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Margret Albers und Johanna Faltinat: „Es gibt noch viele Baustellen“

Mit Auge auf den FFG-Referentenentwurf schlagen Margret Albers und Johanna Faltinat vom Förderverein Deutscher Kinderfilm Alarm: Obwohl an den Kinokassen beständig ein Umsatzbringer, wird einmal mehr nicht genug für den Kinderfilm getan.

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Margret Albers und Johanna Faltinat vom Förderverein Deutscher Kinderfilm; (Credit: privat, Jenny Bewer)

Das Filmförderungsgesetz ist auf dem Weg ins Kabinett. Ist jetzt alles zu spät für den deutschen Kinderfilm?

Margret Albers: Die Frage ist, was ins Kabinett geht. Auf der BKM-Website sind 39 Stellungnahmen der Branche und der Länder veröffentlicht. Nicht wenige Verbände haben unsere Forderungen aufgegriffen. Es gibt noch viele Baustellen, die angemahnt werden von unterschiedlichen Interessengruppen und es würde mich wundern, wenn nun eins zu eins der existierende Referentenentwurf ins Kabinett geht. Gut, es stehen dann noch die drei Lesungen im Bundestag und im Zuge des Verfahrens die Diskussion in den Ausschüssen an – allerdings: warum fordert man die Branche auf, Stellungnahmen abzugeben, wenn sich keine Änderungen ergeben. 

Johanna Faltinat: Das wäre eine Unterminierung von demokratischen Prozessen. Man muss die Branche bzw. die Zivilgesellschaft nicht nach ihrer Expertise fragen, wenn man sie dann außen vorlässt. Und im Sinne der Generationengerechtigkeit ist es absolut notwendig Vertreter:innen für die jungen Menschen in unserer Gesellschaft anzuhören. Ansonsten ist die Bestrebungen um Vielfalt und Diversität nicht ernst gemeint. 

Margret Albers: Wir haben natürlich auch den Kontakt zu Parlamentariern und Parlamentarierinnen gesucht. Denn Stellungnahmen zu schreiben und sie so aufzubereiten, dass sie auch gelesen werden, ist das eine; das andere ist, mit den Menschen aus der Politik ins Gespräch zu kommen. Mir fällt beim Lesen der verschiedenen Stellungnahmen auf, dass insgesamt eine kleine Ratlosigkeit herrscht, um es freundlich zu formulieren, wie dieser Prozess läuft. Wie transparent bzw. intransparent er ist, wer wann gefragt wird. Wir haben es hier mit einer großen Reform zu tun, bei der das FFG nur ein Baustein ist. Und dieser Baustein befindet sich in einem Stadium, der aus unserer Sicht noch eine Baustelle ist. 

Johanna Faltinat: Es gäbe noch viel zu diskutieren.

Margret Albers: Genau. Und mit FFG sowie Investitionsverpflichtung und Steueranreizmodell, die erst in Diskussionsstadien stecken, redet man immer von drei Säulen. Was ist denn aber mit der selektiven Förderung der BKM, ein Bereich, der nicht nur für die Kinderfilme extrem wichtig ist, sondern zum Beispiel auch für den Verleih und die Kinos?

Da weiß man noch gar nichts…

Margret Albers: Immerhin ist es uns als Verband in den letzten Jahren geglückt, in den Prozess der Stellungnahmen aufgenommen zu werden. Die letzte Branchenanhörung zur Richtlinie der kulturellen Filmförderung der BKM fand 2021 statt. Um Stellung beziehen zu können, braucht es aber einen Entwurf. Momentan fühle ich mich wie bei „Dalli Dalli“ mit Hans Rosenthal: Dalli Klick – ich sehe von einem Bild einen kleinen Ausschnitt und soll raten, was es insgesamt darstellt. Nicht nur wir tun uns schwer damit, eine Stellungnahme zum FFG abzugeben, ohne zu wissen, wie die anderen Bausteine beschaffen sind.

Förderverein Deutscher Kinderfilm

Weshalb gibt es zur selektiven Förderung noch keinen Entwurf?

Johanna Faltinat: Die Frage muss an die BKM.

Margret Albers: Das würde mich mittlerweile auch brennend interessieren. Wenn ich zur Berlinale im Februar 2023 eine große Reform ankündige und es ein Jahr dauert, bis lediglich eine von vier Säulen als Referentenentwurf öffentlich vorgelegt wird, bin ich etwas ratlos. Denkt man zurück an die FFG-Novelle 2017, so wurde im November 2015 ein Diskussionsentwurf vorgelegt, der im Rahmen einer zweitägigen Klausur mit Vertreter*innen der Filmbranche und den filmpolitischen Sprechern der Fraktionen diskutiert wurde. Im Februar 2016 kam der Referentenentwurf. Dann ging es in die Entscheidungsprozesse. Warum man sich angesichts der Komplexität der angestrebten Reform mit drei Gesetzen und einer Richtlinie von einer derartigen transparenten Vorgehensweise verabschiedet hat, und Gespräche in verschiedenen Konstellationen mit Teilen der Branche geführt werden, können wir nicht nachvollziehen

