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REVIEW FESTIVAL: „Sad Jokes“

Absurde und bewegende Komödie über einen mit Leben und Karriere hadernden Regisseur, der sich allein um seinen Jungen kümmern muss, als dessen Mama wegen schwerer Depression einen Klinikaufenthalt antritt. 

CREDITS:
Land / Jahr: Deutschland 2024; Laufzeit: ; Regie & Drehbuch: Fabian Stumm; Besetzung: Fabian Stumm, Haley Louise Jones, Ulrica Flach, Jonas Dassler, Godehard Giese, Marie-Lou Sellem, Anne Haug; Verleih: Salzgeber; Start:

REVIEW:
Man muss nicht lange zusehen bei „Sad Jokes“, dem zweiten Spielfilm von Fabian Stumm (produziert von Stumm und Nicola Heim), nachdem er im vergangenen Jahr in der damals noch existierenden Perspektive auf der Berlinale mit „Knochen und Namen“ auf sich aufmerksam gemacht und erstmals eine Kostprobe seines außergewöhnlichen Regietalents gegeben hatte, um zu wissen, warum auf dem Filmfest München (und schon davor) gefühlt jeder Zweite schwärmte: Die Filme von Stumm fühlen sich ganz besonders an, ganz eigen. Sie erzählen ernste, anspruchsvolle Geschichten über ganz normale, komplizierte Menschen auf eine originelle, ungerührte Weise, die lange, feste Einstellungen präferiert und die Kamera und Schnitt innerhalb einer Szene nur dann bemüht, wenn es dramaturgisch Sinn macht und Bewegung in die Sache kommen soll. Dreyer meets Tati. Gut. Statische Angelegenheiten sind die Arbeiten von Fabian Stumm nicht, der obendrein auch noch einen sympathischen, stets nahbaren Protagonisten abgibt. Seine ruhige, beruhigende, aufgeräumte Art und sein Aussehen erinnern an Sebastian Schipper, der in „Sad Jokes“ auch in einem Gastauftritt zu sehen ist. 

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„Sad Jokes“ von Fabian Stumm (Credit: Salzgeber)

Überhaupt „Sad Jokes“. Was für ein Film. Man ist sofort schockverliebt. Von der Haltung, von dem Look, von der Erzählung. Jede neue Szene ist eine Überraschung, eine Entdeckung: Nie erzählt Fabian Stumm so, wie man es erwarten würde. Immer erzählt er so, dass man sich noch stärker involviert fühlt. Die Handlung offenbart sich dabei nur in Inkrementen. Die nötigen Informationen erhält man oft nur en passant, im Kleingedruckten des jeweils Gezeigten. Manchmal sagt es einem „Sad Jokes“ aber auch direkt ins Gesicht, so wie die Menschen am Anfang des Films, die in die Kamera erst einmal ein paar traurige Witze erzählen, begleitet von einem Laughtrack, der die Unmittelbarkeit der Ouvertüre gleich bricht und im Grunde auch den Ton vorgibt. Life’s a laugh and death’s a joke, it’s true.

Worum geht’s? Fabian Stumm spielt Joseph, einen Regisseur, der Ambitionen hat, aber kämpfen muss, um sie hoffentlich umsetzen zu können. Er hadert mit sich, als Mensch wie als Künstler: Die Trennung von seinem Freund vor drei Jahren macht ihm immer noch zu schaffen. Seine neue Filmidee muss erst noch Form annehmen. Eine Komödie soll es sein. Aber was für eine Komödie? Hmmm. Slapstick vielleicht, schlägt ihm ein Produzent vor, gespielt von Godehard Giese (immer gut!), der schon jetzt zur Stock-Company Stumms zählt (wie auch Haley Louise Jones, die die weibliche Hauptrolle spielt und einem das Herz bricht, oder Marie-Lou Sellem und Anneke Kim Sarnau – sie alle waren schon in „Knochen und Namen“ mit von der Partie). In der nächsten Szene zeigt Fabian Stumm dann gleich eine Slapstickszene, in der er sich in einem Automaten den Finger einklemmt – natürlich den Mittelfinger, btw, den einem der Film in der Folge stolz entgegenreckt. Marx Brothers pur (oder – siehe oben – Tati), aber eben doch unverkennbar Stumm: aus einer ungewöhnlichen Perspektive gefilmt, ohne Schnitt. Immer steht der Regisseur in direktem Dialog mit seiner Hauptfigur, Realität und Fiktion sind permeabel, befinden sich im Austausch, als würden sie einander zusehen und sich gegenseitig kommentieren, was einen auch als Zuschauer auf ungewöhnliche Weise impliziert.

Was die Handlung schließlich wirklich in Bewegung setzt, ist Josephs Beziehung zu seiner besten Freundin Sonya, mit der er einen kleinen Sohn hat. Eine schwere Depression zwingt Sonya zu einem Klinikaufenthalt, und Joseph muss sich allein um seinen Jungen kümmern, was natürlich auch alle weiteren Konflikte in seinem Leben forciert. Alles kommt unversehens. Unmöglich lässt sich beispielsweise anfangs abschätzen, wohin Josephs Beziehung zu seiner schwedischen Zeichenlehrerin Elin (Ulrica Flach) führt. Aber wie der Film sie gemeinsam Berlin erobern und dann im Regen unter einem Schirm eng beisammensitzen lässt, macht ein bisschen glücklich. Und dann natürlich die Szene ziemlich zu Beginn von „Sad Jokes“, wenn Joseph mit seinem Sohn vor seiner Regalwand mit DVDs sitzt und einen Film für ihn auswählt. Er empfiehlt „The Wizard of Oz“, aber man sieht auch auf den ersten Blick Bücher über Altman, Bergman und Wilder, und Rohmer bekommt ein Shout-Out. Da weiß man, dass man Zuhause ist in „Sad Jokes“. Irgendwo im Filmhimmel sitzen Chaplin und Truffaut und klatschen sich ab. Die besten Witze sind immer die traurigen: Weil sie uns ans Leben erinnern und darüber lachen lassen, obwohl einem nicht danach zumute ist.

Thomas Schultze