezüglich der Herausbringung um ein Vielfaches aufwändiger. Wir sind mit sechs Mitarbeiter:innen ein vergleichsweise winziges Team für unseren Output. Die Verleihförderung, die im neuen Anreizmodell bei österreichischen Produktionen greift, ist ein wertvolles Asset und kompensiert zum Teil die Mehraufwände.

Wie schätzen Sie das laufende Kinojahr ein? Fürchten Sie sich vor einem Großereignis wie der Fußball-EM?

Sabine Hofmann: Früher habe ich mich tatsächlich vor solchen Sport-Großereignissen gefürchtet. Mit einer umsichtigen Programmierung kann man aber durchaus die Menschen abholen, die keine Fußballfanatiker sind. Eine Prognose für das laufende Kinojahr abzugeben, ist nicht möglich. Es hängt einfach von zu vielen Faktoren ab. 2023 war ein Jahr der guten Filme, 2024 dürfen wir uns ebenfalls auf viele großartige Filme freuen. Ich bin zuversichtlich. Wir sind auf einem guten Weg.

„Wir verfolgen das Programm von Alamode seit Jahren, schätzen es sehr.“

Sabine Hofmann

Sie sind auch im Board des Verbands Europa Distributions. Welche Themen werden aktuell unter europäischen Verleihern diskutiert?

Sabine Hofmann: Ständige Themen sind der Umgang mit KI, wo und wie wir neue Medien oder Technologien in unserer Arbeit einsetzen können, sowie der Zugriff auf bessere Daten über unser Publikum. Wir haben das große Glück, dass wir Kinobetreiberin und Verleihfirma in einem sind und somit sehr zielorientiert, publikumsorientiertprogrammieren können, uns einfach besser auf unser Publikum einstellen können. Die Verleihkolleg:innen, die das nicht haben, kriegen von den Kinos diesbezüglich natürlich nicht alle diese Informationen. Die Daten, die jedes Kino in der Publikumsbindung hat, sind deren große Schätze.

Im Herbst 2023 haben Sie eine strategische Kooperation mit Alamode Film angekündigt, die zum 1. Januar 2024 gestartet ist. Was umfasst diese genau?

Sabine Hofmann: Alamode hat seit vielen Jahren einen Firmensitz in Österreich und bringt hier schon seit geraumer Zeit Filme heraus. Als sie auf der Suche nach einem neuen Partner für den Bereich Booking & Billing und die gesamte Administration waren, haben sie uns gefragt, und wir haben mit großer Freude und Begeisterung zugesagt. Wir verfolgen das Programm von Alamode seit Jahren, schätzen es sehr. Unsere filmischen Geschmäcker und Interessen sind deckungsgleich. Wir sind alle sehr happy über diese Zusammenarbeit. Unser erstes gemeinsames Projekt war die tolle Doku „Joan Baez – I Am Noise“, ein Film, den wir eh selbst gerne im Verleih gehabt hätten. 

Zum Schluss die Frage: Welches waren Ihre filmischen Highlights der letzten Zeit?

Sabine Hofmann: Mein absolutes Highlight der letzten Monate war „Perfect Days“. Es ist fantastisch, wie diese Stille und Langsamkeit gegen alle Regeln funktioniert. Ich mochte auch „Dream Scenario“, weil er so schön ungewöhnlich und schräg ist, und „My Sailor, My Love“, eine wunderschöne Liebesgeschichte im Alter. Und stolz bin ich auf unsere Miyazaki-Retro, mit der wir Filme teilweise nach Jahrzehnten wieder auf der Leinwand holen, inklusive des allerersten Films, der in Österreich nie ins Kino kam. Und außerdem habe ich mich sehr über „Stop Making Sense“ gefreut, den wir alle natürlich bereits in den Achtzigerjahren schon geschaut haben. 

Barbara Schuster