Bevor sie gestern Abend Berlin rockten, gab sich das Regieduo Adil & Bilall entspannt und gut gelaunt beim Interview mit SPOT anlässlich der Europapremiere ihres kommenden Sommerhits „Bad Boys: Ride Or Die“, der am 5. Juni von Sony in die deutschen Kinos gebracht wird.
Zwischen Ihren beiden „Bad Boys“-Filmen haben Sie den tollen Kriegsfilm „Rebel“ gedreht, ein offenkundig sehr persönliches, mit überschaubarem Budget gedrehtes Projekt über ein ernstes Thema – die Rekrutierung junger muslimischer Männer durch Islamisten. Es ist offensichtlich, dass Sie das, was Sie bei „Bad Boys for Life“ gelernt hatten, verwenden konnten. Mich würde interessieren: Was haben Sie bei „Rebel“ gelernt, das Sie bei „Bad Boys: Ride Or Die“ verwenden konnten?
Adil El Arbi: Speziell Dinge, die das Design der Actionszenen anbetrafen. Weil wir bei „Rebel“ bei den Kriegsszenen aufgrund von Budgetbeschränkungen nicht die Zeit für Experimente hatten, haben wir gelernt, ein Konzept zu erarbeiten, und uns dann durchgängig an dieses Konzept zu halten. Wir planen besser, bereiten uns intensiver vor. Früher haben wir viel mehr ausprobiert, man könnte es Improvisation nennen, bis wir das gefunden hatten, was uns gefiel. So nach dem Motto: Drehen wir mal, dann werden wir schon sehen. Heute arbeiten wir anders, und das ist „Rebel“ zu verdanken. Da war es eine Notwendigkeit, aber es hat uns gefallen. Also wollen wir das beibehalten.
Das deutet ja schon daraufhin, dass Sie sich bei Ihrem zweiten „Bad Boys“-Film nicht wiederholen wollten. Lässt sich sagen, was genau Ihre Zielsetzung für „Ride Or Die“ war?
Bilall Fallah: Zunächst einmal hätten wir kein Interesse gehabt, den Film zu machen, wenn es nicht eine Geschichte gegeben hätte, die etwas Neues erzählt, die das Franchise etwas durchrüttelt. Uns gefiel die Idee, die bisherige Prämisse auf den Kopf zu stellen und die Bad Boys auf die Flucht zu schicken. Klar, rennen mussten sie immer schon viel. Aber diesmal sollten aus den Jägern die Gejagten werden. Alle sollten Jagd auf sie machen, Cops ebenso wie Verbrecher. Das erschien uns ein gutes Szenario, auch mehr über Mike und Marcus erzählen zu können, ihrer Freundschaft auf den Zahn zu fühlen, die Figuren zu vertiefen, wie das möglich ist, wenn man sie in eine Extremsituation schickt. Mike muss zurechtkommen mit den Fehlern in der Vergangenheit, die dazu geführt haben, dass sein Sohn ein Killer der Kartelle geworden ist. Und Marcus hat so etwas wie eine spirituelle Wiedererweckung und wird auf eine Reise geschickt, seinem besten Freund bei seinen Entscheidungen zu helfen. Ride or die eben. Da lässt sich viel rausholen, auch und gerade viel Comedy, die beim Film davor vielleicht etwas kurz gekommen war.
„Bad Boys: Ride Or Die“ ist eine gewaltige Unternehmung, ein teurer Studiofilm, eine Produktion von Jerry Bruckheimer, der das Regelwerk für diese Art von Filmen mehr oder weniger festgelegt hat. Wie bringt man sich ein, wie setzt man sich da durch?
Adil El Arbi: Ich würde es als große Zusammenarbeit bezeichnen. Am Anfang sitzen alle zusammen an einem Tisch, ein bisschen wie in einem Writers Room. Alle werfen Ideen in die Runde, man spielt sich gegenseitig die Bälle zu, sammelt Einfälle, die sich gut anfühlen. Ein sehr kollaborativer Prozess, bei dem die wichtigsten Leute dabei sind, neben Jerry und seinen Leuten noch die Autoren, Chris Bremner und Will Beall, deren Aufgabe es ist, die Ideen zu sammeln und zusammenzufügen, während es an uns ist, die Umsetzung auszuarbeiten und einen visuellen Ansatz zu finden. Aber es ist ein sehr freier Prozess, nichts ist in Stein gemeißelt. Während des Drehs dachten wir uns: Moment mal, was noch fehlt und nicht im Drehbuch steht, ist ein richtiger „Bad Boys“-Augenblick, wo sie singen und den Fistbump machen. Das haben wir ganz spontan umgesetzt und in den Film gepackt.
