Mit viel norddeutschem Humor hat Detlev Buck die Spots für die Neuauflage der bundesweiten Kinokampagne inszeniert. Mit SPOT sprach er über diesen Service für einen besonderen Ort – und weshalb ihm beim Thema Kinofilm derzeit trotzdem das Lachen vergeht.
Ende Juni wurde sie im Zoo Palast in Berlin vorgestellt: Die Neuauflage der bundesweiten Kinokampagne unter dem Motto „Kino. Fühlst Du.“. Diesmal vor allem mit den älteren Zielgruppen im Blick und im Kern (wenn auch nicht ausschließlich) um zwei zentrale Spots herum gestaltet, die von Detlev Buck inszeniert wurden – und die den Slogan „Lass mal lieber ins Kino gehen!“ in zwei kurze Rahmenhandlungen mit viel norddeutschem Humor packen. Einen ausführlichen Blick auf die Kampagne finden Sie hier, SPOT sprach zudem mit Buck selbst: Über die Arbeit an der Kampagne, über die Situation der Kinos – und über die schwierigen Rahmenbedingungen für den deutschen Film.
„Kino. Fühlst Du.“ ist die Kampagne überschrieben, für die Sie die beiden Spots inszeniert haben. Welches Gefühl verbinden Sie selbst mit dem Kino?
Detlev Buck: Was man fühlt, hängt erst einmal immer vom Film ab, den man da sieht. Aber im Idealfall geht man nach diesem Film ja nicht einfach auseinander. Wenn es eine schöne Location ist, dann spricht man im Anschluss noch bei einem Glas Bier über das Gesehene, man tauscht sich aus, kommt sich vielleicht auch näher. Kino ist nicht der Ort, wo du nur zum bingewatchen hingehst, wohin du dich flüchtest, um dich wegzubeamen. Es ist ein Kommunikationsort. Vor allem ist es ein Gemeinschaftsort. In einem alten Buch für Cutter habe ich gelesen, dass Kinoerlebnis ist, wenn Menschen zugleich mit den Augen blinzeln, weil sie gleichzeitig im Schnittrhythmus mitgehen. Das ist schon faszinierend, wenn man darüber nachdenkt… In unserer heutigen Zeit, die sich immer mehr beschleunigt, in der das Bild eine inflationäre Entwicklung erlebt, ist das Kino der Ort, wo man hingeht, um etwas wirklich voll zu genießen – und nicht nur wegzusnacken.
Was zeichnet ein Kino für Sie in besonderem Maße aus?
Detlev Buck: Das hat viel mit der Führung des Hauses zu tun. Dass man nicht nur abspielt, was Woche für Woche von den Studios serviert wird, sondern dass man auch echte Programme zusammenstellt, Themen setzt, vielleicht auch Filme zeigt, die lange nicht mehr zu sehen waren. Es sollte nicht nur darum gehen, auf den nächsten „Bad Boys“ zu warten, auf die nächste Kiste, von der man sich sagt, dass sie ein Erfolg wird. Das macht eh die ganze Branche. Wirklich gute Häuser haben einen eigenen Stempel, da geht man hin, weil man sich wohlfühlt.
„Kino hat auch für die Schauspieler immer noch eine höhere Bedeutung als Streamingportale“
Detlev Buck
Welche Häuser haben Sie denn für die Dreharbeiten genutzt?
Detlev Buck: Das hatte mit den Sitzen zu tun, diesen Luxusliegen – das war im UCI. Das andere war ein kleines Kino von DCM. Wir wollten ursprünglich ins Delphi oder in die Astor, aber das hat logistisch nicht geklappt. Ich selbst gehe ja gern ins Delphi Lux, da fühl ich mich wohl, da wird auch viel OV gespielt. Man spielt ja mittlerweile generell häufiger im Original; ich weiß nicht, ob das durch das Streaming kommt, dass die Leute das immer stärker wahrnehmen. Ich find’s toll, weil man da wirklich besser mitbekommt, wie ein Film soundmäßig gedacht war.
Wie kam es denn zur Zusammenarbeit mit dem HDF?
