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Jannis Alexander Kiefer über die Festivaltour mit „Another German Tank Story“: „Ein Festival ist wie ein Filmdreh“

Mit seinem Spielfilmdebüt „Another German Tank Story“ zieht Jannis Alexander Kiefer aktuell von einem Festival aufs nächste. Das sei toll, sagt er, über die Anerkennung und Einladungen sei er dankbar. Dabei hat er auch kritische Anmerkungen zum Festivalzirkus.

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Jannis Alexander Kiefer (Credit: Adam Graf)

Mit Ihrem Spielfilmdebüt „Another German Tank Story“ sind Sie seit der doppelten Weltpremiere in Shanghai und München auf vielen Festivals unterwegs, sammelten Preise bei First Steps und zuletzt in Biberach. Welche Eindrücke konnten Sie sammeln?

Jannis Alexander Kiefer: Es ist alles positiv aufregend, aber ehrlicherweise auch kräftezehrend. Der Start in Schanghai und München parallel war extrem toll, mit dem Big Audience Award bei den First Steps hat der Film sehr viele weitere Einladungen auf Festivals erhalten. Nach Biberach waren wir in Cottbus, es folgen Braunschweig, Mainz, Wiesbaden, Ahrenshoop, Göttingen, … das ist schon eine ziemlich gute Festivaltour.

Einerseits ist das eine große Freude und Ehre, andererseits lebt man nur noch aus dem Koffer, nehme ich an…

Jannis Alexander Kiefer: Das ist ein bisschen die Crux. Ich bin einigen Festivals auch sehr verbunden und dankbar, wie beispielsweise den Biberacher Filmfestspielen, wo bereits zwei meiner Kurzfilme liefen, dem Braunschweig International Film Festival, exground Wiesbaden wie auch den Ahrenshooper Filmnächte, die ich ebenfalls von vorherigen Einladungen kenne. Wie schön ist das jetzt, mit dem ersten Langfilm wiederzukommen! Ich will dort auch hinreisen und bin stolz auf die Einladungen. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass das Reisen auf Festivals unbezahlte Arbeit ist. Mit dem Preisgeld von Biberach kann ich meine Miete bezahlen. Ich kaufe mir davon kein Auto oder gehe feiern, weil ich mir das gar nicht leisten könnte. Ich muss dazusagen, dass ich für „Another German Tank Story“ ja bereits drei Jahre unbezahlte Arbeit geleistet habe… 

„Das Reisen ist auch kein gutes Setting, um in Ruhe am nächsten Stoff zu schreiben.“

Aber durch die Aufmerksamkeit kommen sicher viele Dinge, die langfristig eine Karriere ebnen, auch in Bewegung, oder?

Jannis Alexander Kiefer: Gerade durch den First Steps Award merke ich das. Produzent:innen fragen an, wir treffen uns mit Redakteur:innen, ich bekomme Drehbücher zum Lesen geschickt etc. Das ist alles wirklich ausschließlich schön! Aber das ist im aktuellen Status auch noch alles unbezahlt. Ich komme also aus drei Jahren unbezahlter Arbeit, habe schöne Festivaleinladungen, die auch unbezahlt sind, und kann erst einmal nur auf unkonkrete Anfragen für Folgeprojekte blicken. Das überlappt sich alles und ist alles zeitintensiv. Bei den Festivals kommt der Aspekt dazu, dass man immer unterwegs und in anderen Städten ist, was für mich als junger Familienvater nicht einfach ist.

Aber Sie müssen doch sicherlich nicht jedes Jahr auf so viele Festivals reisen?

Jannis Alexander Kiefer: An der Filmuni Babelsberg haben wir jedes Jahr gedreht. Seit 2016 hatte ich jedes Jahr einen Kurzfilm in der Auswertung. Die liefen nicht alle gut, es gab auch erfolglose. Oder sie waren manchmal auf kleine Kurzfilmfestivals eingeladen, zu denen ich nicht gefahren bin, weil die Reise nicht bezahlt werden konnte. Ich bin die letzten sieben, acht Jahre viel auf Festivals unterwegs, was gut war und viel gebracht hat. Ich habe viele Leute kennengelernt, die man immer wieder trifft, weil man dieselben Steps macht in der Karriere. Man wächst als Generation zusammen in die Branche rein. Mittlerweile werde ich bei Kurzfilmfestivals auch in Jurys eingeladen, was eine schöne Wertschätzung des eigenen Filmsachverstands ist. Doch damit nicht genug: Wir waren ein Jahr vor Fertigstellung von „Another German Tank Story“ bei vielen Work-in-Progress-Sektionen, u.a. in Bozen, Vilnius, Sofia, bei Cutting Edge in Mannheim, weil man dort unter anderem auch die Chance erhält, letzte Finanzierungslücken zu schließen. Für einen Film, der so wenig Budget hatte, nicht unerheblich. Es ist gut, auf Festivals zu fahren. Aber ich habe das Gefühl, es ist ein pausenloses Hin und Her. Das Reisen ist auch kein gutes Setting, um in Ruhe am nächsten Stoff zu schreiben.

Wie sehen das Kommiliton:innen bzw. andere junge Kolleg:innen von Ihnen? Sprechen Sie über diese Problematik der Selbstausbeutung?

