Das Schauspiel-Paar Sebastian Bezzel und Johanna Christine Gehlen fühlte sich bei der am Freitag auf Joyn startenden Comedy-Serie „Die StiNos“ sehr gewollt. Im Interview sprechen sie darüber, wo der Humor bei Figuren liegt, die in der Gesellschaft gar nicht wahrgenommen werden.
Als Joyn seine drei neuen Serien-Projekte für den Herbst bekannt gab, hatte man bei „Der Upir“ und „KEKs“ eine konkretere Vorstellung, was das für Formate werden würden. Das auf den ersten Blick mysteriöseste Projekt waren Ihre „Die StiNos – ganz besonders stinknormal“. Wie kamen Sie zum Projekt?
Sebastian Bezzel: Ganz klassisch und unspektakulär. Wir bekamen von der Agentur die Anfrage und dann die Bücher geschickt. Produzent Alexander Keil schickte uns dann noch zusätzlich die spanische Originalserie „Poquita Fe“, auf der „Die StiNos – ganz besonders stinknormal“ basieren.
Johanna Christine Gehlen: Es war so verrückt simpel. Das sagte ich auch der Joyn-Redaktion als Kompliment, dass der Prozess selten so unspektakulär gewesen sei, in ein Projekt zu kommen. Niemand wollte uns nochmal sehen. Über Casting wurde gar nicht gesprochen. Das war ein Phänomen.
Sebastian Bezzel: Wir fragten auch nach: Das läuft jetzt irgendwie, oder? Ja, klar, läuft, war dann die Antwort. Das schmeichelt natürlich auch der Eitelkeit, weil man sich sehr gewollt fühlt.
Wie dicht ist die deutsche Adaption am spanischen Original?
Johanna Christine Gehlen: Es ist bewusst sehr nah am Original. Aber unsere Serie ist anders aufgeteilt. Die Spanier haben für jeden Monat des Jahres eine Folge gemacht, die auch je nur knapp 15 Minuten kurz sind. Wir haben acht Folgen gemacht, bei denen wir auch durch das gesamte Jahr gehen. Es ist schon interessant, wie sich das Ganze allein aufgrund der Formatlänge verändert.
Sebastian Bezzel: Wir sind sehr nahe dran, was die Inhalte und Bücher anbelangt. Vom Look und der Besetzung sind wir wiederum deutlich anders. Wenn ich zum Beispiel die Eberhofer-Krimis mache, sage ich immer, dass es keine bayerischen, sondern Provinz-Komödien sind, die auch woanders auf der Welt funktionieren würden. In „Die StiNos – ganz besonders stinknormal“ wird nicht das Dorf, sondern die Vorstadt erzählt. Es geht um diese Menschen, die in einem relativen grauen Wohnblock bedarfs- und ehrgeizlos vor sich hinleben. Im Original ist eine Vorstadt von Madrid, bei uns ist es Spandau.
Ist denn das Ehepaar, das Sie in den „StiNos – ganz besonders stinknormal“ spielen, weitmöglichst von Ihrer eigenen Persönlichkeit entfernt oder entdeckten Sie auch Facetten von sich selbst in den Figuren?
Sebastian Bezzel: Es ist immer beides. In diesem Fall war es eher eine Figur, die etwas weiter von meiner Persönlichkeit weg ist. Aber natürlich hat die Figur Robert auch Facetten, die ich kenne.
Johanna Christine Gehlen: Ich fand die Beate schon sehr weit weg von mir und mochte gerade deswegen die schauspielerische Arbeit an der Figur. Vor allem in der Eigenschaft, sich nie in die Situation zu begeben. Ich bin eher das Gegenteil. Meine Figur sucht die schmalste Form der Reaktion, um Zeit zu haben, darüber nachzudenken, ob es denn jetzt richtig war, wie sie reagiert hat. Da gibt es eine unglaubliche Unsicherheit. Das sehe ich bei mir privat nicht. Was ich dagegen schon habe, sind die Zweifel. Die mache ich dann aber eher mit mir aus. Die Beate besteht aus diesen Zweifeln, was man vom Leben will und ob man sich immer nur im Modus der anderen bewegt. Ich mochte auch die Hilflosigkeit der Figur sehr. Als Schauspielerin hatte ich so das Gefühl, liebevoll mit ihr umzugehen, weil sie so schutzlos ist. Das war eine neue Art zu spielen.
Ihr Serien-Ehepaar macht in seiner Durchschnittlichkeit auch den Titel „Die StiNos“ aus, der als Abkürzung für „Stinknormal“ steht. Wie kann man dem Publikum aber vermitteln, dass die Serie nicht unscheinbar, sondern sehenswert und witzig ist?
