Am 11. Dezember startet in der ZDF Mediathek der von Tower Productions produzierte Doku-Zweiteiler „Die Spur: Deepfake-Pornos“ von und mit Collien Ulmen-Fernandes. Wir haben mit der Schauspielerin, Autorin und Moderatorin darüber gesprochen, wie man sich einem so krassen Thema annähert – vor allem, wenn man selbst davon betroffen ist.
Sie sind in regelmäßigen Abständen mit Dokus und Social-Factual-Formaten beim ZDF bzw. ZDFneo vertreten. Mal ging es um Rollenbilder bei Kindern, mal um Helikopter-Eltern oder auch um KI in der Filmbranche. In Ihrer neuen Produktion geht es um ein für meine Vorstellungen sehr krassess Thema, nämlich Deepfake-Pornos. Wie kam es dazu?
Collien Ulmen-Fernandes: Mit dem Thema beschäftige ich mich schon länger. Es ist im weitesten Sinne ist es ja auch ein Thema aus dem feministischen Spektrum, in dem ich mich eh schon viele Jahre aufhalte. Diejenigen, die von Deepfake-Pornos betroffen sind, sind größtenteils weiblich. 99 Prozent der Betroffenen sind Frauen. Das Genre der Dokumentation ermöglicht mir, mich einem Thema auf umfangreiche Weise zu nähern. Außerdem können wir in diesem Format sehr aktuell sein! Vorhin hat mich unsere Produzentin angeschrieben, weil es eine Rückmeldung vom LKA gibt, bezüglich einer von mir aufgegebenen Anzeige. Die Recherchen zu unserem Zweiteiler „Die Spur: Deepfake-Pornos“ laufen während wir hier telefonieren. Es ist ständig etwas in Bewegung. Leider hat sich jedoch auf Gesetzesebene noch nichts bewegt – das hatten wir gehofft, weil es den einen Gesetzesentwurf aus dem Bayerischen Justizministerium gibt. Aber Volker Wissing ließ uns wissen, dass die aktuelle Gesetzeslage hinsichtlich dieses Themas seiner Auffassung nach ausreiche. Die von uns interviewten Juristinnen sehen das jedoch anders. Wir werden sehen, was noch passiert. Die Doku heißt nicht von ungefähr „Die Spur“. Wir begeben uns damit auf eine Spur, eine Reise. Wohin die führen wird: Keine Ahnung. Die Sendung ist noch in Arbeit, wird erst kurz vor Ausstrahlung fertig gestellt sein. Das ist das Spannende.
Kirstin Benthaus-Gebauer von Tower Productions ist die Produzentin des Zweiteilers. War sofort klar, dass er beim ZDF eine Heimat finden würde, aufgrund Ihrer engen Verbundenheit mit dem Sender?
Collien Ulmen-Fernandes: Andere haben sich nicht rangetraut. Das Thema wurde mehreren Sendern angeboten. Die Tendenz war meist: Ja, spannendes Thema, aber schon auch ein bisschen krass. Das ZDF hat Mut bewiesen und sofort gesagt: Wir wollen das machen!
„Es ging damit los, dass ich Hinweise erhalten habe, dass sich jemand für mich ausgibt.“
Ich kann mir vorstellen, dass die Recherchen zu solch einem Thema endlos sind. Ihnen als Autorin zur Seite steht Investigativ-Journalistin Marie Bröckling. Wie kam Sie an Bord und wie begeben Sie beide sich auf die Spur?
Collien Ulmen-Fernandes: Marie wurde mir vom Sender vorgeschlagen. Wo die Spur uns hinführen wird, weiß man vorab tatsächlich nicht. Wir haben uns auf diese Reise begeben, und sobald spannende Dinge passierten, haben wir die Kameras angeworfen. Man schätzt vor Beginn, wie viele Tage man wohl drehen wird. Aber bei einer Investigativ-Recherche, wie wir sie betreiben, muss man flexibel sein. Es ging damit los, dass ich Hinweise erhalten habe, dass sich jemand für mich ausgibt. Dem bin ich nachgegangen und habe zwei der Herren, die mich darauf hingewiesen hatten, kontaktiert. Einer von ihnen gab mir die Handynummer der vermeintlich „echten“ Collien, über Social Media hat „sie“ mit ihm Nummern ausgetauscht und ich habe angefangen, unter einem Pseudonym mit „ihr“ zu kommunizieren. Ich fragte nach Beweisen, dass sie auch wirklich die „echte“ Collien ist und habe, nachdem ich nach einem Foto fragte, Bilder von mir erhalten, auf denen ich im Bett liege. Das haben wir on camera begleitet. Das war gruselig.
