Am 13. Juni startet über Neue Visionen der Dokumentarfilm „Niemals allein, immer zusammen“. Wir sprachen mit Regisseurin Joana Georgi über diesen mutigen Kraftakt im Ringen um gesellschaftliche Veränderung.
„Niemals allein, immer zusammen“: Ist das auch ein Motto, dem Sie als Filmemacherin folgen?
Joana Georgi: Ja! Filme allein zu machen ist sehr schwierig bis unmöglich. Hinter „Niemals allein, immer zusammen“ steckt ein Team von elf Menschen. Wir waren alle politisch motiviert, emotional involviert, sind alle mit der gleichen Hoffnung rangegangen, uns damit nach der Coronapandemie aus der Vereinzelung herauszukämpfen. Über den Film haben wir zusammengefunden. Das Motto kann man auf sehr viele Lebensbereiche anwenden.
Warum hat die Coronapandemie dazu beigetragen, diesen Film machen zu wollen?
Joana Georgi: Ein bisschen entstand der Film aus einer Trotzreaktion auf die neoliberale und die pandemiebedingte Vereinzelung. Aber auch, weil es meinem engeren Umfeld ökonomisch und sozial nicht gut ging und viele am Strugglen waren. Anderen jungen Filmemacherinnen erging es ähnlich. Wir waren damals an der Filmarche in Berlin, der einzigen selbstorganisierten Filmschule. Da ging zu Coronazeiten nicht viel. Wir waren alle ein bisschen lost. Ich spürte den Impuls, etwas machen zu müssen, um da rauszukommen. Das ist auf viel Resonanz gestoßen.
War es schwierig, den Anfang zu machen?
Joana Georgi: Wenn man mit dem Filmemachen beginnt in Deutschland, wird von vornherein gesagt, dass es schwer sein wird, den Einstieg in die Branche zu schaffen. Und überhaupt, sei es ganz schwierig, einen Film finanziert zu bekommen. Wir haben einfach gemacht, haben angefangen, Leute anzuschreiben, zu drehen. Uns war wichtig, dass wir frei arbeiten können, dass wir politisch das ausdrücken dürfen, was wir möchten. Unsere Suche nach einer Produktionsfirma war erfolglos. Also haben wir den Film über einen Verein und Spendengelder finanziert[1] . Unser Mini-Budget hat gerade gereicht, die Leute an den Drehtagen und in der Postproduktion halbwegs zu bezahlen. Aber das Kernteam und ich haben komplett umsonst gearbeitet, wir haben den Film neben dem Studium, neben unseren sonstigen Jobs realisiert. Das kann ich niemandem empfehlen. Wir hatten alle Burnout irgendwann, es gab Phasen, wo wir aufhören wollten. Dass junge Filmschaffende wenig gefördert werden, ist durchaus ein strukturelles Problem der deutschen Filmbranche. Aber ich möchte dazusagen: Wir haben immerhin ein Verleih gefunden! Was für ein Glück! Damit haben wir nicht gerechnet. Ein Shoutout an Neue Visionen, dass sie uns eine Chance geben!
„Kurzvideos haben nicht den Nachhall wie ein Kinofilm.”
Ohne den guten Zusammenhalt im Team wäre Ihr Film also vermutlich nicht entstanden. Ihnen ist es ja gerade auch ein Anliegen, wie Filme entstehen. Sie legen Wert darauf, dass Teampositionen mehrheitlich mit FLINTA besetzt werden. Warum?
Joana Georgi: Ich habe in den letzten Jahren gemerkt, dass es mir einfacher fällt, mit FLINTA zusammenzuarbeiten. In Situationen, in denen man gestresst ist – wie es häufig bei einer Filmproduktion der Fall ist – finde ich es von Vorteil, wenn man über Emotionen kommunizieren, offen umgehen, sich stützen kann und nicht versucht, in Konkurrenzmuster reinzufallen.
Wie viel Material hatten Sie im Schneideraum zu bewältigen?