Adil El Arbi und Bilall Fallah bei der Premiere von „Bad Boys: Ride Or Die“ in Riyadh (Credit: Sony Pictures Entertainment)
Sie betonen die Zusammenarbeit, aber was würden Sie sagen macht „Bad Boys: Ride Or Die“ zu Ihrem Film?
Adil El Arbi: Seine Funkiness!
Bilall Fallah: Stimmt! Seine Funkiness, sein Groove, seine Musikalität. Die stilistischen Entscheidungen machen ihn zu unserem Film, die Energie, der Einsatz von Farben und Bewegung. Ich denke, da machen wir unser eigenes Ding. Wir wollten einen Film machen, der sich bewegt wie ein Zug, der fließt…
Adil El Arbi: The flowmatic energy!
Bilall Fallah: Außerdem ist es kein langer Film. Das war uns wichtig. Er sollte tight sein.
Das kann man wohl sagen. Sehr beeindruckend ist diese frei fliegende, sich in und um sich selbst drehende Kamera in engen Räumen, die dennoch alle wichtigen Informationen einfängt. Was sonst 15 Sekunden dauern würde, packen sie in 0,2 Sekunden. Ihr Signature Move?
Adil El Arbi: Das ist die Idee! Das meint Bilall, wenn er sagt, der Film sollte tight sein. So viel Information wie möglich auf dem denkbar engsten Raum einfangen. Und es gut aussehen lassen!
Was waren die besonderen Herausforderungen bei diesem Dreh?
Bilall Fallah: Alles!
Adil El Arbi: Was es wirklich hart für uns gemacht hat, waren die Streiks. Erst kam der Autorenstreik, was bedeutete, dass wir keine Änderungen an den Drehbüchern mehr vornehmen konnten. Dann kam noch der Schauspielerstreik dazu, was ganz einfach bedeutete, dass wir mittendrin den Dreh abbrechen und warten mussten. Wir hatten alle Aufnahmen in Atlanta im Kasten, aber es fehlten noch die Aufnahmen in Miami. Sechs Monate Pause! Wir schnitten und wir warteten. Dann ging es weiter.
Bilall Fallah: Wir waren so BEREIT! Wir wussten, dass wir gutes Material im Kasten hatten, konnten es nicht erwarten weiterzumachen. Allen anderen ging es genauso. Aber Warterei macht einen mürbe. Das war hart.
Der neue Film rückt Martin Lawrence wieder stärker in den Mittelpunkt. Nach seiner Nahtod-Erfahrung benimmt er sich wie Jeff Bridges in „Fearless“: Er fühlt sich unsterblich.
Adil El Arbi: „Bad Boys for Life” war Mikes Film. In „Ride Or Die” rückt Marcus in den Mittelpunkt, es ist seine Geschichte, sein dramatischer Bogen. Das mit „Fearless“ ist gut beobachtet. Beim Dreh sprach Will unentwegt davon. Er liebt diesen Film, und er wollte Martin unbedingt eine typische „Fearless“-Szene schenken.
Was nicht heißen soll, dass Will Smith unsichtbar ist. Erstmals erscheint sein Mike Lowry verletzlich, angreifbar, er verliert seine Coolness, ringt mit sich, will Abbitte leisten für vergangene Fehler. Smith spielt das ungewöhnlich intensiv.
Bilall Fallah: Will lag der Film sehr am Herzen, er ist nicht zuletzt auch als Produzent mit dabei. Ihm war es wichtig, keine Kopie des letzten Films zu machen. Deshalb war es entscheidend, dass wir eine neue Seite von Mike kennenlernen, ohne dass man jemals den Eindruck hat, das sei nicht mehr Mike Lowry. Will hat alles in die Rolle reingesteckt, er ist ein toller Schauspieler. Er erscheint mühelos. Aber dahinter steckt ein starker Wille und harte Arbeit.
Auch für Jerry Bruckheimer ist „Bad Boys“ mehr als nur ein Film. 1995 leitete er mit dem ersten Film die Renaissance seiner Marke ein, wurde damit endgültig zu dem Jerry Bruckheimer, den man heute kennt. Wie war die Arbeit mit ihm?