Es ist sicher schwierig, andere Betroffene vor die Kamera zu bekommen, oder?
Collien Ulmen-Fernandes: Ich habe anfangs einen Aufruf gepostet und den Kontakt der Produktionsfirma angegeben. Die war mit einigen Betroffenen im Austausch, von denen sich die meisten nach anfänglichem Interesse jedoch nicht mehr getraut haben – was ich absolut nachvollziehen kann, weil es ein supersensibles Thema ist. Wir haben aber doch noch einige tolle Frauen gefunden, die mir ihre teils extrem heftigen Geschichten erzählten. Viele der Interviews haben mich extrem mitgenommen. Bedrückend ist, dass man von der Polizei meist nicht ernstgenommen wird, wenn man Deepnudes zur Anzeige bringt, so schilderten es die Frauen. Viele Betroffene fühlen sich allein gelassen. Das haben wir auch von Josephine Ballon von HateAid gehört, die viele Opfer betreut. Mit der Doku wollen wir ausdrücken, dass man sich wehren, dass man Deepfakes nicht einfach hinnehmen sollte.
Kann man sich überhaupt schützen vor Deepfakes?
Collien Ulmen-Fernandes: Wir testen uns in der Doku durch diverse Schutzprogramme. Es gibt welche, die die Bilder „vergiften“. Das bedeutet, dass das Bild mit einem Programm unterlegt wird, das man vermeintlich nicht sieht. Wenn man dann versucht, das Bild mit KI zu bearbeiten, ist dies nicht möglich, zerstört sich die Aufnahme, so heißt es. Ob es klappt? Wir werden sehen.
Wie kann man die Menschen möglichst jung auf dieses sensible Thema vorbereiten?
Collien Ulmen-Fernandes Erst einmal ist Aufklärung wichtig, das Wissen darum, dass es so etwas wie Deepfakes gibt. Das Problem ist, dass diese Deepfakes immer besser werden und von echtem Material kaum mehr zu unterscheiden sind. Davon geht eine riesige Gefahr aus, weil man dadurch Menschen wesentlich leichter in Misskredit bringen kann.
„Deepfakes werden immer besser und sind von echtem Material kaum mehr zu unterscheiden.“
Wie stark sind Sie in den Schnittprozess involviert?
Collien Ulmen-Fernandes: Gar nicht. Das ist aber auch gut so. Ich tue mich immer schwer damit, mich von Dingen zu lösen. Das merke ich auch gerade beim Schreiben des neuen Bandes von „Lotti & Otto“. Kill Your Darlings…heißt es immer. Beim Schreiben und auch im Schnitt muss man sich von lieb gewonnenen Szenen und Sätzen trennen, weil man in der ersten Fassung meist Überlänge hat. Da hilft es, Dinge aus der Hand zu geben, dass andere entscheiden.
Neben „Die Spur“ und dem fünften Band ihrer Kinderbuchreihe: Was steht sonst noch aktuell bei Ihnen an?
Collien Ulmen-Fernandes: Ich habe vor einigen Tagen den tollen Film „Die Rabentante“ unter der Regie von Tini Tüllmann in Köln abgedreht. Darin durfte ich eine Rocksängerin spielen. Außerdem bin ich in der nächsten Staffel von „Intimate“ dabei. Die „Kleinen Brüder“, die dort Regie führen, haben eine unfassbare Energie und sind superkreativ. Ich bin mittlerweile totales Brüder-Groupie geworden. Und 2025 steht der Dreh von vier neuen „Traumschiff“-Filmen an. Soweit ich weiß, geht es als erstes nach Neuseeland.
Das Interview führte Barbara Schuster