Bevor es bei der TeleVisionale mit der großen Preisverleihung feierlich wurde, wurde es bei einer abschließenden Paneldebatte noch einmal ernst: Die Spitzen von vier Länderförderern setzten sich mit dem Stand der Reformbemühungen auseinander.
„Ein Ende der Talfahrt ist nicht in Sicht“, sagt der VTFF. „Die deutsche Filmwirtschaft sieht bitteren Zeiten entgegen“, kommt es von der Produktionsallianz. Und falls selbst das noch mit einem Schulterzucken quittiert werden sollte, ist da die kollektive Stimme des filmischen Nachwuchses: „Wir haben Angst“ heißt es in einem Brandbrief. Die filmpolitischen Vorhaben der einstigen Ampel stehen vor einem Abgrund – und in einen solchen droht die deutsche Filmwirtschaft zu rutschen, wenn sie in diesen Wochen (wie natürlich unzählige andere Themen) Opfer parteitaktischer Ränkespiele bleibt.
Wer aus dem Publikum optimistisch auf das kommende Branchenjahr blicke, wollte es zu Beginn der abschließenden Paneldebatte auf der TeleVisionale SPOT-Chefredakteur Marc Mensch als Moderator wissen – und immerhin fast ein halbes Dutzend Hände hob sich in einem vollbesetzten Saal. „Sind Sie aus Österreich angereist?“ So viel Galgenhumor musste in Form einer Nachfrage sein.
Die Panelzusammensetzung selbst war zumindest ungewöhnlich – denn obwohl es über eine Reform der Filmförderung auf Bundesebene ging, waren es ausschließlich Spitzen von Länderförderern, die sich zur Debatte eingefunden hatten: HessenFilm-Geschäftsführerin Anna Schoeppe und die Geschäftsführer von MFG, MDM und MOIN, Carl Bergengruen, André Naumann und Helge Albers. Die noch vor der Debatte klar gemacht hatten, nur bedingt über Dritte (inklusive der FFA; die viel über Richtlinien zu regeln gefragt ist) reden zu können.
Die Situation an sich wiederum konnten sie aus ihrer Sicht klar beschreiben – und sie lässt sich im Prinzip mit zwei Worten zusammenfassen: Maximaler Druck, auch auf die regionalen Töpfe. „Die Antragslage für den Januar ist enorm hoch. Ganz viele Projekte wünschen sich gerade jetzt ein starkes Commitment ihrer Heimat-Förderer“, schilderte Anna Schoeppe. Allerdings lasse sich allein über die einzelne Länderförderung natürlich kaum ein Film stemmen. „Der Bundesanteil ist essenziell. Das bringt unglaublich viel Druck auf den Kessel.“ Schmerzliche Absagen seien unvermeidlich – es sei „kein gutes Gefühl“, Projekte wegschicken zu müssen, die bei der Einreichung eigentlich alles richtig gemacht hätten.
Dass es ein Filmförderungsgesetz braucht, steht für die Spitzen der Länderförderer natürlich außer Frage. Aber würde ein Verlängerungsgesetz reichen? Man darf wohl festhalten, dass die Präferenz des Panels in Richtung novelliertes Gesetz ging. Denn die Alternative hieße, „inhaltlich einen Schritt zurück“ zu gehen, wie es unter anderem Schoeppe formulierte. Und nicht zuletzt Carl Bergengruen sprach sich – auch dank der bei der MFG gemachten Erfahrungen – klar für den Ansatz aus, es mit einem (stark) automatisierten Fördersystem zu versuchen. Lob kam von seiner Seite nicht zuletzt für die Stärkung der sozialen Aspekte im FFG-Entwurf – wobei sich dank der Last-Minute-Änderungen am § 81 FFG erst noch wird zeigen müssen, welches Ausmaß diese in der Realität annehmen. Mit der Tarifeinigung von BFFS; ver.di und Produktionsallianz ist ein starkes Fundament gelegt, das nicht zuletzt das von Bergengruen betonte Problem der Altersarmut adressiert. Wer alles darauf wird stehen können, ist aktuell im selben Maße offen wie die Frage, welches FFG 2025 gelten wird – und im Zweifel auch Frage einer Richtlinie…
Zwiespältig wurde unterdessen auch aufgenommen, wie das Thema Diversität in einem (möglichen) neuen FFG adressiert ist. Dass es das grundsätzlich ist, wurde positiv aufgenommen. Allerdings sieht Schoeppe im zuletzt vorgelegten Entwurf das, was ursprünglich einmal der Gedanke gewesen sei, nicht realisiert. Nicht überzeugt zeigte sich im Publikum auch der Präsident der Fernsehpreis-Jury der TeleVisionale, Tyron Ricketts. Entscheidenden Fortschritt vermag er mit der Installierung eines „Beirates für Vielfalt und Chancengerechtigkeit“ (wie der „Diversitätsbeirat“ im letzten Entwurf umbenannt wurde) nicht zu sehen, hier dränge sich eher das sprichwörtliche „Feigenblatt“ auf. Albers wiederum erinnerte daran, dass das Wort „Diversität“ im alten FFG nur einmal vorkam und im neuen Entwurf zumindest 70 mal enthalten sei. „Es ist die Frage, welche Sichtbarkeit der Beirat in der Praxis erreichen kann. In ein, zwei Jahren werden wir nochmal draufschauen. Das Ganze ist auch ein Managementthema.“
„Das FFG muss und wird auch kommen“, sagte André Naumann (natürlich ohne sich dabei festlegen zu können, welches). Aber das reiche nicht. Naumann plädierte – wie auch seine Kolleginnen und Kollegen – für das Gesamtpaket. „Die Reform ergibt nur Sinn, wenn alle Elemente enthalten sind.“ Hätte man versuchen sollen, eine Investitionsverpflichtung ohne Rechterückbehalt auf den Weg zu bringen? Bergengruen jedenfalls stellte das als Szenario in den Raum, das die Reform an dieser Stelle womöglich hätte beschleunigen können.
Auch wenn die Situation momentan kaum bedrückender sein könnte: Ohne positive Botschaft wollte insbesondere Albers die Branche nicht in den Abend entlassen: „Wenn man aus einer Volllastphase in eine Krisenphase kommt, schmerzt das natürlich. Daraus ergibt sich eine klare Drucksituation“, so Albers. Die gute Nachricht aber sei, dass sich diese Situation auch wieder umkehren lasse, wenn die Politik wieder klarer agiere. „Dann kriegen wir das auch hin“, hielt Albers fest.
Daran, dass ein unmittelbar vor dem Panel seitens der BKM veröffentlichte Aufruf, neben dem FFG zumindest noch das Filmförderzulagengesetz in dieser Legislaturperiode Realität werden zu lassen, gewisse Züge der Verzweiflung trägt, ändert das zunächst vielleicht wenig. Allerdings ist der Eindruck doch der, dass man es – wenn sich die parteitaktischen Wogen erst einmal wieder etwas geglättet haben – am Ende dann doch mit einer Koalition zu tun haben wird, die in den aktuell plausibel erscheinenden Konstellationen eigentlich verspricht, einer großen Reform offen gegenüberzustehen. Wie lang der Prozess dann aber dauert – und wie viel Schaden die Filmwirtschaft bis dahin noch nehmen muss?