Lamin Leroy Gibba über die Einladung mit „Schwarze Früchte“ zum Tribeca Film Festival, die Zusammenarbeit mit Jünglinge Film und warum die ARD der richtige Sendepartner für die Serie ist.
Gratulation zur Einladung aufs Tribeca Film Festival mit „Schwarze Früchte“. Sie fahren nicht das erste Mal dorthin…
Lamin Leroy Gibba: Tatsächlich war ich 2022 mit dem Kurzfilm „Hundefreund“ dort eingeladen, in dem ich auch gespielt, geschrieben und produziert habe.
Was bedeutet Ihnen die Rückkehr in den Big Apple mit Ihrer ersten Serie?
Lamin Leroy Gibba: Ich finde richtig toll, dass wir dort Weltpremiere feiern dürfen, freue mich für das ganze Team, weil so viel Arbeit und Leidenschaft in dieses Projekt geflossen ist. Viele aus dem Team werden auch mitreisen nach New York.
Sie haben in New York bereits Schauspielerei und Film studiert. War es Ihnen wichtig, ins Ausland zu gehen?
Lamin Leroy Gibba: Ich habe mich zu der Zeit in Deutschland in Film und Fernsehen einfach nicht gesehen und meine Chancen hier langzeitig als Schauspieler arbeiten zu können als ziemlich schlecht eingeschätzt. Deshalb hat sich mein Blick nach England und die USA gewendet. Es ist dann Amerika geworden. Besonders durch meine Erfahrungen dort, mit anderen Schwarzen Stundent:innen und Dozent:innen, haben sich für mich ganz neue Möglichkeiten offenbart was ich alles spielen und schreiben kann. Ich hätte die Art von Studium, in dem ich diese verschiedenen Handwerke gleichzeitig erlerne, auch so in Deutschland nicht machen können. Mein Arbeitsschwerpunkt ist jetzt zwar wieder hier, aber natürlich ist es toll, nach New York zurückzukehren. Die Stadt hat mich in den fünf Jahren, die ich dort gelebt habe, einfach sehr geprägt.
„Schwarze Früchte“ ist Ihr erstes Serienprojekt. Sie sind Creator, Headautor, Showrunner, Hauptdarsteller und Executive Producer. Das hört sich nach absolutem Herzensprojekt an…
Lamin Leroy Gibba: Absolut! Ich habe 2019 angefangen, daran zu arbeiten. Die Arbeit entstand aus einer Idee, einer Tonalität heraus, aus Figuren, die eine bestimme Art von Humor in sich tragen, die ich im deutschen Fernsehen total vermisst habe. Über ein Jahr saß ich damit im stillen Kämmerlein, niemand wusste davon. Irgendwann habe ich Faraz Shariat, Paulina Lorenz und Raquel Kishori Dukpa von Jünglinge Film getroffen. Sie konnten mit der Idee und dem Stoff connecten. Zusammen sind wir zur MOIN Filmförderung gegangen, anschließend kam Studio Zentral als Koproduktionspartner und die ARD als Senderpartner an Bord. Step by step ging es vorwärts…
War Ihnen wichtig, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender aufgesprungen ist?
Lamin Leroy Gibba: Sehr! Uns war der Zugang wichtig. Unsere Serie sollte nicht hinter einer Paywall verschwinden, sondern in der Mediathek für jede Person zugänglich sein, die sich für unsere Serie interessiert. Die ARD-Mediathek hat uns auch künstlerisch sehr viel Freiraum gelassen.
Wie war die Zusammenarbeit mit Jünglinge Film? Warum passten sie gut zu Ihrem Projekt? Die junge Berliner Produktionsfirma steht für „aktivistisches Popcorn-Kino“, wie es beim „About us“ auf der Website heißt…
Lamin Leroy Gibba: Wir matchen auf vielen Ebenen, befruchten uns aber auch durch unterschiedliche Erfahrungen und Expertisen. Grundsätzlich sind wir über unsere politische Haltung zusammenkommen, wie wir über Repräsentation und strukturelle Diskriminierung nachdenken und welche ungesehenen Perspektiven wir zentrieren wollen. Dazu zählt die Frage, wer eigentlich entscheidet, wie die Serie gemacht wird, wie die Drehbücher entwickelt und geschrieben werden. Mit dieser Haltung haben wir über die Teamzusammenstellung nachgedacht, haben in jedem Schritt die Überlegung miteinbezogen, wer spricht, wer Deutungshoheit hat. Das verbindet uns. Aber natürlich auch das Interesse an Popkultur und Unterhaltung. Es ist wichtig, dass die Serie unterhält, lustig ist und berührt.
Wie waren Ihre Erfahrungen in einem Writers Room? Kannen Sie die anderen Autor:innen bereits?
Lamin Leroy Gibba: Außer mit einer Person, mit der ich mal in einer Schreibwerkstatt war, hab ich alle über einen Aufruf gefunden. Durch viele Treffen und Gespräche fanden wir dann zusammen. Obwohl die Arbeit im Writers Room schon drei Jahre her ist, sind wir immer noch sehr eng, alle sind noch voll dabei und kommen auch mit nach New York. Es war wichtig, mit unterschiedlichen Autor:innen zu arbeiten. Wir sind alle Schwarze Autor:innen, aber haben darin natürlich trotzdem sehr unterschiedliche Perspektiven und Blicke auf Dinge. Sophia Ayissi, Naomi Kelechi Odhiambo, Lisa Tracy Michalik und Sarah Claire Wray haben das Projekt sehr bereichert.
Haben Sie ihr Regieduo Elisha Smith-Leverock und David Uzochukwu ebenfalls über Aufrufe gefunden?
Lamin Leroy Gibba: David kannte ich bereits. Elisha hab‘ ich aufgrund ihrer bisherigen Arbeiten kontaktiert.Generell haben wir viel gesucht, anders gesucht, viele Gespräche geführt, weil es um unterschiedliche Zugänge, Perspektiven ging. Für Elisha und David ist „Schwarze Früchte“ das erste große Serienprojekt. Sie kommen aus dem Bereich Fotografie, haben Werbung und Musikvideos gedreht. Ich bin sehr beeindruckt von der Arbeit, die sie geleistet haben.
Es wird viel gesprochen in der Branche über die Themen Diversität, Inklusion, Sichtbarkeit. Tut sich de facto wirklich was?
Lamin Leroy Gibba: Im Vergleich zu vor zehn Jahren hat sich auf alle Fälle etwas verändert. Trotzdem passiert immer noch viel zu wenig. Ein Projekt wie „Schwarze Früchte“ ist immer noch eine Ausnahme. Wenn man sich deutsches Fernsehen und deutsches Kino anguckt, sind die Möglichkeiten für unterrepräsentierte Perspektiven immer noch sehr wenige. Da muss sich noch viel tun. Das hat ganz viel mit Machtverteilung zu tun, mit der Frage, wer Projekte überhaupt starten kann, wer die Ressourcen hat. Es ist wichtig, dass ganzheitlich gedacht wird, dass Produzent:innen, Redakteur:innen, Dramaturg:innen, Autor;innen, Caster:innen so aufgestellt sind wie unsere Gesellschaft. Das sehe ich immer noch viel zu wenig. Da ist definitiv noch viel Luft nach oben.
Das Gespräch führte Barbara Schuster