Nach dem Abschluss ist vor dem Abschluss: Nach der grundsätzlichen tarifvertraglichen Einigung im Oktober verhandeln BFFS, ver.di und die Produktionsallianz weiter – über den tarifvertraglichen Umgang mit KI. Über die Ziele, den Verlauf der Gespräche und die Komplexität des Themas sprach SPOT mit Heinrich Schafmeister und Katharina Abt vom Bundesverband Schauspiel BFFS.
Über den Bundesverband Schauspiel e.V. (BFFS)
BFFS steht für Bühne, Film, Fernsehen, Sprache. Gegründet 2006, ist der BFFS als Verband und Gewerkschaft mit seinen über 4.200 Schauspieler:innen inzwischen die größte nationale Schauspielorganisation und mitgliederstärkste Berufsvertretung der deutschen Film-, Fernseh- und Theaterlandschaft. Der BFFS vertritt die berufsständischen sowie gewerkschaftlichen Interessen der Schauspieler:innen in Deutschland. Er will die kulturellen, gesellschaftlichen, politischen, rechtlichen, tariflichen und sozialen Rahmenbedingungen verbessern bzw. schaffen, die sowohl den einzigartigen Schauspielberuf schützen, bewahren und fördern als auch die besondere Lebens- und Erwerbssituation der Künstler:innen berücksichtigen, die diesen Schauspielberuf ausüben. Der Vorstand des BFFS arbeitet ehrenamtlich.
Man spricht ja gerne vom Bohren „dicker Bretter“, wenn es um komplexe Sachverhalte geht, bei denen sich Verhandlungspartner auf einen Konsens verständigen wollen und müssen. Im Fall des Themas „generative KI“ müsste man – um in diesem Bild zu bleiben – vielleicht eher von einem kompletten Baumstamm sprechen, der sich aber schon auf halbem Weg ins Sägewerk befindet.
Um auf einen Blick darzulegen, wie komplex dieses Thema ist, hatte Heinrich Schafmeister als BFFS-Bevollmächtigter für Tarifverhandlungen schon vor einiger Zeit einen besonderen Kniff gewählt: Eine dreidimensionale Darstellung, die zumindest einer Vorstellung davon gibt, auf wie vielen Ebenen sich die damit verbundenen Fragestellungen abspielen, wie tief der Raum ist, in dem man sich im Rahmen der Verhandlungen bewegt.
Gleichzeitig liefert diese Grafik auf einen Blick eine Erklärung dafür, weshalb sich die tarifrechtlichen Verhandlungen über den Umgang mit generativer KI ganz besonders in die Länge ziehen und nun separat vom Rest des TV-FFS, wo man nach ziemlich exakt einem Jahr zu einer Einigung fand, fortgesetzt werden. Wir sprachen mit Heinrich Schafmeister und BFFS-Vorständin Katharina Abt (Repräsentantin Film/Fernsehen im Verband) über die Ziele und den Verlauf der KI-Verhandlungen – und den generellen Umgang mit diesem Thema.
Zunächst kurz der Blick zurück: Mitte Oktober konnten die TV-FFS-Tarifverhandlungen abgeschlossen werden. Wie zufrieden sind Sie mit dem Resultat?
Katharina Abt: Wir sind sehr zufrieden, es sind wirklich richtig tolle Sachen dabei herausgekommen: Etwa, dass E-Castings endlich vernünftig geregelt sind oder dass sich die Einstiegsgage nach langer Zeit und mehreren Nullrunden endlich erhöht hat. Aber am wichtigsten finde ich – neben der noch zu verhandelnden Frage der KI – dass die betriebliche Altersvorsorge über die Pensionskasse Rundfunk künftig nicht mehr nur bei Produktionen für öffentlich- rechtliche Sender, sondern auch bei solchen für private Sender, Streamingdienste und für Kinoproduktionen greifen wird.
