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„Kino muss eine zentrale Rolle spielen!“

Bei einer Veranstaltung der Grünen-Landtagsfraktion zum Filmfest München wurde nicht zuletzt die Bedeutung des Kinos für eine sich zunehmend spaltende Gesellschaft hervorgehoben. Wie schwierig es mitunter ist, überhaupt noch einen Diskurs zu führen, wurde dank eines Eklats direkt vor Ort überdeutlich – einer Auseinandersetzung, die Claudia Roth sichtlich erschüttert zurückließ.

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Paneldiskussion im Maximilianeum: Kulturstaatsministerin Claudia Roth, Sanne Kurz, Morgane Remter, Michael Sacher und Roxana Samadi (Credit: SPOT media & film)

Um das gleich an den Anfang zu ziehen: So recht erschließt sich nicht, welches Ziel jene Dame verfolgte, die (angeblich) als Vertreterin der Jüdisch-Palästinensischen Dialoggruppe zu einer Veranstaltung der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen am Rande des Filmfestes München gekommen war. Einen Dialog strebte sie jedenfalls nicht an – und sofern es ihr um ein Statement ging, war sie mit der Art der Überbringung denkbar schlecht beraten.

Denn ihre Frage, wie es sich denn vertragen würde, sich gegen Rechts zu positionieren, der israelischen Regierung aber „uneingeschränkte Unterstützung“ zukommen zu lassen und inwiefern es sich vom Vorgehen Rechtsradikaler unterscheide, wenn man Appellen bei der Bären-Verleihung bescheinige, „antisemitisch“ zu sein, wäre von Gastgeberin Sanne Kurz durchaus beantwortet worden. Allerdings entschied sich die Dame mitten in deren Ausführungen, sie lieber niederbrüllen zu wollen. Das ging ein, zwei Minuten so – und hätte sich womöglich noch länger hingezogen, wenn das Publikum im recht gut gefüllten Veranstaltungssaal des Landtages nicht (zumindest gefühlt, ich saß relativ weit vorne) unisono sehr deutlich gemacht hätte, wie man zu dieser Art der Meinungsäußerung steht… Das Ende vom Lied: Die Frau verließ den Saal, schrie noch eine Verbalinjurie nach vorne – und hinterließ eine sichtlich aufgebrachte Sanne Kurz. Sowie eine erkennbar erschütterte Kulturstaatsministerin, die ernsthaft den Tränen nahe schien.

Und man kommt an dieser Stelle nicht ganz umhin, eine gewisse Ironie in dieser Situation zu sehen. Denn Claudia Roth war in der Vergangenheit – und insbesondere auch im Zusammenhang mit den kontroversen Berlinale-Reden – mehrfach vorgeworfen worden, sich nicht entschieden genug gegen Antisemitismus einzusetzen, sich (wie schon im Fall der Documenta) jeweils zu viel Zeit mit einer Reaktion gelassen zu haben. 

Eindrucksvoller hätte die Quintessenz einer Veranstaltung unter dem Titel „Film in Zeiten des Rechtsrucks: Demokratie und Pluralität verteidigen!“ jedenfalls kaum unterstrichen werden können: Was man dringend brauche, so Roth, seien Räume des Dialogs, wo man sich im gegenseitigen Respekt zuhöre. Die Realität gehe momentan aber immer stärker in Richtung eines Schwarz-Weiß-Denkens, der sofortigen Einteilung in Freund oder Feind.

Räume des Dialogs: Genau das – und mehr – seien Kinos, wie Felix Bruder als Geschäftsführer der AG Kino-Gilde auf dem Panel ausführte. Als niedrigschwellige Kulturangebote hätten sie eine entscheidende gesellschaftliche Rolle inne – zumal analoge Orte immer wichtiger würden, um Menschen aus ihrer Blase hinauszubekommen. Wichtig sei in diesem Zusammenhang, dass man nicht nur darüber sprechen dürfe, wie Filme Diversität abbilden können und sollen. Sondern auch darüber reden müsse, wie man diese Filme sichtbar mache, wie man sie an die Menschen bringe.

Kein Widerspruch von Seiten der BKM, im Gegenteil: Es sei verabredet, dass das Kino (im Rahmen der Förderreform, Anm.d.Red.) eine zentrale Rolle spielen müsse. Das würde ihr auch regelmäßig ins Gedächtnis gerufen. Von „sehr aktiven Personen“, die das Kino vertreten würden – und die auch ein „gewisses Nervpotenzial“ (im positiven Sinne) besäßen. Tatsächlich erklärte Roth an dieser Stelle erstmals auch öffentlich, worüber SPOT schon berichtet hatte: Auch wenn das Zukunftsprogramm Kino erst einmal nicht mehr da sei, bemühe man sich, eine Neuauflage über den parlamentarischen Weg zu erreichen. Und was Roth zwar nicht auf dem Panel sagte, was aber am Rande der Veranstaltung bestätigt wurde: Die Kürzung der Mittel für den BKM-Kinoprogrammpreis wurde zurückgenommen.

