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Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler: „Der Filmstandort Wien ist förmlich explodiert“

Veronica Kaup-Hasler, Wiens amtsführende Stadträtin für Kultur und Wissenschaft, über 15 Jahre Vienna Film Commission und die Kulturpolitik in Österreichs Hauptstadt.

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Veronica Kaup-Hasler ist seit 2018 Wiens amtsführende Stadträtin für Kultur und Wissenschaft. Sie studierte an der Universität Wien Germanistik, Theaterwissenschaft, Politikwissenschaft und Ethnologie. Ihre Karriere führte sie vom Theater Basel über die Wiener Festwochen hin zum Festival Theaterformen. Ende September 2004 wurde Kaup-Hasler zur Intendantin des Gegenwartskunstfestivals steirischer herbst bestellt, das sie von 2006 bis 2017 leitete (Foto: Katarina Soskic)

Institutionen wie die Vienna Film Commission bringen internationale Filmschaffende in die Stadt, werben für Wien in der ganzen Welt. Und bereichern natürlich auch die Wiener Filmbranche. Welches Resümee ziehen Sie für 15 Jahre Vienna Film Commission?

Veronica Kaup-Hasler: Es klingt so banal: Aber die Vienna Film Commission ist eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. Ihre Gründung hatte zum Ziel, Wien als Filmstandort zu etablieren. Das gelingt auf mehreren Ebenen. Sie unterstützt alle Filmschaffenden, egal ob lokal oder international, beim Gang durch die Behörden, damit Filmproduktionen auch tatsächlich stattfinden können. Gleichzeitig verfügt die Vienna Film Commission über ein ungeheures Wissen über Locations, die nicht immer dem touristischen Bild entsprechen; das ist wichtig für eine Stadt, die sich selbst transformiert hat. Wir leben schließlich nicht mehr in Zeiten von Franz-Antel; Wien besteht nicht nur aus Barockpalästen und Schönbrunn. Wien ist eine Zwei-Millionen-Metropole: das muss man auch im Film spüren. Die Arbeit der Vienna Film Commission ist dabei einfach essenziell. Geschäftsführerin Marijana Stoisits macht einen tollen Job, sie ist die Hebamme des Filmschaffens, die auch bei schweren Geburten dafür sorgt, dass es gut wird.

Und es gab nie Stillstand. Wo die österreichische Filmbranche seit Jahren um die Einführung eines Anreizmodells auf Bundesebene kämpfte, das glücklicherweise am 1. Januar 2023 eingeführt wurde, preschte Wien mit dem Vienna Film Incentive vor…

Veronica Kaup-Hasler: Trotz unserer wunderschönen Stadt waren wir gegenüber anderen Ländern lange benachteiligt, die sehr billig, häufig ohne gewerkschaftliche Regulative, produzieren können. Bei der Wahl des Drehorts geht es oft ums Geld. Wien ist hier tatsächlich vorgeprescht und hat bereits 2022 das Vienna Film Incentive für internationale Produktionen geschaffen. Glücklicherweise wurde auf Bundesebene Anfang 2023 mit FISA+ und ÖIF+ nachgezogen. Seitdem ist unfassbar viel passiert.

Können Sie den Aufschwung näher beschreiben?

Veronica Kaup-Hasler: In den vergangenen zwei Jahren ist der Filmstandort Wien förmlich explodiert – im positiven Sinne. Blüht der Produktionsstandort, werden viele Menschen in Arbeit gebracht – und zwar nicht nur im Bereich der Heads of Production, sondern auch Handwerker, Bühnentechniker etc. Die Entscheidung für das Incentive und in Folge für das – überdies ungedeckelte – Anreizmodell des Bundes, hat bei der Vienna Film Commission zu einem Push geführt. Damit sie auch weiterhin gute Arbeit leisten kann, hat die Kulturabteilung der Stadt Wien als einer der Finanzierungspartner der Commission zuletzt ihren Beitrag von 250.000 auf 300.000 Euro erhöht.

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Veronica Kaup-Hasler (r.) mit Marijana Stoisits bei der PK zu 15 Jahre Vienna Film Commission in Wien (Foto: Katharina Schiffl)

Eine weitere Erhöhung gab es unlängst auch an anderer Stelle: Förderinstitutionen klagen ja überall über stagnierende Volumina. Der Filmfonds Wien wurde für 2024 hingegen mit zwei Mio. Euro mehr ausgestattet. Wie haben Sie das ermöglicht? 

Veronica Kaup-Hasler: Das ist nur ein Echo auf eine unglaublich blühende Filmlandschaft. Es ist doch fantastisch, dass unser kleines Filmland gerade erst mit sieben Spielfilmen und zehn Kurzfilmen bei der Berlinale vertreten war. Es sind vor allem Filme mit großer Wirkung, ob nun „Des Teufels Bad“, der Kameramann Martin Gschlacht einen Silbernen Bären bescherte, oder „Favoriten“ von Ruth Beckermann, in dem sie ganz aktuelle gesellschaftspolitische Themen verhandelt. Wir müssen auf unsere Talente reagieren. Wien bekennt sich dazu, dass die Stadt in diesem Sektor gewachsen ist. Natürlich wird die Kurve nicht endlos nach oben gehen, aber zumindest haben wir mit der Erhöhung dafür gesorgt, dass die Grundlage gesichert ist. Die Kosten sind für alle gestiegen. 