Heinrich Schafmeister: Sagen wir es glasklar: Altersarmut ist in unserem Metier leider eher die Regel als die Ausnahme. Es wird auch immer so bleiben, dass unsere Tätigkeit eine unstetige ist, mit den entsprechenden Nachteilen bei der Versicherung und Absicherung. Ich selbst bin ja nun im Rentenalter – und während ich mich stets nach Kräften um Absicherung bemüht habe, führt kein Weg daran vorbei, dass die Pensionskasse Rundfunk in unserem Metier das eigentliche Standbein ist. Aktuell müssen wir noch auf ein Signal des Bundessozialministeriums warten, ob man dort den gemeinsam mit der Produktionsallianz erarbeiteten Vorschlag aufnimmt. Aber wenn das künftig bei allen Drehs obligatorisch und vor allem auch noch allgemeinverbindlich wird: Dann ist das der größte Erfolg, den ich in 18 Jahren Verbandsarbeit beim BFFS (dieser wurde 2006 gegründet, Anm.d.Red.) erlebt habe. Mit großem Abstand.
Katharina Abt: Ich sitze ja nun erst seit zwei Jahren im Vorstand des BFFS – aber umso interessanter und aufregender war es, zu sehen, was sich innerhalb eines Jahres bewegen kann, wenn man wirklich auf Augenhöhe miteinander spricht. Dass das möglich ist, freut mich unabhängig vom tollen Ergebnis sehr.
Heinrich Schafmeister: Produzenten haben naturgemäß andere Interessen. Aber letztendlich geht es darum, in einer gemeinsamen Branche zu arbeiten. Dafür, dass wir in diesen Zeiten einen Konsens erreicht haben, können wir uns gegenseitig auf die Schultern klopfen. Denn um uns herum spielt sich ein Drama ab. Eine Tragödie. Nicht zuletzt jene, dass man auf dem besten Weg ist, die Öffentlich-Rechtlichen abzutakeln.
Katharina Abt: Umso wichtiger ist, dass eine entschiedene Förderreform kommt, die dafür sorgt, dass in Deutschland wieder mehr gedreht wird.
Dass die Verhandlungen über den Einsatz generativer KI separat fortgeführt würden, war schon vor geraumer Zeit angekündigt worden und ist nun auch Teil der Einigung aus dem Oktober. Die Tarifpartner BFFS, ver.di und Produktionsallianz nahmen an dieser Stelle eine echte Vorreiterrolle ein?
Katharina Abt: Richtig, der BFFS und ver.di waren die ersten Gewerkschaften in Deutschland überhaupt, die schon im vergangenen Herbst 2023 entsprechende Verhandlungen aufgenommen haben, seit Mai hat ver.di nun auch Verhandlungen im journalistischen Bereich laufen.
Heinrich Schafmeister: Nicht, dass wir es uns nicht gerne auf die Fahnen schreiben würden, als Gewerkschaft Pionierleistungen zu vollbringen. Aber ehrlich gesagt verstehe ich gar nicht, wieso generative KI nicht schon längst auf viel breiterer Ebene zum Gegenstand von Tarifverhandlungen wurde. Denn es gibt im Grunde keine Branche, die davon nicht betroffen ist. Keine Branche, die durch diese Technologie keine enormen Veränderungen erleben wird.
Katharina Abt: In diesem Zusammenhang hat mich erst kürzlich wieder ein Artikel der SZ aufgeschreckt: Über eine Software, die es Verlagen künftig per KI ermöglichen soll, Bestseller vorherzusagen und sie so gezielt zu planen.
Zumindest im Filmbereich scheint das momentan ja noch nicht einmal im Ansatz zu funktionieren…
Katharina Abt: Das mag stimmen, aber ein Buch ist ja in der Herstellung ein eindimensionaleres Werk. Vielleicht ist es da einfacher, die Erfolgsparameter zu verarbeiten. So oder so, ich finde das schlimm. Das wäre ein Frontalangriff auf die Kreativität.