Adil El Arbi: Jerry ist der gute Geist des Films, der Pate. Er sagt nicht viel, hält sich lieber im Hintergrund. Er hält einem immer den Rücken frei. Das war bei „Bad Boys for Life“ schon so, diesmal war es nicht anders. Natürlich war gut, dass wir schon einmal mit ihm gearbeitet hatten. Da weiß man, was er mag, was ihm wichtig ist. Was er nicht mag, machen wir gar nicht erst. Weil er nicht viel sagt, hört man zu, wenn er es tut. Wenn er Anmerkungen hat, dann hat das einen Grund. Sein Instinkt ist untrüglich. Er weiß einfach genau, was ein Film braucht, was ihn beim Publikum zünden lässt.
Bilall Fallah: Das Beste ist: Jede Anmerkung ist berechtigt. Ihm geht es immer nur um den Film. Das ist the power of Jerry! Auch wenn man selbst nicht überzeugt ist, dreht man eine Variante, wie er es vorschlägt. Wenn man seine Variante dann testet, ist das Publikum immer begeistert. Er schaut einen dann kurz an und sagt einfach: „Toldya!“
Sie sind mit den Filmen von Jerry Bruckheimer großgeworden, sie haben Sie als Filmemacher geprägt. Welches waren die wichtigsten für Sie?
Adil El Arbi: Wie viel Zeit haben Sie? Alle? Es gibt keinen Produzenten, von dem ich mehr Filme gesehen habe, erst als kleiner Junge im Fernsehen, seine frühen Filme und seine Serien, besonders „CSI“, dann etwa ab „Armageddon – Das jüngste Gericht“ alles im Kino. Er ist ein Gigant.
Bilall Fallah: Wenn ich einen herausgreifen müsste, dann wäre es keiner der großen Kracher, sondern einer seiner kleineren Filme: „Gegen jede Regel“ mit Denzel Washington. Der ist perfekt.
Adil El Arbi: Man kann von ihm alles übers Kino lernen. Seine Filme sind immer zugänglich, sehr emotional, es geht immer um die Figuren. Er erschafft ikonische Charaktere: Maverick, Axel Foley, Jack Sparrow. Weil er weiß, dass man diese Figuren im Kino sehen will. Egal, wie groß die Action in seinen Filmen ist, man erinnert sich immer an die Typen und Figuren. Wenn man Jerry kennenlernt, dann erwartet man sich diese mythische Figur, aber ist ein ganz stiller, bescheidener Mann. Er spielt sich nie in den Vordergrund. Aber ganz klar: Er ist der letzte der Legenden.
Sie sind Kinoregisseure durch und durch. Wie werten Sie die aktuellen Entwicklungen für sich?
Adil El Arbi: Natürlich wird das Kino überleben. Es muss aber allen klar sein, dass nur Filme funktionieren werden, die das Publikum als Event empfindet, als Ereignis. Das ist keine Frage der Größe. Um ein Event zu sein, muss man keinen großen Actionfilm machen. Es kann auch eine kleine Produktion sein. „Anatomie eines Falls“ ist ein Event. Er holt die Menschen ins Kino, danach will man darüber reden, streiten. Darum geht es: Es muss einem gelingen, einen Film zu machen, über den die Gemeinde auf Tiktok reden will. Tiktok ist die Konkurrenz, aber es kann Filmen auch helfen. Social Media kann uns helfen. Wenn man einen Film macht, bei dem das Publikum denkt, dass man ihn nicht sofort sehen muss, dass man warten kann, bis er auf Streaming kommt, dann wird man sich schwertun. Wir Filmemacher müssen uns pushen. Mehr und mehr. Wir müssen kreativ sein, müssen Ereignisse erschaffen. Das ist unsere Aufgabe.
Wissen Sie bereits, was Ihr nächster „Event“ sein wird?
Bilall Fallah: Wir gehen zurück nach Belgien und machen wieder einen kleineren Film, eine Fortsetzung von „Gangstas 4 Life“, den wir 2018 gedreht hatten – „Patser“ im Original. Was wir als Nächstes in Hollywood machen werden, wissen wir noch nicht. Aber jetzt freuen wir uns erst einmal darauf, wieder zuhause zu arbeiten.
Ganz kurz zum Schluss die obligatorische Frage nach „Batgirl“…
Adil El Arbi: Da gibt es nichts Neues. Das Material liegt in irgendeinem Kühlschrank von Warner Bros. Keine Ahnung, was da vorgeht. Wir sagen immer: Wenn es um „Batgirl“ geht, sind wir die letzten, die davon erfahren.
Das Gespräch führte Thomas Schultze.