Insgesamt haben Sie sich in Ihren Jahren als Kulturstadträtin auch stark für die Erhöhung des Wiener Kulturbudgets eingesetzt…

Veronica Kaup-Hasler: Die diesjährigen österreichischen Berlinale-Beiträge legen Zeugnis ab von der Vielfalt und Bandbreite des Filmschaffens. Um diese Vielfalt aufrechtzuerhalten, müssen die Rahmenbedingungen stimmen, sonst können sich keine Talente entwickeln. Das gilt natürlich für alle Kulturbereiche. Immerhin ist es mir gelungen, das Kulturbudget der Stadt Wien seit meinem Amtsantritt um 51 Prozent zu erhöhen. Im Kulturbereich brauche ich den Blick einer Ärztin auf den Körper: Ich muss mich darum kümmern, dass eine Szene nicht krank wird, abwandert oder verschwindet. Das ist die permanente Arbeit von Kulturpolitik.

Ihnen ist auch Fair Pay ein großes Anliegen.

Veronica Kaup-Hasler: Die Ermöglichung von Fair Pay war mit ausschlaggebend bei der Budgeterhöhung des Filmfonds Wien. Mir geht es um die kontinuierliche Verbesserung der Arbeitsverhältnisse der Künstlerinnen und Künstler dieser Stadt. Dazu zählt zentral die Umsetzung des Fair-Pay-Gedankens. Ob man es jemals zur Zufriedenheit aller schafft, wage ich zu bezweifeln. Aber in den letzten Jahren hat sich der soziale Blick auf künstlerische Arbeit deutlich gewandelt, auch befeuert durch die 2022 von der Stadt Wien lancierte Fair-Pay-Initiative. Der Fair-Pay-Gedanke muss erhöhte Kulturbudgets zur Folge haben. Das sehen der Bund und viele andere Bundesländer glücklicherweise inzwischen auch so und haben nachgezogen. Mit dem Fair-Pay-Gedanken muss aber auch das Verständnis einhergehen, dass man nicht ewig expandieren kann. Wir alle sind besser, wenn wir uns fokussieren. Es darf nicht darum gehen, jede Mittelerhöhung dazu zu nutzen, noch mehr Projekte zu machen. Wir sagen immer: Macht etwas weniger, dafür bezahlt eure Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser. Die Gleichung mehr Geld bedeutet mehr Projekte, diese ständige Wachstumsspirale bringt keine besseren Arbeitsbedingungen. 

Als Kulturstadträtin befassen Sie sich zwar nicht nur mit Film/Kino/Festivals. Dennoch kommt Ihnen das Kino insofern zugute, als dass Sie ja Kultur niederschwellig halten wollen, Sie streben Breitenwirksamkeit an, wollen Kultur in die Flächenbezirke bringen. Was gibt es besseres als Kino?

Veronica Kaup-Hasler: Absolut. Frankreich ist immer ein großes Filmland gewesen, denn die Franzosen haben die Ausstrahlung französischer Kinofilme im Fernsehen stets sehr gepusht und so für Breite gesorgt. Läuft man durch Paris oder andere französische Städte, sieht man, dass in jedem Kino französische Filme zu sehen sind. Das hat dort eine lange Tradition. Es ist großartig, dass eben nicht nur Hollywood-Blockbuster und Superheldenfilme gezeigt werden. Deshalb versuchen wir, Filmförderung nicht nur von der Stoffentwicklung und Herstellung, sondern bis hin zur Kinoförderung zu denken, und unterstützen etwa die Wiener Arthouse-Kinos. Mir liegt daran, Filme nicht nur entsprechend ihrer Massentauglichkeit zu verbreiten. Es sollte darum gehen, Exzellenz in die Breite zu bringen und damit mehr Lust auf Filme zu machen.

Kultur niederschwellig halten ist das eine. Das andere ist, dass sie durchaus auch Anregung für die Politik geben kann. Ruth Beckermanns „Favoriten“ sollte nicht nur Stadtpolitiker in Wien ansprechen…

Veronica Kaup-Hasler: Dieser Film ist ein ideales Beispiel dafür, wie sich Kultur und Politik befruchten können. Nachdem ich den Film gesehen habe, habe ich sofort unseren Bürgermeister kontaktiert. Er hat großes Interesse signalisiert, möchte zu einem Screening für die Stadtregierung einladen und im Anschluss daran mit Ilkay Idiskut, der wahnsinnig tollen und engagierten Lehrerin aus dem Film, sprechen. Der Film soll Anstoß zu Gesprächen und Überlegungen geben, wie in Zeiten knapper Budgets Lösungsmodelle im Schulbereich entwickelt werden können.

Sind Sie selbst Filmfan? 

Veronica Kaup-Hasler: Bei der Berlinale habe ich mit großer Freude all unsere österreichischen Filme gesehen. Es ist ein Geschenk meines Jobs, dass ich dabei sein darf, wenn die Projekte das Licht der Welt erblicken und ihre Welturaufführung feiern. Ich würde mich durchaus als Filmfan bezeichnen. Ich ernähre mich aber auch von Musik, von zeitgenössischer Musik bis hin zu Voodoo Jürgens, von Kunst, Literatur und Theater. Das liegt auch in meiner Biografie, weil ich lange ein Mehrspartenfestival, den Steirischen Herbst, geleitet habe und das Glück hatte, mit den unterschiedlichsten Künstlerinnen und Künstlern zusammenzutreffen. 

Gibt es einen Lieblingsfilm aus jüngster Vergangenheit?

Veronica Kaup-Hasler: Der erste Film von Alexander Horwarth, „Henry Fonda for President“, hat mich sehr beeindruckt. Der Film, ein dreistündiger Essay, sprengt alle Rahmen im Hinblick auf seine Konsumierbarkeit, lässt sofort an Walter Benjamin denken, meandert und erzählt gleichzeitig etwas über das heutige Amerika, über ein Amerika im Wandel. Ein großartiger Film. Solche Filme sollte nicht nur Filmfreaks, sondern viele Menschen erreichen! Und „Poor Things“ von Giorgos Lanthimos fand ich ebenso fantastisch!

Barbara Schuster