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Harley Chamandy zu „Allen Sunshine“: „Ich liebe die Kontrolle über jeden Frame“

Eine der schönsten Entdeckungen auf dem Filmfest München war „Allen Sunshine“ von Harley Chamandy, der als Weltpremiere in der Reihe „CineVision“ euphorisch umjubelte Screenings hatte. Wir unterhielten uns mit dem jungen Kanadier. 

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Harley Chamandy, Regisseur von „Allen Sunshine“ (Credit: privat)

„Allen Sunshine“ ist Ihr erster Film, aber wirkt bereits ungeheuer reif. Wo kommt die Geschichte her?

Harley Chamandy: In seinem Kern sehe ich „Allen Sunshine“ als einen Film über Liebe und was es bedeutet, in seinem Leben ohne Liebe auskommen zu müssen und sie unerwartet wiederzuentdecken – auch wenn es auf den ersten Blick so aussehen mag, als wollte ich einen Film über Trauer machen. Die Trauer, die meine Hauptfigur so sehr lähmt, ist aber nur ein Mittel zum Zweck, um die größeren Ideen herausarbeiten zu können: Liebe, Freundschaft, Wiedererweckung, Erneuerung, zu lernen, endlich wieder zu leben. Wissen Sie, ich will Filme machen, in denen sich nicht alles um ein Narrativ und das Abhaken von Plotpoints dreht. Mir ist es viel wichtiger, genau hinzusehen, meinen Figuren zu folgen, sie zu verstehen und zu begleiten. Dazu muss man das Tempo rausnehmen. Entschleunigung ist mir wichtig. 

Warum?

Harley Chamandy: Ich will ein menschliches Kino machen. Es geht mir um ein gewisses Gefühl. Jedes Detail ist genau durchdacht. Nichts ist dem Zufall überlassen. Mein Eindruck ist, dass Arbeiten junger Filmemacher oft diese Nuanciertheit vermissen lassen. Ich will zurückbringen, was ich immer schon am Kino geliebt habe, an den Filmen der großen Meister, Filmemacher wie Herzog, Kiarostami, Kubrick, Antonioni. Sie haben genau solche Filme gemacht, waren oder – wie im Falle Herzogs – sind totale Filmemacher, die alles planen, die nichts außer Acht lassen. Ich liebe diese Sorgfalt, diese Kontrolle über jeden Frame. Für mich ist das ein Ausdrucks des Respekts vor dem Leben. Genauso fühle ich auch. 

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Harley Chamandy und Julia Weigl bei der CineVision-Premiere „Allen Sunshine“im ARRI Kino (Credit: © Sophie Wanninger / Filmfest München)

Gibt es ein reales Vorbild für Ihre Hauptfigur? Wo kommt sie her?

Harley Chamandy: Nein, Allen ist niemand, den ich persönlich kenne. Aber ich war immer schon fasziniert von den großen Machern der Industrie, ob es nun die Mogule in der Film- oder in der Musikbranche sind. Ich fand es spannend, einen Film über einen solchen Mann zu machen, ihn aber nur als Menschen zu zeigen. Außerdem finde ich die Idee eines Künstlers reizvoll, der seine Kunst nur für sich macht. Ich denke viel darüber nach, was es bedeutet, Filme zu machen, was sie anderen Menschen bedeuten könnten, was sie mir bedeuten und wie das Spannungsfeld dazwischen aussieht. Allen ist ein stiller Mann, sehr nuanciert, er lässt nicht in sich blicken. Außer eben mit seiner Musik, die er für sich macht, ganz unverstellt, und die viel über ihn erzählt. 

Offenkundig haben Sie ein inniges Verhältnis zu Musik.

Harley Chamandy: Meine Mutter, die den Film auch produziert hat, ist eine Musikerin. Wenn ich von der Schule heimkam, war sie im Studio, und ich erinnere mich daran, wie sie von Instrumenten umgeben war. Ich denke, das prägt. 

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Produzentin Chantal Chamandy und Harley Chamandy bei der CineVision Premiere „Allen Sunshine“ im ARRI Kino (Credit: © Sophie Wanninger / Filmfest München)

Bereits vor einem Jahr haben Sie „Allen Sunshine“ als Projekt in Karlovy Vary vorgestellt. Wie kam es dazu?

Harley Chamandy: Ich gehörte einem Lab namens First Cut Lab an, das Filmen eine Öffentlichkeit gibt, die sich in der Schnittphase befinden, und einen Kontakt herstellt zu Leuten aus der Industrie. Es wird geleitet von Matthieu Darras, der sich mit großem Engagement für Regiedebütanten einsetzt. So hatte ich die Gelegenheit, einen Rohschnitt von „Allen Sunshine“ drei Menschen aus der Industrie zu zeigen, zwei Festivalmacher und ein Filmeinkäufer. Acht Projekte aus dem First Cut Lab werden dann ausgewählt, um in Karlovy Vary im Rahmen des First Cut Lab Plus gezeigt zu werden, wo man seinen Film in einem Raum mit 300 Menschen pitcht. Dort habe ich dann gewonnen. Hätte ich mir niemals träumen lassen! Ich fand die Konkurrenz viel stärker. 

Was Ihnen dann sicherlich geholfen hat, den Film fertigstellen zu können.

Harley Chamandy: Ohne meine Mutter Chantal hätte ich den Film niemals machen können. Sie kam als Produzentin an Bord und hat immer daran geglaubt. Das war entscheidend, um unser kleines Projekt durchziehen zu können. Wenn man jemanden an der Seite hat, den man sehr liebt, holt man mehr aus sich heraus, als man sich vorstellen kann. 

Warum hat es seither noch einmal Jahr gedauert, bis Sie Ihren Film endlich der Welt präsentieren können?

Harley Chamandy: Viele Festivals mochten den Film. Aber als Regidebütant hat man es dann doch nicht einfach, wirklich ausgewählt zu werden. Es war schwieriger, als ich gedacht hätte, weil ich durchaus von meinem Film überzeugt bin. Als ich die Email aus München erhielt, war ich überglücklich. Was für ein Erlebnis!

Das Gespräch führte Thomas Schultze.