Detlev Buck: Das war beinahe schon zufällig. Ich kenne Christine Berg sehr gut, sie kam auf mich zu. Ihr Verband hatte ja schon vor ein paar Jahren Spots gemacht, jetzt wollten sie Filme mit bekannten Gesichtern wie Heike und Kostja – und Christine meinte, ich könne doch die Verbindung herstellen. Ich habe ja mit beiden schon gearbeitet, kenne sie gut, schätze sie sehr. Ich hab‘ sie dann angerufen und Kostja meinte zuerst „Oh nein, Werbung!“. Aber ich hab‘ ihm gesagt, dass er das nicht als Werbung betrachten soll, sondern als Service für das Kino. Und Kino hat auch für die Schauspieler immer noch eine höhere Bedeutung als Streamingportale oder das lineare Fernsehen. Das ist einfach ‘ne andere Ebene. Leider ist es unglaublich schwer geworden, für’s Kino zu produzieren. Meine Assistentin hatte bei ihrem ersten Projekt für Amazon so viel mehr Geld als Charlie Hübner für seinen ersten Kinofilm… Kinofilmfinanzierung ist brutal schwierig. Und es heißt zwar, dass man beim Publikum wieder auf dem Weg zurück ist, aber so ganz hat sich das Kino einfach noch nicht erholt, das muss man deutlich sagen. Es ist genauso wie beim Einzelhandel, der immer noch Schwierigkeiten mit den Lieferdiensten hat. Der Mensch hat sich durch die Pandemie etwas anders entwickelt, ist träger geworden, bewegt sich weniger. Dadurch geht etwas verloren. In diesen „Morgen ist auch noch ein Tag“ sind sieben Millionen Italienerinnen und Italiener gelatscht, bei uns waren es gut 200.000 Besuche, da dachte ich schon, das könnte doch ein wenig mehr sein. Denn authentische Geschichten kommen im Kino schon wieder an. Ich denke, das ist auch ein Schlüssel: authentische Geschichten, die berühren. Kino als Ort der Rückbesinnung zu sehen – der Gedanke gefällt mir.
Die Spots sollen sich vor allem auch an die älteren Zielgruppen richten. Was glauben Sie denn, weshalb sich gerade diese mit einer Rückkehr vor die Leinwand schwerer tun?
Detlev Buck: Naja, die Jugend hat schon eine viel schnellere Wahrnehmung. Und heute wissen wir doch schon am Donnerstag, ob wir einen Film als Hit oder als Flop sehen. Filme haben kaum noch Zeit, Sleeper zu werden. Die ältere Generation ist medial halt nicht so schnell unterwegs. Bis sie einen Titel auf den Schirm bekommt, ist der teilweise schon raus aus den Kinos. Deswegen finde ich auch die Orte so toll, wo man sagt „Wir halten den Film!“, die da die Hektik rausnehmen. Die Menschen zu erreichen, die nicht alles gleich mitbekommen, ist auch in der Kommunikation nicht ganz einfach. Und die Bereitschaft, sich zu bewegen, spielt eben auch eine große Rolle.
Wie frei waren Sie denn in der Gestaltung der Spots?
Detlev Buck: Es sollte auf alle Fälle schon Kinooptik sein. Lustigerweise hatte ich schon vor Jahrzehnten Martin Ruhe kennengelernt, der als Kameramann auch hunderte Werbefilme gedreht hat. Der ist über Projekte wie „Control“ und „The American“ mit George Clooney zusammengekommen und hat mit ihm mittlerweile ein halbes Dutzend Projekte gemacht. Ich dachte, der würde gar nicht mehr nach Deutschland kommen. Aber ein Freund sagte, dass er ihn kennt und dass er ganz in der Nähe wohnt – also haben wir uns verabredet und er kam vorbei. Dass war schon schön, dass man sich wiedergesehen hat und zusammenarbeiten konnte. Den Ball müsste man wieder öfter aufnehmen. Das hab‘ ich früher oft gemacht, dass ich für Werbespots mit ganz besonderen Kameraleuten zusammengearbeitet habe, die da einen ganz besonderen Touch reinbringen, die nicht nur „Zack und aus!“ machen. Das sind vielleicht Nuancen, die nicht jeder sofort sieht. Aber das macht es besonders.