Johanna Christine Gehlen: Das Publikum sieht in „Die StiNos – ganz besonders stinknormal“ Menschen, die im normalen Leben nicht zu sehen sind. Die Farblosigkeit der beiden Hauptfiguren ist so gemeint, dass es genau die Paare sind, die in der Gesellschaft gar nicht wahrgenommen werden. Die wollen auch gar nicht unbedingt gesehen werden. Die Serie wäre jetzt eine Gelegenheit, genau diese Menschen zu sehen, die einem ansonsten nicht auffallen.
Sebastian Bezzel: Die beiden Hauptfiguren befinden sich aber gleichzeitig auch in einem Orkan des Wahnsinns. Damit meine ich die Familie meiner Serien-Frau, meine verrückte Serien-Mutter, die verrückten Nachbarn und das Arbeitsumfeld. Die beiden werden die gesamte Zeit zugeballert. Und das sind Momente, die jeder kennt: Der Wahnsinn um einen herum und der Wunsch, einfach ich selbst sein zu können. Als Schauspieler macht das auch Spaß, dass die beiden von einer in die nächste Sache tappen. So etwas spiele ich auch sehr gerne.
In den humorvollen Schilderungen der Serie zeigt sich auch sehr gut der Horror des Alltags, was Ihnen beiden beim Lesen der Bücher auch gefallen haben müsste.
Sebastian Bezzel: Die Serie hat drei Ebenen: Die Ebene, in der die Serie spielt. Dann gibt es noch die Interviews mit den Protagonisten, die alles kommentieren. Und dann gibt es zusätzlich noch die Voiceover. Dieses Spiel damit, wie man etwas im Nachhinein beurteilt oder versucht, noch etwas schön zu reden. Der Autor und Showrunner Stefan Stuckmann ist auch super darin, mit Rhythmus Gags zu setzen. Dann reicht nur ein Wort oder ein Blick, und es ist schon wieder lustig. Das ist keine neue Methode, aber sie ist hier gut eingesetzt. Es ist nicht spektakulär. Es sind eher Kleinigkeiten, die dann ausufern.
Johanna Christine Gehlen: Mit Ivan Sainz-Pardo hatten wir auch einen tollen Regisseur. Die beiden in der Kombination waren ein Glücksgriff.
Sie beide haben schon mal vor der Kamera zusammengearbeitet. Aber es gibt Paare, die deutlich häufiger zusammen vor der Kamera stehen. Auch das spricht für die Besonderheit dieses Projekts, oder?
Sebastian Bezzel: Wir haben uns vor der Kamera kennengelernt, wobei wir damals nicht richtig miteinander spielten, sondern eher aneinander vorbeilatschten. Aber wir haben zum Beispiel die Miniserie „Da is‘ ja nix“ für den NDR zusammen gemacht. Johanna war mal bei uns beim „Tatort“. Und wir haben vor allem zusammen am St. Pauli Theater gespielt und oft Lesungen gemacht. Wir kennen also den Prozess, zusammen zu arbeiten. Aber es ist kein Dauerzustand.
Johanna Christine Gehlen: Es hat auch nicht nur damit zu tun, wie wir uns, sondern wie einen die Außenwelt wahrnimmt. Es hat viel mit dem Angebot zu tun, von denen es viele gab, bei denen wir dann aber häufiger sagten: Das wollen wir gar nicht.
Sebastian Bezzel: Zum Beispiel das liebende Ehepaar, das in einem historisch unglaublich schönen Bauernhof in einer wahnsinnig tollen Gegend lebt, vielleicht eine kleine Krise erlebt, aber am Schluss alles wieder gut ist. Das ist privat schon so, warum sollten wir das auch noch spielen.
Was machen Sie beide als Nächstes?
Sebastian Bezzel: Ich durfte bei dem gerade abgedrehten historischen ZDF-Zweiteiler unter der Regie von Matti Geschonneck mitspielen: „Unruhe um einen Friedfertigen“ nach dem gleichnamigen Roman von Oskar Maria Graf mit Josef Hader in der Hauptrolle. Ansonsten werde ich in diesem Jahr nochmal Theater spielen.
Johanna Christine Gehlen: Im St. Pauli Theater gibt es beim Uli Waller kein festes Ensemble. So gibt es dort immer wieder Spielblöcke mit Stücken, die schon vor einem oder mehreren Jahren dort Premiere hatten. Dort spiele ich aktuell sehr viel, werde mit Herbert Knaup im kommenden Frühjahr wieder spielen und freue mich auf die Arbeit.
Das Interview führte Michael Müller