Jannis Alexander Kiefer: Wir sprechen darüber, erwischen uns aber auch dabei, dass man gar nicht meckern „darf“, weil man, wenn man auf große Festivals eingeladen wird, sich bereits in einer privilegierten Position befindet. Es laufen nicht alle unsere Filme auf großen Festivals. Aber wenn ja, heißt das, man sollte sich schon zusammenreißen und nicht drüber klagen, weil es automatisch bedeutet, dass man eine Form von Erfolg hat. Ich habe das Gefühl, dass an deutschen Filmhochschulen doch viele aus eher besser situierten Haushalten kommen, die sich mehr erlauben können, weniger bzw. keine Nebenjobs zu haben. Das trifft natürlich auf keinen Fall auf alle zu! Ich kenne auch einige, die auch strugglen und konsequent nicht auf Festivals fahren, weil sie es sich gar nicht leisten können. Das ist schade, weil Festivals ja auch zum Netzwerken da sind und um Feedback zu bekommen. Also ja, wir reden darüber, das ist Thema in meiner Generation. Aber zumeist überwiegt die Freude über eine Festivaleinladung, weil es bedeutet, dass man gesehen wird. Und dafür nimmt man alles in Kauf. Jetzt sind Studienprojekte nicht dafür da, um sein Leben zu finanzieren. Wenn man fertig ist mit der Uni, wird das Leben aber automatisch teurer.

Haben Sie Lösungsansätze?

Jannis Alexander Kiefer: Zumeist ist es eine Geldfrage. Festivals sind leider so oft unterfinanziert. Auch die Leute, die bei Festivals arbeiten, verdienen in der Regel sehr wenig, leben ähnlich prekär wie wir jungen Filmemacher:innen. Es ist unrealistisch zu erwarten, dass man Geld dafür bekommt, wenn man auf ein Festival fährt. Aber es würde Sinn machen, wenn es von irgendeiner Stelle Geld gäbe, sei es von der Produktion, dem Verleih, Sales, dass diese Posten mitgedacht werden. Und die Festivals müssten so gut gefördert werden, dass die Anreise und Übernachtung vollumfänglich gedeckt sind. Wenn man auf ein Festival fährt und dann auch noch draufzahlt, was leider oft der Fall ist, macht man nicht nur unbezahlte Arbeit, sondern bezahlt dafür, dass man auf ein Festival fahren darf.

Aber ist es nicht so, dass Festivalgäste immer eingeladen werden?

Jannis Alexander Kiefer: Meist werden ein paar Übernachtungen bezahlt, die Fahrt zumindest teilweise, aber nicht immer oder zumindest nicht komplett. Wenn der Film dann aber beispielsweise drei Screenings über fünf Tage verteilt hat und man streng gebeten wird, auch noch bei der Preisverleihung anwesend zu sein, muss man die restlichen Hotelübernachtungen selbst zahlen. Da macht man schon ein dickes Minus. Dann kommt man nach einer anstrengenden Festivalwoche nachhause, will sich zwei, drei Tage freinehmen, um Zeit mit seinem Kind verbringen zu können, auch, weil man kein Wochenende hatte, da ist schnell ein halber Monat um, ohne Einnahmen generiert zu haben. Man hat draufgezahlt. Die Realität ist, dass man die Einladungen immer annimmt, weil die Freude überwiegt, der Stolz, die Verantwortung, die Chance, die Dankbarkeit.

Aber ohne Festivals geht es ja auch nicht…

Jannis Alexander Kiefer: Ein Festival ist wie ein Filmdreh. Man ist von zuhause weg und schläft wenig. Wie ein Filmdreh sind sie kräftezehrend. Gerade für Debütfilme und Low-Budget-Filme sind sie eine unglaubliche wichtige Plattform, die kann man nicht überspringen, sonst beraubt man sich selbst seiner Chancen.

Gibt es denn ein positives Beispiel, wie man Festival auch familiengerecht denken könnte?

Jannis Alexander Kiefer: Es fängt schon mal damit an, dass man häufig am Wochenende auf ein Festival fährt. Da fällt dann schon mal die Kinderbetreuung weg. Wenn ein Festival Partnerhotels hat, kann man doch auch ein familienfreundliches aussuchen, das vielleicht einen Indoor-Spielplatz anbietet. Die Biberacher Filmfestspiele waren ein extrem positives Beispiel. Da hatte ich gesagt: entweder mit Kind oder gar nicht, weil meine Freundin keine Zeit hatte. Außerdem habe ich die Bedingung gestellt, dass ich nur kommen kann, wenn die Screenings um 19 Uhr vorbei sind, weil wir dann ins Bett müssen. Das wurde umgesetzt. Wir wurden mit Kindersitz vom Bahnhof abgeholt. Das war toll! Es hat sich gut angefühlt, gespiegelt zu bekommen, dass ein Kind kein Klotz am Bein ist. Denn ich habe schon das Gefühl, dass alle denken, die Regie ist immer verfügbar. Es fragt niemand: Hast du überhaupt Zeit, willst du lieber unter der Woche kommen, weil du am Wochenende lieber bei deiner Familie sein willst etc. Jeder Tag ist Werktag. Ich würde mich freuen, wenn man Familie in der Filmbranche von Anfang an viel besser mitdenkt.


Das Gespräch führte Barbara Schuster

„Another German Tank Story“