„In Deutschland haben wir eh zu wenig Stars“
Detlev Buck
Bei der Öffnung der Bierflasche, die den Dartwurf fehlleitet, musste ich unwillkürlich an Ihren vielleicht bekanntesten Spot denken. War das ein bewusstes Zitat?
Detlev Buck: Nein, gar nicht, da hab‘ ich überhaupt nicht dran gedacht. Ich wollte sogar noch frecher sein und mit einem Furzen arbeiten. Der Deutsche liebt ja solchen Humor. Aber das war mit Christine nicht zu machen… Das sind aber tatsächlich kleine Spielhandlungen, die wir da in den jeweils 30 Sekunden umgesetzt haben. Das fehlt mir heute oft, meist geht es nur noch um die Präsentation eines Produktes. Das hab‘ ich schon mal bei einer Effie-Verleihung gesagt, dass die Agenturen besser darauf achten sollten, sich nicht selbst abzuschaffen. Wenn man alles nur noch Influencern überlässt, die irgendwas in die Kamera halten und dazu „Ey, wie geil!“ nuscheln – was leider wahnsinnig zugenommen hat: Dann ist das doch ‘ne Verarmung, da ist doch keine Idee mehr dahinter, für die man eine Agentur braucht. Ich war früher ein Riesenfan von Viva und MTV, wo die Musikvideos noch richtig innovative Geschichten erzählt haben. Damals hat auch die Werbung Geschichten geliebt, die das Produkt wirklich nähergebracht haben. Heute sind zum Beispiel Spots für Autos so gleichgeschaltet, dass man gar nicht mehr weiß, für welche Marke da geworben wird, weil die Gefährte eh alle gleich aussehen.
Sind Spielfilmregisseure denn die besseren Werbefilmer?
Detlev Buck: Nein, das kann man nicht sagen. Erst recht nicht, wenn man bedenkt, dass Jonathan Glazer (Regisseur von „The Zone of Interest“, Anm.d.Red.) ursprünglich aus der Werbung kommt. Regisseure entwickeln sich ganz unterschiedlich – ich finde tatsächlich die Querverbindung extrem spannend. Am Ende hat es etwas damit zu tun, wofür man ein Händchen hat. Manche sind zu detailverliebt und kommen dann nicht auf den Nenner, Manche wandern hin und her. Ich denke tatsächlich, dass das wie ein Muskel ist, den man bewegen muss, weil er sonst einschläft.
Mit Heike Makatsch und Kostja Ullmann hatten Sie, wie schon erwähnt, bereits in der Vergangenheit gearbeitet – wie überhaupt mit einem Who is Who der hiesigen Schauspielszene. Aber mit wem würden Sie denn gerne noch arbeiten?
Detlev Buck: Das habe ich mir erst neulich überlegt, als Anouk Aimée gestorben ist. Ich habe mir nochmal „Ein Mann und eine Frau“ angesehen und gegrübelt, wer heute noch einen Ausdruck wie sie hat. Ein Gesicht, das man einfach filmt, ein anderes gegenschneidet – und sagt: „Wow! Da entsteht eine Spannung“. Ich hatte ja schon oft Menschen zu Beginn ihrer Karriere vor der Kamera, sei es Heike oder David Kross oder auch Alli Neumann. Leute zu entdecken und groß zu machen – die Aufgabe habe ich mir immer wieder gestellt. Das interessiert mich weiterhin, auf die Reise will ich mich nochmal machen. Weil es nötig ist. Nicht nur bei uns. Wenn wir nach Hollywood schauen: Wer sind denn die Stars, über die jeder redet? Die beiden von „Dune“ – und ansonsten Leonardo DiCaprio und Brad Pitt. Der eine ist 50, der andere 60. In Deutschland haben wir eh zu wenig Stars. Das ist aber auch wie ein größeres Dorf hier, was das Filmbusiness betrifft. Dieses Dorf muss man ab und zu verlassen und ich arbeite ja sowieso gerne international – die Möglichkeiten sind einfach andere, die Aufmerksamkeit ist größer.
„Das Kino ist in diesen Kampf zwischen Mediatheken und den großen Plattformen hineingeraten, keiner kümmert sich mehr darum.“
Detlev Buck
Wann darf man sich denn im Kino mal wieder mit einem Film von Herrn Buck lockermachen?
