Produzent Lorenzo DiBonaventura betritt mit seinem „Transformers“-Franchise Neuland: „Transformers One“, inszeniert von Josh Cooley, ist der erste reine CG-Animationsfilm der Marke. Und will Standards setzen, wie DiBonaventura im SPOT-Gespräch verrät.
Was ist anders an „Transformers One”?
Lorenzo DiBonaventura: Uns war das gar nicht so klar, als wir mit der Arbeit an dem Film begannen, aber der entscheidende Vorteil eines Animationsfilms ohne Schauspieler ist, dass man mehr Zeit mit den Robotern verbringt. Sie unterhalten sich untereinander, man lernt sie besser kennen. Gerade in dieser Geschichte ist das wichtig. Alle reden immer davon, Action machen zu wollen, die sich aus den Figuren heraus entwickelt. Und ganz ehrlich, manchmal scheitern wird auch an diesem Anspruch. Aber im Fall von „Transformers One“ steht diese Idee im Zentrum der Prämisse, die Geschichte zweier bester Freunde, die im Verlauf des Films zu philosophisch gegensätzlichen Überzeugungen kommen, die sie zu Todfeinden werden lassen. Die gesamte Geschichte wird durch dieses Prisma erzählt. Natürlich ist der Einsatz auch in „Transformers One“ hoch, sehr hoch, aber es geht nicht darum, die Welt vor einem Bösewicht oder einer Katastrophe zu retten. Das macht den Unterschied.
Warum ließ sich diese Geschichte nur als Animationsfilm realisieren?
Lorenzo DiBonaventura: Erst einmal die langweilige Antwort: Wenn man einen Roboter in einem Realfilm reden lässt, ist es erschütternd teuer. Bei einem reinen Animationsfilm kann man die Kosten besser kontrollieren. Entscheidend für uns war aber, dass wir in diesem Film Megatron auf eine Weise zeigen wollten, wie man ihn noch niemals gesehen hat. Es wäre grundsätzlich denkbar, das als Realfilm umzusetzen, aber es wäre so aufwändig, zeit- und, ja, auch kostenintensiv, dass sich das niemals rechnen würde. Wir wollten und konnten keinen 500-Mio.-Dollar-Film machen. Im Grunde blieb uns keine Wahl, aber wir haben die Voraussetzungen genommen, einen anderen „Transformers“-Film zu machen. Bisher kennt man Megatron aus den Filmen als harte, düstere Figur, gegen Ende seines Lebenszirkels. Wir gehen aber an die Anfänge zurück, die Farben sind knallig, die Texturen und Oberflächen sind interessant, Megatron selbst ist jung und vital. Für das Publikum eine neue Erfahrung, ein echter Mehrwert.
Für die Produktion eines Animationsfilms sind andere produzentische Muskeln nötig als bei der Produktion von Realfilmen. Wie sind Sie mit der Herausforderung umgegangen?
Lorenzo DiBonaventura: Vor langen Jahren war ich schon einmal an einem Animationsfilm beteiligt, allerdings nicht als Produzent, sondern als Executive. Deshalb haben Sie Recht, es war eine neue Erfahrung für mich. Realfilme sind kontrolliertes Chaos – oder sagen wir mal: hoffentlich kontrolliert. Animation ist dagegen ungemein methodisch. Man kann seine Kreativität ganz anders einbringen, weil man viel zielgerichteter arbeitet. Das hat gerade bei der Charakterisierung der beiden Hauptfiguren und ihrer Beziehung große Vorteile gebracht. Weil die Kontrolle in Animation größer ist, kann man die Sequenzen im Verlauf der Produktion korrigieren, kann man sie anpassen, wenn man feststellt, dass man noch einmal feilen muss. Mir hat das Spaß gemacht als Produzent, weil man hautnah miterlebt, wie sich die Geschichte noch im Verlauf des Filmemachens entwickelt, neue Formen annimmt. Ich bin als Produzent immer stark involviert, deshalb ist das Erzählen der Geschichten der Teil des Prozesses, der mir am besten gefällt – selbst die Entwicklungsphase, die alle anderen hassen, weil das die Phase ist, in der man träumen darf. Und das durfte ich bei „Transformers One“ auf ungewöhnlich intensive Weise begleiten, der Traum hält länger an, weil man nicht so sehr mit der puren Umsetzung befasst ist.
Mit Josh Cooley haben Sie einen Regisseur gefunden, den man im ersten Moment nicht bei einem „Transformers“-Film vermuten würde. Warum war er der richtige Mann?