Inwieweit können die Verhandlungsergebnisse von SAG-AFTRA und WGA als Blaupause für einen Abschluss dienen – und inwieweit regeln diese „nur“, was von hierzulande geltenden Gesetzen bereits adressiert wird?
Heinrich Schafmeister: Zunächst einmal würde ich festhalten, dass der Prozess hierzulande – trotz ebenfalls erheblicher Interessensunterschiede – längst nicht so konfrontativ abläuft wie in den USA. Was mehrere Gründe hat: Zum einen musste in den USA auch um Dinge gerungen werden, für die hierzulande bereits ein grundsätzlicher Schutz durch das europäische bzw. deutsche Urheber- und Persönlichkeitsrecht besteht. Bei uns kann beispielsweise nur ein natürlicher Mensch Urheber sein. Sollte also jemand auf die Idee kommen, ein komplettes Drehbuch nur zu prompten, dann könnte mit diesem Stoff jeder nach Gusto verfahren. Zudem war die Konstellation in den USA eine völlig andere. Dort wurde quasi mit Produktionsunternehmen und Verwertern in Personalunion verhandelt – und die Verwerter wollten es darauf ankommen lassen, ergo kam es zum Streik. Wir verhandeln zwar ebenfalls mit beiden Seiten, aber getrennt. In den Tarifverhandlungen sitzen uns die Produzentinnen und Produzenten gegenüber – und das auch jetzt wieder auf Augenhöhe. Dass sich diese Verhandlungen so lange hinziehen, ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass es sich um eine echte Fleißarbeit handelt, in deren Rahmen wir uns Stück für Stück durch einen immens breiten Regelungsraum ackern. Ich sehe uns da eigentlich auf einem guten Weg. Auch weil wir trotz der unterschiedlichen Ausgangslage auch von den Verhandlungen in den USA lernen konnten, vor allem von dem praktischen Ansatz, der dort gewählt wurde. Zunächst geht es um die Definition der konkret zu regelnden Anwendung, dann um die Fragen der Transparenz, der Einwilligung und letztlich der Vergütung. Das jeweils durchzudeklinieren, wird auch hierzulande der Weg sein.
Angestrebt ist ausdrücklich ein Vertrag mit „kurzer Laufzeit“. Das dürfte der Unvorhersehbarkeit künftiger Entwicklungen geschuldet sein?
Katharina Abt: Man kann entweder Optimist oder Pessimist sein, ich bin leider eher letzteres. Es ist schließlich heute schon möglich, Komparsen im Hintergrund ohne großen Aufwand, mit nur ein paar Klicks, nahezu täuschend echt mit KI-Avataren zu ersetzen. Wie geht die Entwicklung weiter? Ich denke, dass sie sich beschleunigt, exponentiell sogar. Deshalb müssen wir ständig in Bewegung und im Austausch bleiben, auf neue Bedingungen auch tarifvertraglich reagieren können. Das geht nur bei einer ausgesprochen kurzen Laufzeit.
Heinrich Schafmeister: Das ist auch kein Streitpunkt in den Gesprächen mit der Produktionsallianz. Es geht jetzt darum, den Regelungsprozess zu starten und sich dann kontinuierlich vorwärts zu bewegen. Aber nur kurz zu den Komparsen: Das ist schon noch eine ganz andere Ebene als die Schauspielerei. Mit „Actor“ sind wir ja im Grunde falsch benannt, „Re-Actor“ wäre deutlich passender. Die Kunst besteht ja nicht nur im Agieren, sondern vielmehr im Reagieren, in der Interaktion. Darin, innerhalb der Reaktionskette einer Szene den sprichwörtlichen Ball nicht fallen zu lassen. Das ist ein gänzlich anderer Anspruch als an Komparsen. Aber machen wir uns nichts vor: Denkbar ist alles.
