Die Absolventin der Filmakademie Baden-Württemberg über ihre Erlebnisse, mit „Sisterqueens“ das CineKindl zu eröffnen und wie das Langzeitdokumentarfilmprojekt Fahrt aufnahm, nachdem sie es beim DOK.fest München gepitcht hatte.
Das Filmfest München hat „Sisterqueens“ nicht nur als Beitrag des CineKindl ausgewählt, sondern sogar als Eröffnungsfilm dieser Reihe. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie das hörten?
Clara Stella Hüneke: Ich finde richtig cool, dass unser Film das CineKindl eröffnen durfte, weil es Sichtbarkeit verschafft. Wir waren total glücklich über die Entscheidung des Filmfest München, wenngleich wir am Anfang auch kurz irritiert waren, weil wir den Film nicht nur für Kids und Jugendliche gemacht haben, sondern durchaus auch für ein erwachsenes Publikum, mit der Intention, zu transgenerationalen Gesprächen anzuregen. Deswegen bin ich jetzt umso glücklicher nach der Premiere, dass das Publikum ganz gemischt war, sich im Publikumsraum nach dem Screening Gespräche zwischen verschiedenen Generationen entwickelten. Insofern ist es total gelungen.
Sie haben an der Filmakademie Baden-Württemberg Dokumentarregie studiert. „Sisterqueens“ ist Ihr Abschlussfilm. Arbeiten Sie ausschließlich dokumentarisch?
Clara Stella Hüneke: Gar nicht mal, weil ich auch szenisch arbeite. Ich habe während meines Studiums zum Beispiel einen Animationsfilm gemacht oder Musikvideos gedreht. Mich ausprobiert eben. Eine Chance in Ludwigsburg ist, dass das Studium ab dem dritten Jahr hybrider wird und man sich szenisch und dokumentarisch ausprobieren kann.
„Sisterqueens“ ist ein Langzeitdokumentarfilmprojekt, bei denen Sie die drei Mädels Rachel, Jamila und Faseeha über vier Jahre begleiten. Logischerweise müssen Sie damit früh in Ihrem Studium begonnen haben…
Clara Stella Hüneke: Absolut! Ich habe damit bereits in meinem ersten Semester begonnen und es war überhaupt nicht klar, dass „Sisterqueens“ mein Abschlussfilm werden würde. Das ist im Prozess entstanden. Meine Dramaturgin brachte mich mit Rachel und Faseeha zusammen. Sie erzählte mir von den Texten, die die beiden für Rap-Videos geschrieben haben und die sie nicht mehr loslassen würden. Die waren auch echt stark, ein hohes Level an Durchschlagkraft. Nachdem ich sie kennengelernt hatte, nahmen sie mich ins Mädchenzentrum mit, wo dann Jamila dazugestoßen ist. Die drei Freundinnen haben mich so beeindruckt, weil sie so feinfühlig und politisch waren. Und witzig! Und das mit gerade mal 11 oder 12 Jahren. So nahm das Ganze seinen Lauf.
Wie ist es Ihnen gelungen, das ZDF – Kleines Fernsehspiel an Bord zu holen?
Clara Stella Hüneke: Nein, ich wollte, dass es groß wird und habe auch dran geglaubt. Deswegen habe ich auf dem DOK.fest in München gepitcht. Das war toll. Eine gute Plattform, um Projekte vorzustellen. Hier ist das ZDF – Kleines Fernsehspiel aufmerksam geworden. Mit dem ZDF an Bord entwickelte sich „Sisterqueens“ zu einem Langfilm. Die Langzeitbeobachtung machte Sinn, weil ich wissen wollte, was diese starken Forderungen, die meine drei Hauptdarstellerinnen haben, ein oder zwei Jahre später in ihren eigenen Entscheidungen bewirken. Die Kernfrage war immer: Was ist Selbstbestimmung? Es geht auch um Vorbilder.
Was haben Sie in dieser Zeit gelernt? Auch etwas über Selbstbestimmung?
Clara Stella Hüneke: Voll! Ich habe sehr viel gelernt, auf verschiedenen Ebenen. Ich konnte meine Stimme als Regisseurin schärfen, weil ich parallel zur Arbeit am Film durch das Studium gegangen bin. Auch auf der emotionalen Ebene habe ich neue Sachen erlebt. Wie die Mädchen politische Diskurse führen, überhaupt die Welt sehen, hat auch mich inspiriert und in gewisser Weise verändert. Das habe ich aus den ersten Screenings vor Publikum auch mitgenommen: „Sisterqueens“ ist ein Film voller Power, Hoffnung, Inspiration!
Franziska Gärtner ist Ihre Produzentin. Wie haben Sie sich gefunden? Und wie hat die Filmakademie Baden-Württemberg das Projekt gestützt?
Clara Stella Hüneke: Franziska Gärtner durchlief das Austauschprogramm Atelier Ludwigsburg Paris. Wir haben uns kennengelernt, als ich mein Projekt in einem Pitch in der Filmakademie vorgestellt habe. Das Projekte-Pitchen hat in Ludwigsburg einen hohen Stellenwert. Franziska hat mich ganz klassisch angesprochen, weil sie das Thema interessant fand. So haben wir zusammengefunden. Ich arbeite sehr gerne mit ihr zusammen. Die Uni hat den nötigen Rahmen gegeben, die Technik gestellt. Mein großes Glück war, dass Professor Heidi Specogna meine Betreuerin und Ansprechpartnerin war. Ich konnte mich bei ihr immer rückversichern.
Sie stehen am Anfang Ihrer Karriere. Oft ist der Weg steinig, vom ersten zum zweiten Projekt. Gleichzeitig wandelt sich die Branche, öffnet sich auch neuen Stimmen, gibt Frauen mehr Platz. Nehmen Sie das auch so wahr?
Clara Stella Hüneke: Ja und Nein. Mein Film hat überzeugt und so konnte ich schon zu Anfang meines Studiums mit einem Sender zusammenarbeiten. Ich hatte die Chance, mich künstlerisch zu entfalten und zu professionalisieren, in einem sehr offenen Dialog. Das ist besonders und selten. Starre Finanzierungsmöglichkeiten und Auswertungssysteme machen es dem Nachwuchs aber auch etablierteren Filmemachern oft schwer innovative Stoffe zu machen. Im Studium wurden wir davor immer wieder gewarnt aber eben auch darauf vorbereitet. Es gibt großartige Initiativen wie Proquote, Schwarze Filmschaffende ev., Angst essen Kino auf, die sich sowohl für mehr Sichtbarkeit von Frauen und anderen marginalisierten Gruppen als auch besseren Arbeitsbedingungen vor und hinter der Kamera einsetzten. Ich halte es mit Jamila, die im Film auf die Frage, wo wir uns im Kampf für Feminismus befinden, antwortet: „In der Mitte“. Es bewegt sich was in der Branche, ich will hoffnungsvoll sein. Aber es gibt definitiv immer noch eine ganze Menge Arbeit zu tun.
Das Gespräch führte Barbara Schuster