Detlev Buck: Das fragt sich der Buck selbst. Ich war kürzlich bei Fatih Akin beim Dreh von „Amrum“ und ich hab‘ auch einen historischen Stoff in Planung – über die Auschwitz-Überlende Philomena Franz. Eine wirklich faszinierende Persönlichkeit, über die ich auch schon eine Dokumentation gedreht habe. Eine Frau mit unerschütterlichem Lebensmut und großartigem Humor. Zur Feier ihres 100. Geburtstages hielt sie das Reservierungsschild für ihren Platz hoch, lachte und meinte, das hätten die Nazis wohl nicht gedacht, dass sie so etwas einmal bekommen würde! Man konnte ihr das Drehbuch sogar noch vorlesen – und sie meinte „Dann geht die Reise also weiter!“ Leider ist sie dann verstorben, aber umso mehr ist es für mich Verpflichtung, ihre Geschichte zu erzählen. Mir schwebt eine große deutsch-polnische Koproduktion vor – aber als ich beim ZDF vorstellig wurde, sagte man mir, dass ihr Koproduktionsetat bei 3,9 Mio. Euro liegt. Also für sämtliche Projekte, nicht für eines. Gut, dann mussten wir an der Stelle leider nicht mehr weiterreden. Aber es geht ja nicht nur um die großen Projekte: Ich habe auch kleinere Filme, die unendlich schwierig sind. Das stimmt etwas im Finanzierungssystem hinten und vorne nicht. Man schafft und ackert, und bekommt dann immer mal wieder etwas hin, aber es wird immer noch härter, etwas aufzusetzen, von dem man dann auch sagen kann, dass es Relevanz im Kino hätte. Von daher hätte ich die Frage liebend gerne mit einem „Hier kommt mein nächster Film!“ beantwortet. Aber gut, solange die Antwort noch interessiert, ist ja noch nichts verloren.
Verbinden Sie Hoffnungen mit der geplanten Reform?
Detlev Buck: Jaja, jetzt wird alles besser, es wird unkomplizierter, an das Geld zu kommen… Oder? Das Problem ist doch, dass nichts in Kinofilme investiert wird. Das spricht doch Bände, wenn das ZDF nur 3,9 Mio. hat! Das gibt es so in Frankreich nicht, da werden die Sender in die Verpflichtung genommen, etwas für die Filmkultur zu tun. Hierzulande haben die Sender Angst vor den Streamern, setzen alles auf ihre Mediatheken. Und vergessen darüber den Film. Das Kino ist in diesen Kampf zwischen Mediatheken und den großen Plattformen hineingeraten, keiner kümmert sich mehr darum. Vielleicht muss man wirklich zusehen, dass Sender Filme früher ausstrahlen können, dass Sperrfristen für sie kürzer werden. Denn ohne Sender bekommt man kaum etwas finanziert. Die FFA ist toll, aber da kommst Du ohne Sender ja gar nicht hin, das ist ja quasi immer eine Abschlussförderung. Dann brauchts du auch Länderförderer – aber wenn du irgendwas in der Mongolei drehst, dann wirst du kein Geld aus Berlin dafür bekommen. Generell fehlt mir auch thematisch die Aufbruchstimmung.
Inwiefern?
Detlev Buck: Ein Problem ist, dass die Menschen nicht mehr neugierig sind, dass sie am liebsten gucken, was sie kennen, was sich wiederholt. Aber das ermüdet sich doch. Die Inflationierung der Marvel-Helden bringt doch auch nichts mehr voran. Wir müssen wieder Neugier wecken – und das geht doch auch! Jonathan Glazer hat mit „Zhe Zone of Interest“ wirklich etwas gewagt, hat auch gespalten. Aber so ein Film geht nicht von Deutschland heraus. Wenn ich angekommen wäre und gesagt hätte, dass ich einen Film über Höß aus Sicht der Familie machen will… Das hätte mir doch niemand gefördert. Im Leben nicht! Nein, sowas geht nur über das Ausland. Nicht Deutschland. Never ever! Aber gut. Das ist ein komplexes Thema. Ich bin jetzt auch nicht per se derjenige, der weiß, wie’s geht. Aber so geht’s jedenfalls nicht weiter!
Dann erst mal lieber ins Kino?
Detlev Buck: Jawoll.
Marc Mensch