Joana Georgi: Wir hatten am Ende 60 oder 80 Stunden Filmmaterial. Unsere Editorin Barbara Ophoff ist erfahrener als wir und war auch die Einzige aus dem Team, die über 30 war. Sie hat Struktur reingebracht, Material gesichtet, geordnet und mich auch gut angeleitet. Mir war wichtig, dass die Protagonist:innen Mitspracherecht im Schnitt haben. Sie durften alle den Rohschnitt sehen und sich dazu äußern. Hätten sie sich inhaltlich nicht repräsentiert gefühlt, hätten wir diese Anmerkung in den Schneideprozess mitgenommen.
Sie sind selbst Aktivistin. Was bedeutet das Medium Film für Sie? War Ihnen von Anfang an klar, dass Film das Medium sein wird, über das Sie sich ausdrücken wollen?
Joana Georgi: Nein. Ich bin da reingerutscht. Ich dachte früher eher, dass ich in Richtung Journalismus gehe, Texte schreibe. Über das Filmen von Demo-Videos und den Austausch mit Leuten auf Demos bin ich draufgekommen, dass ich es total mag, kollektiv zu arbeiten. Dieser kollektive Prozess beim Film gibt mir unglaublich viel. Das hat sich für mich jetzt auch wieder bei „Niemals allein, immer zusammen“ gezeigt: Wir haben als Team einen krassen Prozess durchgemacht, und die Protagonist:innen haben einen krassen Prozess durchgemacht. Text hat andere Vorteile. Aber ich mag es, kollektiv zu arbeiten. Mit Leuten.
Sie haben Anfang des Jahres ein Studium an der Filmuniversität Babelsberg aufgenommen. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen, doch noch ein fundiertes Studium aufzunehmen, wo Sie ja schon als Videografin gearbeitet haben?
Joana Georgi: Ich habe von befreundeten Filmemacher:innen, die schon länger in der Branche aktiv sind und teilweise keinen richtigen Abschluss haben, mehrfach gehört, dass sie irgendwann an ihre Grenzen stoßen und ab einer gewissen Projektgröße keine Jobs mehr bekommen. Der Markt verlangt da ein abgeschlossenes Studium. Nur so hat man später alle Möglichkeiten. Deshalb habe ich mich für das Studium in Babelsberg entschieden. Trotzdem arbeite ich weiter als Videografin, weil ich es mir auch gar nicht leisten kann, nur zu studieren. Ich möchte es auch nicht aufgeben, aktivistisch, journalistisch zu arbeiten.
Wie gefällt Ihnen das Studium denn?
Joana Georgi: Ich kam ja von der Filmarche. Dort landen sehr viele Leute, die an den deutschen Filmunis abgelehnt wurden. Strukturell zeigt sich, dass an der Filmarche sehr viele linke, aktivistische, diverse Filmschaffende sind und in einem kollektiven Prozess gearbeitet wird, im Miteinander. Es war dann ein kleiner Schock, als ich und ein paar andere Leute von der Filmarche in Babelsberg angenommen wurden. Der Konkurrenzdruck ist enorm hoch. Aber die Professor:innen sind toll, und man wird auch unterstützt. Außerdem gibt es auch materiell gesehen einfach viel Technik, die es in der Filmarche nicht gibt.
Welcher Stellenwert hat Kino für Sie? Ihre Protagonist:innen im Film sind ja sehr stark über Social Media aktivistisch und engagiert. Warum wollten Sie mit Ihrem Film ins Kino?
Joana Georgi: Fürs Kino nimmt man sich bewusst einen Abend Zeit. Das kann Social Media nicht. Im Kino können Ideen ganz anders sacken, ankommen. Ich mache selbst auch Instagram-Reels, schneide Kurzvideos, die teilweise sehr viele Clicks bekommen, was bei Social Media aber auch einfach viel schneller geht. Nicht so leicht ist es, 40.000 oder 50.000 Leute ins Kino zu bringen. Diese Kurzvideos haben aber nicht den Nachhall wie ein Kinofilm. Das ist einfach etwas anderes, wenn man sich in den Kinosessel setzt und konzentriert schaut. Ich bin überzeugt, dass auch die junge Generation gerne ins Kino geht. Das hat sich vor allem auch nach der Pandemie gezeigt, das dem tatsächlich so ist.
Das Gespräch führte Barbara Schuster
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