Am heutigen Montag startet das neue Serienfestival Seriesly Berlin. Lead Consultant Dennis Ruh aus dem Leitungsteam spricht über die Highlights des ersten Jahrgangs und die Philosophie, nicht einfach nur ein weiteres Festival im Kalender zu sein, sondern echten Mehrwert zu bieten.
Wir befinden uns gerade in bewegten Zeiten, was die weltweite Serienproduktion angeht. Was gab den Impuls zu sagen, dass Sie mit Seriesly 2024 durchstarten wollen?
Dennis Ruh: Der Zeitpunkt scheint auf den ersten Blick ungewöhnlich, da die Zeiten für die Serienbranche durchaus als bewegt zu werten sind. Doch braucht es gerade jetzt die Plattform, um den Umbruch für die Kreativen, Produzent*innen und Auswerter*innen zu begleiten, Wissen und Best Practices zu vermitteln, Wege aufzuzeigen, im offenen Austausch zu bleiben. Wir beobachten, dass im Zuge der allgemeinen Konsolidierung das Interesse von Plattformen und Sendern an Stoffen, die leichter zu refinanzieren sind bzw. geringere Herstellungskosten haben, steigt. Daher ist zum einen IP ein Fokusbereich, als auch die Nutzung und Beherrschung neuer digitaler Produktionsformen wie Virtual Production oder die Nutzung von KI-Tools, um den genrespezifischen Production Value zu generieren.
Sie, Herr Ruh, sind Lead Consultant und Teil des Leitungs- und Programmteams von Seriesly Berlin.
Dennis Ruh: Ja, das Festival haben Eike Faecks und Bastian Asdonk aus der Taufe gehoben und mit ihrem Konzept erfolgreich Fördermitteln eingeworben sowie den Förderpreis im Wettbewerb „Innovative Veranstaltungsformate“ des Projekt Zukunft der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft gewonnen. Ich selbst kam dann im Juni dazu, zusammen mit Matija Dragojevic, mit dem ich in den vergangenen Jahren schon vertrauensvoll bei der Realisation von Festival- und Marktveranstaltungen gearbeitet habe und dessen Serienexpertise, Kreativität und Wagemut ich sehr schätze. Zusammen haben wir ein Team aufgebaut und das Konzept mit Leben und Inhalten gefüllt.
„Es soll Ort für das Community Building mutiger Player der Branche sein.“
Dennis Ruh über Seriesly Berlin
Welche größere Philosophie steckt hinter Ihrem Serienfestival? Und warum wurde der Ort Berlin dafür ausgewählt?
Dennis Ruh: Wir haben auf unseren Kanälen die provokante Frage gestellt: „Who the fuck needs another TV event?“. Das war sicherlich auch die Frage, die sich viele stellten, als Seriesly Berlin für den Herbst angekündigt wurde. Seriesly Berlin soll eben nicht einfach ein weiteres TV-Event im international dichten Terminkalender der Serienbranche sein. Es soll Ort für das Community Building mutiger Player der Branche, von den Kreativen über die Produzierenden bis zu den Beauftragenden, sein. Bei den Diskussionen kommen die brennenden Themen auf den Tisch und schwierige sowie kritische Fragestellungen werden bewusst zur Sprache gebracht. Der Stadt Berlin wird dabei als Zentrum von Kultur- und Kreativwirtschaft sowie Medienmetropole als Austragungsort eine besondere Bedeutung beigemessen, u.a. in der Auswahl der gepitchten Projekte sowie der Kreativkraft, die aus dieser kosmopolitischen, vielfältigen und einmaligen Stadt erwächst. Dabei soll der Name Seriesly nicht in die Irre führen. Wir haben ein Festival entwickelt, dass auch Spaß machen soll. Nicht nur eröffnen wir das Festival, moderiert von Gisa Flake, mit der ersten deutschen Vampir-Comedy „Der Upir“ mit Fahri Yardim und Rocko Schamoni sondern wir haben auch u.a. einen Stand-up Comedian als Konferenz-Host engagiert und werden in einem Workshop die Themen Mentale Gesundheit und Comedy zusammenführen. Darauf können die Teilnehmenden sicher gespannt sein. Sie werden ein solches Format noch nicht auf einer anderen Veranstaltung erlebt haben. Und das wird ihnen einen echten Mehrwert geben. Dabei ist uns der niedrigschwellige Zugang wichtig, weshalb wir auch dank der Förderungen ein kostengünstiges Konferenzticket anbieten. Wir wollen keine Eliteveranstaltung sein, sondern einen Ort des echten Austauschs und der Entdeckungen schaffen.
Inwiefern spielte bei der Entscheidung für Seriesly Berlin eine Rolle, dass bei der Berlinale im Serienbereich Einsparungen vorgenommen wurden?
Dennis Ruh: Die Einsparungen bei der Berlinale und der Launch von Seriesly Berlin kann nicht in einen unmittelbaren Zusammenhang gestellt werden. Die Formate sind auch zeitlich und konzeptionell nicht zu vergleichen. Aber natürlich ist durch den Wegfall der Seriensektion der Berlinale eine Lücke entstanden für die Premiere neuer Serienproduktionen mit Festivalcharakter am Standort Berlin. Gerade war bei den Filmfestspielen in Venedig zu beobachten, dass dort ein gegensätzlicher Weg begangen wurde. Das Festival hat eine Subsektion geschaffen und auf nur vier neue Serien, u.a. von Thomas Vinterberg, fokussiert und sie erfolgreich präsentiert. Dieses Spotlight auf serielle Formate als eigenständiges Kulturgut, dass neben dem Kino eine eigene Form und Berechtigung hat, wollen wir mit Seriesly Berlin auch setzen und Sichtbarkeit verschaffen.
