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Tobias Forge und Alex Ross Perry zu „Rite Here Rite Now“: „Wenn man die Regeln kennt, kann man sie auch brechen“

Ghost gehört zu den weltweit aktuell erfolgreichsten Metalbands. Jetzt gehen die schwedischen Okkultrocker mit ihrem ersten Film an den Start, „Rite Here Rite Now“, der von Luf Kino als Event heute und am 22. Juni gezeigt wird. Wir sprachen mit Bandleader Tobias Forge und seinem Mitregisseur Alex Ross Perry. 

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Tobias Forge und Alex Ross Perry beim Dreh von „Ghost – Rite Here Rite Now“ (Credit: Marcus Maddox)

Ghost ist eine der visuell prägnantesten Bands in ihrem Metier. Und doch gibt es diesen Film erst jetzt.

Tobias Forge: In den letzten etwa 25 Jahren ist es eigentlich ein Industriestandard geworden, dass Bands und Künstler in einem gewissen Rhythmus Live-DVDs veröffentlichen. Für uns stand das also seit Jahren auf unserer To-Do-Liste. Dass wir es in all der Zeit nicht hinbekommen haben, lag wohl daran, dass meine Erwartungen an eine solche Veröffentlichung zu hoch waren, als dass ich einfach einen visuellen Livemitschnitt von Ghost hätte herausbringen wollen. Je länger es dauerte und je mehr man auf mich einredete, wann denn endlich eine solche DVD herauskäme, desto mehr habe ich mich geziert. Dann kam noch die Idee zu, ein Narrativ rund um den Konzertmitschnitt aufzuziehen. Das machte es gleich noch einmal komplizierter. Jetzt sind wir fertig damit und ich blicke darauf und sage mir: Na, so schwer war’s doch gar nicht – wo war das Problem? Aber ich kann nur sagen: Viele Jahre war es ein Problem.

Was gab dann den Ausschlag?

Tobias Forge: Als wir endlich eine Geschichte hatten, die wir erzählenswert fanden, begannen sich die Dinge wie von selbst zu bewegen, da entwickelte sich ein Momentum, da kam dann auch Alex als weiterer Regisseur an Bord, der sich um die technischen Aspekte der Inszenierung kümmerte. Davor fehlte die zündende Idee. 

„Jetzt sind wir fertig und ich sage mir: So schwer war’s doch gar nicht. Wo war das Problem?“

Tobias Forge

Alex Ross Perry: Macht Sinn, was Du sagst. Ganz sicher stand dieses Projekt lange schon auf der Agenda, bevor ich das erste Mal davon gehört habe. Tatsächlich bin ich selbst neugierig von Dir zu hören, warum Du findest, dass genau jetzt die richtige Zeit für dieses doch sehr aufwändige Unterfangen war, für diese ungewöhnliche Kombination aus unmittelbarem Konzertfilm und fiktionaler Handlung…

Tobias Forge: Ich wollte einen Ansatz finden, einen Film mit Erzählung zu machen, der auch für Menschen funktioniert, die nicht die 17 „Episodes“ auf YouTube gesehen haben. Gleichzeitig waren wir auch bei den „Episodes“ an einem Punkt angekommen, an dem es viele lose Enden gab. Wir brauchten zwar vielleicht nicht unbedingt einen endgültigen Abschluss, aber es sollte doch mehr als nur ein Schritt nach vorn sein. Es mussten zehn Schritte nach vorn sein. Mir war es außerdem wichtig, und ich denke, das geht vielen anderen Bands nicht anders, unsere Show an diesem bestimmten Punkt zu verewigen. Ich war sehr stolz auf das Erreichte und fand, dass es die Essenz von Ghost auf den Punkt bringen würde. Und wenn man ein bisschen zynischer sein will, dann liegt es daran, dass die Band in den letzten paar Jahren exponentiell gewachsen ist. 

Und es ist eine ausgezeichnete Möglichkeit, Menschen Ghost live sehen zu lassen, die noch nie die Gelegenheit dazu hatten.

Tobias Forge: Unbedingt. Es war einfach eine gute Zeit und eine gute Show, um uns der Welt zu präsentieren. 

Alex Ross Perry: Es ist ein besonderer Moment in der Geschichte der Band. Die Figur des Cardinal Copia ist seit zwei Albenzyklen der Frontmann von Ghost, länger als jeder andere Papa Emeritus vor ihm. Für mich war es logisch, dass der Abschluss dieser besonderen Ära der richtige Anlass für einen Film wäre. Die Fans lieben die Figur, und es ist ein stimmungsvoller Abschluss seiner Amtszeit. Zugleich weist der Film auch in die Zukunft: Wir geben ja auch einen kleinen Einblick, was als nächstes kommen wird. 