Die angesprochene Platzierung von Komparsen hatte Sven Bliedung von der Heide als Direktor von Volucap unter anderem bei einer Berlinale-Veranstaltung des BFFS Anfang des Jahres demonstriert – und dabei dafür geworben, das „Training“ von Avataren als neues Geschäftsmodell für Schauspieler zu betrachten…
Katharina Abt: …um sich danach im Sessel zurückzulehnen und ein wenig Geld dafür zu bekommen, dass künftig ein mit unseren Daten gefütterter Algorithmus den Job macht? Nein, danke!
Heinrich Schafmeister: Wir sind natürlich dankbar für seine Teilnahme an der Veranstaltung und den interessanten Einblick. Aber es geht uns nicht darum, andere Betätigungsfelder zu finden. Ansonsten könnte ich generell etwas anderes machen, mit Aktien handeln vielleicht. Ich bin nicht auf die Schauspielschule gegangen, um mein Abbild als Marionette zur Verfügung zu stellen. Das Schauspiel, also den Beruf den wir lieben, nämlich Rollen zu gestalten, wollen wir uns nicht nehmen lassen.
Wo liegen die Knackpunkte, wenn es nun um diesen ersten „Pilotabschluss“ geht?
Heinrich Schafmeister: Es ist eine Gratwanderung. Es geht absolut nicht darum, über einen völligen Ausschluss von KI-Anwendungen zu sprechen. Schließlich können wir unsere Auftraggeber nicht von einer Entwicklung abkoppeln, die schlicht und ergreifend stattfindet. Wir müssen ihnen Möglichkeiten eröffnen, auch damit sie konkurrenzfähig bleiben.
Katharina Abt: Die hiesigen Produzentinnen und Produzenten dürfen nicht abgehängt werden, sie müssen mit der Zeit gehen können. Es ist auch keineswegs so, dass wir in neuen Technologien nur Nachteile sehen würden, im Gegenteil. Wir sehen durchaus das Potenzial, dass Kreativität gefördert wird. Wenn man sieht, was mit virtuellen Produktionstechniken möglich ist, dann ist das schon eindrucksvoll – ich denke da zum Beispiel an „1899“.
Heinrich Schafmeister: Reichweite und Grenzen einer Einwilligung sind ein absolutes Kernthema. Dass bestimmte Dinge, die explizite Einwilligung erfordern, ist völlig klar und in den Verhandlungen auch unstrittig. Knackpunkt ist für uns: Diese Einwilligung darf keinesfalls erzwingbar sein. Es darf nicht die Situation eintreten, dass man eine Rolle nur dann bekommt, wenn man Klauseln unterschreibt, die nicht nur die Erlaubnis zur Erstellung eines digitalen Replikats umfassen, sondern auch jene der weiteren Verwendung dieser Replikate in anderen Produktionen. Natürlich können bestimmte Dinge für ein konkretes Projekt vereinbart werden – aber es darf definitiv kein Zwang entstehen.
Katharina Abt: Ich kann es durchaus verstehen, wenn Produktionsunternehmen davor zurückschrecken, für jede noch so kleine kosmetische Änderung, die bislang wie selbstverständlich durchgeführt wurde, bei den Schauspielenden eine eigene Einwilligung einfordern zu müssen. Aber genau das ist das Problem, dass die Sache so komplex macht: Wir sprechen von zahllosen unterschiedlichen Szenarien und Einzelfällen, die geklärt werden müssen.