Es ist interessant, dass Sie das Filmfestival Venedig als positives Beispiel erwähnen. In Ihr erstes Serienprogramm haben sie sechs internationale Premieren eingeladen. Im Vergleich zu anderen Serienfestivals ist das eine überschaubare Anzahl. Welche Strategie steckt dahinter?
Dennis Ruh: Wir haben uns schon sehr früh auf diese Anzahl an Serien für die Publikumspräsentation in der ersten Edition des Festivals entschieden. Unser Anspruch ist dabei, Premieren von Serien zu präsentieren, noch bevor diese in Deutschland bei den Streamern oder in Mediatheken abrufbar sind. Uns war auch klar, dass wir zu allen Premieren Gäste für das Gespräch mit dem Publikum einladen wollten. Denn genau das macht in unseren Augen den Festivalcharakter aus, nämlich dass das Publikum mit den Creators und dem Cast interagiert, über Serien diskutieren kann. Dies steht konträr zum reinen Binge-Watching, bei dem Gespräch und die Reflektion nicht möglich sind. Und das können wir mit dieser Anzahl an Serien in dieser Erstausgabe und unseren Kapazitäten in Berlin möglich machen.
„Über Jenji Kohans Zusage und die Offenheit für das Format haben wir uns besonders gefreut.“
Dennis Ruh über die Seriesly Conference
Ein elementarer Teil von Seriesly Berlin ist die Conference mit Panels, Masterclasses und Networking-Möglichkeiten für Branchenvertreter:innen. Welche Highlights stellen Sie im ersten Jahr in den Fokus?
Dennis Ruh: Ein besonderes Highlight ist die Masterclass mit Jenji Kohan, der Schöpferin der internationalen Erfolgsformate „Orange Is The New Black“ und „Weeds“. Die neunfach Emmy-nominierte Autorin, Produzentin und Regisseurin wird Drehbuchautor*innen erfolgreiche Pitching-Strategien näherbringen. Über ihre Zusage und die Offenheit für das Format haben wir uns besonders gefreut. Die bereits erwähnte Frage, wer noch ein weiteres TV-Event braucht, lässt mich zu einem Panel-Highlight kommen. Wir konnten hochrangige Vertreter*innen internationaler Festivals und Märkte wie Francesco Capurro vom Series Mania Forum, Gaia Tridente vom MIA Market Rom, Maša Marković vom Sarajevo Film Festival und Marge Liiske vom Black Nights Film Festival (Industry@Tallinn & Baltic Event) dafür gewinnen, über Innovation in der Konferenzprogrammierung, Themensetzung und Formatentwicklung zu diskutieren und wie sie der Falle der Wiederholung bereits durchgekauter Themen entgehen. Auch wird sicherlich Christoph Schneider, Country Director Deutschland und Österreich bei Prime Video aufschlussreiche Einblicke in die Streamer-Strategie geben. Persönlich bin ich außerdem auf das Panel gespannt, dass die Welten Games und Serien zusammenbringt und den Einfluss beider Formate auf das Storytelling untersucht. Die kurartierten Seriesly Pitches sind ein weiteres Must im Programm. Ganz frische Projekte, die größtenteils das erste Mal vor potenziellen Partnern, Produzent*innen sowie Vertreter*innen von Streamingdiensten und Sendern gepitcht werden, viele mit einem starken Bezug zu Berlin mit einer großen Bandbreite an Genres und viel kreativem Potential.
Wie ist das Festival finanziell aufgestellt? Ist die jetzt angestrebte Größe von Veranstaltungen im ersten Jahr perfekt und soll so bleiben oder würden Sie in den nächsten Jahren perspektivisch wachsen wollen?
Dennis Ruh: Durch die großzügige Förderung durch das Medienboard Berlin-Brandenburg und das Preisgeld des Projekt Zukunft der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft sowie die Unterstützung weiterer Partner*innen in Berlin haben wir ein solides Budget für den Launch aufstellen können. Wie bei jeder Kulturveranstaltung stoßen wir aber mit unseren Ambitionen und den zugetragenen Bedarfen aus der Branche an Limits, die wir gerade bis aufs Äußerste ausreizen. Eigentlich wollten wir die Erstausgabe noch etwas kleiner gestalten, fanden aber die gesetzten Schwerpunkte in der Programmentwicklung so relevant, dass die Konferenz mit Masterclasses, Panels und Pitches doch wesentlich größter geworden ist, als ursprünglich geplant. Da sind wir die ein oder andere extra Meile gegangen, was sich sicherlich mit Betrachtung des Programms gelohnt haben dürfte. Nach der Umsetzung werden wir dann in die nächste Entwicklungsrunde gehen, das Format überprüfen und die strategische Entwicklung vorantreiben. Der Zuspruch, den wir für Seriesly Berlin aus der Branche erfahren, ist jetzt schon groß und lässt uns nach vorne blicken.
Die Fragen stellte Michael Müller