Was leider auch folgte, war die gebetsmühlenartige Hervorhebung des KulturPasses. Wie wir schon mehrfach unterstrichen haben: Natürlich ist das ein Instrument, das Unterstützung verdient. Aber es ist keine Kinoförderung in wirklich nennenswertem Ausmaß, insbesondere nicht für Programmkinos. Was Roth auch tat: Erneut um Unterstützung für die Förderreform zu werben. Sie zeigte sich erfreut über die diesbezüglich klare Ansage von Staatskanzleichef Florian Herrmann bei der Eröffnungsgala des Filmfestes München, wonach Bayern in dieser Frage an ihrer Seite stünde – forderte aber auch, dass Bayern sich dafür einsetzen müsse, dass auch andere an ihrer Seite stünden… 

Felix Bruder war übrigens geradezu „Zufallsgast“ auf dem Panel – was seinen Grund in einem sehr lobenswerten Diskussionsansatz hatte: Denn auf dem Panel war bewusst ein Stuhl für spontane Teilnahmen aus dem Publikum freigelassen worden. Was die Runde um Roth, Kurz, MdB Michael Sacher und Morgane Remter vom Netzwerk Film & Demokratie (dessen Gründung auf die causa „Mendig“ zurückgeht, auch wenn Remter dessen Namen explizit nicht erwähnte) um interessante Perspektiven bereicherte. So nicht zuletzt auch jene von Schauspielerin und Synchronsprecherin Roxana Samadi (Tocher von Ali Samadi Ahadi), die sich dafür aussprach, Diversität im Film nicht etwa nur als Abhaken von Checklisten zu begreifen, sondern mit Leben zu erfüllen. Sie wünsche sich einen menschlichen Umgang mit der Thematik, die Erzählung wahrhaftiger Geschichten. Sekundiert wurde dies von Sacher, der auf die Angst vor dem „Fremden“, vor dem, was man nicht sehe, verwies.

Claudia Roth verwies in diesem Kontext, dass gewisse „Häkchen“ zwar wichtig seien, man aber in der Tat tiefer gehen müsse. Die Frage, wie man Diversität und Inklusion verstehe, stehe mitten im Zentrum der Debatte um die Förderreform und dort nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem zu bildenden Diversitätsbeirat (der auch einen Sitz im FFA-Verwaltungsrat erhalten soll), bei dem man nicht zuletzt über die Besetzung intensiv diskutiere. Gleichzeitig hob sie (wie schon zuvor Samadi) das Beispiel von İlker Çatak hervor, dem sie ausdrücklich dafür dankte, das Problem der Sichtbarkeit so deutlich gemacht zu haben.

Was (landes)parlamentarische Zuständigkeit der AfD für Fragen der Filmförderung bedeuten könnte, machte Kurz übrigens mit Verweis auf entsprechende Anträge der AfD-Fraktion von Anfang April deutlich. Denn im Rahmen der Beratungen zum bayerischen Haushaltsplan 2024/2025 forderte man (nachzulesen unter anderem in den Drucksachen 19/1435 bis 19/1437) unter anderem, die Haushaltsansätze für die Film- und Fernsehförderung zu streichen. Komplett. Zur Begründung hieß es damals:

„Inwieweit Filmförderung überhaupt eine staatliche Aufgabe sein sollte, darf hinterfragt werden. Auch wenn man dies bejaht, ist doch in Bund und Ländern seit Jahren eine bedenkliche Entwicklung zu beobachten: Die Förderung von Filmprojekten wird zum Instrument einer links-ideologischen Agenda, das ist in Bayern nicht anders als im Rest der Bundesrepublik Deutschland. Ob Projekte gefördert werden oder nicht, hängt zunehmend davon ab, ob diese Vorhaben speziellen Zielen wie „Green Culture“, „Diversität“ oder „Geschlechtergerechtigkeit“ dienen. Die Steuermittel dafür müssen jedoch auch von jenen Bürgern aufgebracht werden, die mit der ideologischen Kontaminierung von Kultur im Allgemeinen und Filmkunst im Besonderen nichts anfangen können oder diese strikt ablehnen. Solange nicht sichergestellt ist, dass die bayerische Filmförderung politisch-weltanschaulich neutral ausgerichtet ist und die Förderwürdigkeit an transparente, allgemein nachvollziehbare Kriterien geknüpft ist, sollte dieser Haushaltstitel ausgesetzt bleiben.“ Ähnlich die Argumentation bei Fernsehproduktionsförderung; zur Förderung internationaler Koproduktionen ergänzte man wiederum: „Die Förderung internationaler Koproduktionen sowie international verwertbarer Serien sollte, wenn überhaupt, keine Angelegenheit der Länder sein, sondern ausschließlich dem Bund obliegen. Der Haushaltstitel ist verzichtbar und kann ersatzlos gestrichen werden.“

Was als zentrale Frage im Raum stehen blieb: Wie genau kann man einem Rechtsruck auf europäischer (und tatsächlich weltweiter) Ebene begegnen, der sich (wie von Roth schon befürchtet) bei der ersten Runde der französischen Parlamentswahlen nahtlos fortsetzte? Laut Roth ist dies die „Eine-Milliarde-Euro-Frage“. Was könne man tun? „Gute Politik machen – und das so, dass man sie auch versteht.“ Das Heizungsgesetz, so die (parteibezogen) durchaus selbstkritische Einschätzung der BKM, sei jedenfalls „kein Paradebeispiel für gelungene Kommunikation“ gewesen. 

Schon zuvor war – wenig überraschend angesichts der Stimmanteile, die die AfD unlängst bei jungen Erstwählern erzielte – auch die zentrale Frage in den Raum gestellt worden, wie man junge Menschen erreiche, was man gegen Desinformation unternehmen könne, wie Blasen aufzubrechen seien. Dazu der Einwurf von BVR-Geschäftsführer Jobst Oetzmann aus dem Publikum: Die Social-Media-Plattformen aus der Provider-Haftung entlassen zu haben, falle der Gesellschaft nun auf die Füße. Ihnen den Status der Intermediäre zu entziehen, wäre aus seiner Sicht eine wesentliche Voraussetzung. Eine Bemerkung, die im Saal mit anhaltendem Applaus quittiert wurde.

Marc Mensch