Heinrich Schafmeister: Wir sprechen mit Blick auf das Schauspiel über eine Bandbreite an Anwendungsmöglichkeiten, die sich in „Digitale Veränderung“, „Digitale Teilverkörperung“, „Digitale Repliken“ und „Digitale Vermischung“ einteilen lässt. Nur als Beispiel: Einer Stuntfrau bei einem gewagten Sprung vom Dach anschließend digital das Konterfei von Katharina zu verpassen, damit die Szene glaubwürdiger aussieht – das wäre ein Fall der „Digitalen Teilverkörperung“ – klingt ja wie eine vernünftige Sache. Aber wo kippt das? Was ist zum Beispiel, wenn Produzenten, um Drehtagsgagen und Reisekosten zu sparen, für vermeintlich einfache Szenen eine Komparsin mit dem Konterfei von Katharina ausstatten und diese Komparsin statt Katharina einsetzen? Es sind einfach irre viele Möglichkeiten, die adressiert werden wollen – und wir werden im ersten Schritt sicherlich noch nicht an alle denken können. Deswegen auch die kurze Laufzeit. Aber es ist, um das noch einmal zu betonen, hauptsächlich Fleißarbeit. Grundsätzliche, unüberwindbare Konflikte sehe ich in den Verhandlungen nicht.
Computergenerierte Abbilder echter Schauspieler waren auf der großen Leinwand schon lange zu sehen, bevor das Thema KI innerhalb der Filmbranche in dieser Form virulent wurde. Ein Paradebeispiel der jüngeren Vergangenheit ist „Rogue One: A Star Wars Story“ aus dem Jahr 2016, dessen „Wiederbelebung“ von Peter Cushing jetzt zu einem Rechtsstreit in Großbritannien führte. Können Sie sagen, welche Entwicklung jene Zäsur darstellte, die KI mit an die Spitze Ihrer Agenda rücken ließ?
Heinrich Schafmeister: Natürlich kann man sagen, dass ChatGPT eine Zäsur darstellte, gerade auch für die öffentliche Wahrnehmung und Diskussion. Der eigentliche Anstoß für uns als BFFS, das Thema auch mit Blick auf Tarifverhandlungen auf die Tagesordnung zu holen, kam aber von den Kolleginnen und Kollegen, die auch stark im Synchronbereich tätig sind – und das schon vor den Streiks in den USA. Denn im Synchronbereich bewegt man sich nicht mehr vor der herannahenden Welle, sondern man steckt längst mittendrin. Schon damals gab es – auch in Deutschland – prominente Anwendungsfälle, in denen Stimmen per KI eingesprochen wurden, auch von bekannten Schauspielern, bei denen entweder sie selbst oder ihre Erben die entsprechenden Rechte eingeräumt hatten.
Katharina Abt: Wenn man sich dazu noch vorstellt, dass KI in der Lage ist, die Mimik so zu verändern, dass auch bei Synchronfassung Lippensynchronität gegeben ist, dann kann man sich ausmalen wo die Entwicklung hingeht.
Heinrich Schafmeister: Das ist schon spooky, es ist kein Wunder, dass aus dem Synchronbereich massiv Alarm geschlagen wird. Auch da versuchen wir etwas im Verhandlungsweg zu erreichen.
Was ist Ihre größte Sorge, wenn es um den Einsatz von KI in der Filmproduktion geht?
Heinrich Schafmeister: Uns geht es darum, dass trotz des Einsatzes von KI die Menge der Schauspielarbeit, die Qualität der Schauspielarbeit und die Vergütung dieser Arbeit bewahrt wird. An allen drei Ecken kann es brennen, diese Punkte gilt es zu schützen. Was absolut nicht und auf gar keinen Fall geschehen darf, ist, dass uns KI-Avatare die Rollen wegspielen.
Wäre das denn – unabhängig von rechtlichen Fragestellungen – eine realistische Perpsektive für den Massenmarkt? Der komplette Verzicht auf menschliches Schauspiel?