„Ich befürchte, der Kontrollfreak in mir macht die Dinge immer etwas komplizierter.“

Tobias Forge

Tobias Forge: Ich befürchte, der Kontrollfreak in mir macht die Dinge immer etwas komplizierter. Ich habe einen gewissen Anspruch, ich verfolge einen gewissen Perfektionismus. Die Band ist mir wichtig. Deshalb will ich, dass die Dinge richtig gemacht werden, wenn wir sie anpacken. Hier kam als zusätzliches Problem hinzu, dass die Ideen für den Film sich auch mit dem Budget decken mussten. Bis das richtig austariert war, ohne dass ich den Eindruck hatte, wir würden Qualität einbüßen, hat ein wenig gedauert.

Alex Ross Perry: Gefällt mir, was Du sagst. Vor fünf Jahren hätte es vielleicht die Ideen gegeben, aber die Umsetzung wäre schwierig gewesen, weil nicht die nötigen Mittel zur Verfügung gewesen wären. Die Band hat in den letzten Jahren einen gewaltigen Popularitätssprung gemacht, sie befindet sich auf dem Gipfel der Beliebtheit. So war dann auch ein höheres Budget möglich. Ich weiß, dass Dir die „Episodes“ sehr am Herzen liegen und sie Dir viel Freude bereiten. Nachdem ich jetzt den Film mit Dir gemacht habe, ist mir klar, dass Du auch bei den „Episodes“ eine größere Vision hattest, die dann an der Umsetzbarkeit gescheitert ist. 

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Die Ghost-Sause: „Rite Here Rite Now“ (Credit: Ryan Chang)

Tobias Forge: Ich bin sehr froh, dass dies jetzt das erste Mal ist, ein solches Unterfangen anzugreifen. Klar, es gibt Millionen Aufnahmen unserer Konzerte, die Fans mit ihren Smartphones gemacht haben. Es gibt auch ein paar ganz gute professionelle Aufzeichnungen von Festival. Aber nichts kommt an das heran, was der Film bietet. „Rite Here Rite Now“ ist ein anderes Level! Kann schon sein, dass es auch Fans gibt, denen die Kamera zu nah an uns heranrückt, weil es nicht deren Erinnerung an die Show, die sie gesehen haben, entspricht. Für mich ist genau das der Kick: Wir zeigen in dem Film etwas, was nicht einmal die Leute gesehen haben können, die bei den Shows mit dabei waren. 

Was haben Sie Alex Perry Ross gesagt, was Sie machen wollen, als Sie ihn angesprochen haben, ob er den Film mit Ihnen machen will?

Alex Ross Perry: Gute Frage. Was HAST Du mir damals gesagt?

Tobias Forge: Es war generell nicht einfach, den Menschen zu erklären, was mir vorschwebte. Selbst bei Alex, der einen ähnlichen kulturellen Background hat und mit dem ich blendend auskomme, musste ich weit ausholen, um mich zu erklären. Im Nachhinein ist es einfach. Da reicht es aus, zu sagen, es sei ein fiktionaler Konzertfilm. Es ist ein Konzert, das stattgefunden hat oder vielleicht auch nicht. Ein Konzertfilm mit einer Geschichte. Aber wie genau das aussehen sollte, wie Handlung und Konzert ineinandergreifen sollten, das war ziemlich schwer rüberzubringen. Mir war selbst nicht klar, wie die Gewichtung aussehen würde. Wieviel Konzert, wieviel Handlung? Wie lang ist der Film? Okay, die Geschichte findet im Verlauf eines Konzerts statt. Das wäre schon einmal die Länge… Aber wann findet die Handlung statt? Und wie oft? Das orientierte sich natürlich an der Setlist, aber am Ende war es dann ganz anders, als ich es mir ganz fest ausgemalt hatte.

„Wir hatten tausende von Ideen, und dann war immer noch Raum für ein paar mehr.“

Allex Ross Perry

Alex Ross Perry: Es waren dann viel mehr Dialogszenen, als wir gedacht hatten. Die Handlung sollte eigentlich auch erst später einsetzen. Aber dann dachten wir uns, dass das viel zu unvermittelt sein würde. Weshalb jetzt gleich beim ersten Song, „Kaisarion“, Cardinal Copia schon hinter die Bühne gerufen wird und auf Sister Imperator trifft, während man das Lied hört. Das funktioniert viel besser, auch wenn es nur 25 Sekunden sind. Es steckt viel Arbeit dahinter, alles war sehr ausgeklügelt und wurde perfekt an die Show angepasst, ein fortlaufender Work in Progress, der sich bis in den Soundmix zog. Am Anfang waren Tobias fünf Dialogszenen vorgeschwebt. In der fertigen Arbeit sind es jetzt 13 Szenen. Einfach, weil es richtig und wichtig war dafür, den Film funktionieren zu lassen. Wir hatten tausende von Ideen, und dann war immer noch Raum für ein paar mehr. 

Tobias Forge: Wir hatten alles genau festgelegt, aber dann war immer noch Raum für Improvisation. Am Ende war alles möglich, solange es sich im Rahmen des Konzerts und abgestimmt auf die Lieder abspielte. Das waren die Regeln. Das Schöne ist: Wenn man Regeln hat und kennt, dann findet man auch Wege, sie zu biegen und ein bisschen zu brechen. 

Das Gespräch führte Thomas Schultze.