Lorenzo DiBonaventura: Ganz einfach. Ich liebe „A Toy Story – Alles hört auf kein Kommando“, für mich ist er die beste „Toy Story“, einmal abgesehen von dem monolithischen Original. Wann kann man das schon über einen vierten Teil sagen? Man sieht gleich, was Josh auf dem Kasten hat, sein Talent und Können. Als wir uns mit ihm trafen, konnten wir ihm bereits ein Drehbuch vorlegen. Für mich war spannend, worauf er ansprechen würde. Und er sprang sofort auf das an, was der Film für mich von Anfang an sein hatte sollen. Für einen Produzenten ist es sehr beruhigend, wenn man im Einklang mit seinem Regisseur ist. Er brachte aber auch auf einer persönlichen Ebene etwas mit, was den Film sofort besser werden ließ. Es geht um Orion Pax und D 16, die beste Freunde sind und im Verlauf der Handlung zu Todfeinden werden, zu Optimus Prime und Megatron. Josh ist ein Animator und sein Bruder ist ein Polizist – sie sind zwar keine Erzfeinde, aber sie haben einen divergierenden Blick auf die Welt, was ihre Beziehung nicht immer einfach macht, sie immer weiter auseinandertreiben lässt. Deshalb verstand er intrinsisch, worum es in unserem Film geht. Das war ungemein hilfreich. Wir beide konnten dann auch auf unser Produktionsteam vertrauen, dass die Tonalität der Action immer richtig war, wobei man auch sagen muss, dass er mit GI-Joe- und Transformers-Figuren aufgewachsen war und das richtige Gefühl mitbrachte.
Obendrein beherrscht er Emotion, die hier auch von einer gewissen Bedeutung ist.
Lorenzo DiBonaventura: Gut beobachtet. „Transformers One“ ist einer fürs Herz. Und er beobachtet die Figuren genau. Wenn zwei Menschen einen Disput haben, dann gab es meistens einen Vorfall. Hier gibt es keinen Vorfall. Der Disput zwischen den beiden Freunden erwächst aus einer philosophischen Meinungsverschiedenheit. Das ist interessant. Weil man am Ende dasteht und beide verstehen kann, auch wenn Megatron sich zum Bösewicht der Saga entwickelt.
Das „Transformers“-Franchise hat bis heute weltweit 5,3 Milliarden Dollar an den Kinokassen umgesetzt. Die Filmreihe läuft seit 17 Jahren. Was ist der Grund für die Langlebigkeit der Marke?
Lorenzo DiBonaventura: Die pragmatische Antwort auf ihre Frage stellt sie auf den Kopf: Wir machen immer weiter, weil das Publikum immer weiter Kinotickets dafür löst. Wenn sie kommen, werden wir sie machen, richtig? Aber natürlich mache ich mir Gedanken darüber, was der besondere Reiz genau dieser Marke ist. Ich kann nur Vermutungen anstellen, aber hier ist meine Erklärung: Der Erfinder der „Transformers“ hatte die Idee, dass dein Auto ein empfindungsfähiger Roboter ist. Das stellt mit allen von uns etwas an, ob man selbst ein Auto besitzt oder nicht. Autos sind ein nicht wegzudenkender Teil unseres Lebens. Wir fühlen uns emotional mit ihnen verbunden. Mit dem Gedanken zu spielen, dass diese Gefühle erwidert werden, ist der eigentliche Kern von „Transformers“. Das lässt einen nicht los, beflügelt unsere Imagination.
Erstmals startet ein „Transformers“-Film im September – mit Ausnahme von „Bumblebee“ war es bislang ein Sommer-Franchise. Warum dieser neue Termin?
Lorenzo DiBonaventura: Was soll ich sagen? Paramount hat den Termin ausgewählt. Als Produzent habe ich da nur bedingtes Mitspracherecht. Mein Job ist es, den Film zu machen und pünktlich abzuliefern. Aber der Sommer ist voll mit diesen riesigen, gigantischen Filmen, die sich gegenseitig kannibalisieren. Im September hat man mehr Platz zum Atmen. Ich denke, dass es ein kluger Starttermin ist, der dem Film den Raum gibt, sich herumzusprechen. Und ich gehe davon aus, dass das passieren wird. „Transformers One“ ist wirklich sehr, sehr gelungen und ganz, ganz toll.
Das Gespräch führte Thomas Schultze.