Katharina Abt: Macht es einen Unterschied, ob Schauspielerinnen und Schauspieler real existieren? Wollen die Menschen Starts aus Fleisch und Blut? Ich weiß es schlicht nicht – aber es gibt durchaus schon Beispiele, die zeigen, dass auch KI-generierte Avatare als „Influencer“ funktionieren können. Das Problem des „Uncanny Valley“ wird es perspektivisch vermutlich nicht mehr geben. Zum einen, weil die Technik immer ausgefeilter wird, zum anderen, weil die junge Generation schon so an digitale Wesen gewöhnt ist, dass die Unterschiede nicht mehr ins Auge fallen. Letztendlich ist es aber ein Blick in die Glaskugel.
Heinrich Schafmeister: So schnell geht die Welt nicht unter, denke ich – und man kann es am Ende ja nicht losgelöst von rechtlichen Fragen betrachten. Wie schon gesagt: Ein Film, der nur über Prompts entsteht, hätte keinerlei rechtlichen Schutz. Aber wollte man ein Szenario dennoch gedanklich bis zum bitteren Ende durchspinnen, dann käme man zur Erkenntnis, dass es dann auch keine Produktionsunternehmen mehr bräuchte. Von daher sitzen wir mit unseren Partnern absolut in einem Boot.
Während BFFS, ver.di und Produktionsallianz auf arbeitsrechtlicher Ebene verhandeln, werden grundsätzliche Fragen zum Urheber- und Persönlichkeitsschutz – gerade auch was jene des KI-Trainings anbelangt – auf nationaler bzw. europäischer Ebene zu klären sein. Inwieweit kann der BFFS an dieser Stelle Einfluss nehmen?
Heinrich Schafmeister: Wir setzen auf eine Doppelstrategie. Auf der einen Seite verhandeln wir als Gewerkschaft direkt mit unseren Partnern, auf der anderen Seite engagieren wir uns nicht zuletzt in der Initiative Urheberrecht, die als starker Dachverband auf nationaler wie europäischer Ebene wertvolle Arbeit leistet – und ihren Teil dazu beitrug, dass es zumindest schon einmal den AI Act gibt. Mitte September haben wir den EU-Parlamentsabgeordneten Axel Voss von der CDU mit dem Ehrenpreis für Inspiration beim Deutschen Schauspielpreis gewürdigt, weil er ein wichtiger Verbündeter im Ringen um diesen AI Act war. Voss war auch Gastgeber einer Veranstaltung im Europäischen Parlament, in deren Rahmen ein von der Initiative Urheberrecht beauftragtes, wegweisendes Gutachten zum KI-Training vorgestellt wurde, das international für Aufsehen gesorgt hat. Weil es zu einem klaren Schluss kommt: Das Training generativer KI-Modelle ist kein Fall von Text- und Data-Mining, sondern es handelt sich um eine Urheberrechtsverletzung. Wie damit umgehen? Kompensation über eine Verwertungsgesellschaft? Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt… Das ist aber nun primär eine juristische Frage, die wir nicht zuletzt innerhalb der Initiative Urheberrecht gemeinsam mit vielen Anderen behandeln wollen.
Denken Sie, dass es im Verhandlungsweg gelingen kann, Ängste der Kreativen vor dem KI-Einsatz zu zerstreuen?
Katharina Abt: Ich hoffe schon, dass wir Ängste nehmen können. Wir verfügen zwar nicht über die sprichwörtliche Glaskugel, aber wir bewegen uns in sehr konstruktiven Gesprächen und gehen gemeinsam mit den Produzenten all das durch, was sich aus dem von Heinrich so bestechend eingängig dargestellten Modell ableiten lässt. Das ist mühsam, aber anders geht es nicht – und wir kommen voran.
Heinrich Schafmeister: Angst ist sicherlich grundsätzlich berechtigt. Aber das darf uns selbstverständlich nicht in Schockstarre verfallen lassen, sondern muss umso mehr Antrieb sein, zu handeln, zu verhandeln. Nur so lassen sich Ängste adressieren und abbauen. Wir sind zuversichtlich, dass das gelingt – eine andere Chance haben wir auch gar nicht.
Das Gespräch führte Marc Mensch