Johanna Falitnat: Über den Prozess könnten wir uns ewig auslassen. Vielmehr ist es mir ein Anliegen, auf den Erfolg des Kinderfilms zu blicken. Kinderfilme sind ein wichtiges Wirtschaftsgut. Parallel zu unserer Stellungnahme im Februar konnten wir auf der Berlinale die Reihe Generation K+ mit einem „besonderen Kinderfilm“, nämlich „Sieger sein“, eröffnen, was großartig war. Unlängst veröffentlichte die FFA die Branchentiger für 2023: Der kulturell erfolgreichste Film war mit „Mission Ulja Funk“ ein Kinderfilm! Wir haben viele deutsche Kinderfilme, die im Kino gut funktionieren, auch dank großer Marken wie die Schule der magischen Tiere oder Checker Tobi. Der Förderverein steht für eine Vielfalt an Kinderfilmen, die auch genau diese Nischen in der kulturellen Filmförderung brauchen, um entstehen zu können. Kinderfilme werden selten automatisch mitgedacht bei Reformen. Genau wie Kinder grundsätzlich in Teilhabeprozessen in unserer Gesellschaft nicht mitgedacht werden. Spricht man die Leute darauf an, sind sie sofort dafür. Das spiegelt sich darin wider, dass viele Verbände, wie Margret sagte, unsere Forderungen in ihren Stellungnahmen übernommen haben. Das ist das Pfund, mit dem wir weiterziehen.

Eben zu Parlamentariern zum Beispiel…

Margret Albers: Gebetsmühlenartig muss man immer wieder auf die Belange und Interessen von Kindern und Jugendlichen in politischen Prozessen aufmerksam machen, denn sie laufen stets Gefahr, einfach vergessen zu werden. Politiker haben den Kinderfilm in der Regel nicht auf dem Zettel. Um es profan zu sagen, müssen wir überlegen, wie man ihn besser verkauft. Johanna hat auf die FFA-Branchentiger hingewiesen. Es bleibt ja nicht bei „Mission Ulja Funk“ als kulturell erfolgreichster Film. Die erfolgreichste Produktion war „Drei ???“, erfolgreichster Verleihtitel „Sonne und Beton“. Die drei erfolgreichsten Filme 2023 sind für eine Zielgruppe unter 20 entstanden. Aber fürs junge Publikum ist in der Reform, so wie sie daliegt, nicht wirklich Platz. Das kann nicht sein. Das ist schwer zu verstehen. Und schwer zu verstehen ist auch, dass es offen ist, ob es in der kulturellen Filmförderung der BKM weiterhin eine dezidierte Kinderfilmförderung für Kinderfilme geben wird.

Johanna Faltinat: Einher geht die Frage nach der Jury, die entsprechend in der Lage ist, Stoffe zu bewerten. Wir haben die Befürchtung, dass etablierte Formen, die zu dem erfolgreichen Portfolio an Filmen der letzten Jahre geführt haben, wegbrechen könnten. Die Förderung von Stoffentwicklungen über das Kuratorium Junger Deutscher Film und die Produktionsförderung durch die BKM sowie für die großen Marken auch die FFA-Referenzmittelförderung usw: das ist ein funktionierendes Konzept mit großer Expertise dahinter. Das aufzugeben ist eine vertane Chance, weil es ein sehr gesunder, großer Zweig der Branche ist, der relativ stabil ist, gerade was die Zahlen an den Kinokassen angeht. Das einfach auszuhebeln unter dem Motto „wird schon weiterlaufen, auch wenn wir es nicht exakt benennen“, ist ein großer Irrtum. Es muss weiterhin benannt werden. Am besten im FFG, am zweitbesten in den Richtlinien.

„Sieger sein“ von Soleen Yusef entstand als „besonderer Kinderfilm“ und ist aktuell für den Deutschen Filmpreis nominiert als bester Kinderfilm (Foto: Stephan Burchardt / DCM)

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Aber der Referentenentwurf wurde doch von vielen in der Branche gefeiert…

Margret Albers: Wir sträuben uns nicht gegen die Reform an sich. Wir haben ein Problem mit dem Ungleichgewicht durch zu wenig Informationen und weil sich der Erfolg und die Wichtigkeit unserer Sparte nicht wiederfindet. Im FFG bezieht sich unsere Hauptforderung auf den Verwaltungsrat. Laut Entwurf liegt die Ausgestaltung des Gesetzes in den Richtlinien. Und wer bestimmt die? Der Verwaltungsrat. Ein Sitz im Verwaltungsrat ist eine sehr beliebte Forderung. Den möchte eigentlich jede und jeder gerne mehr. Das ist schön und gut. Aber wir sollten vor dem Hintergrund der wichtiger gewordenen Richtlinienkompetenz lieber schauen, welche Kompetenzen im Verwaltungsrat wirklich benötigt werden, anstatt nur „Ich Ich Ich“ zu rufen. 

Johanna Faltinat: Ich frage mich, warum der Verwaltungsrat weitgehend genauso besetzt ist wie bisher. Es wurde von einer großen Reform gesprochen. Warum wurde die Funktion des Verwaltungsrats nicht neu gedacht? Es könnte eine große Chance sein diesen als als wirkliche Repräsentation der Branche und somit der Zivilgesellschaft innerhalb dieser neuen Agentur, die die FFA werden soll, umzudefinieren. Das hätte man machen können. Allen Verbänden, die am Tisch sitzen, hätte man eine Stimme geben können, weil sie eine wichtige Perspektive beitragen. Ich finde es bedauerlich, dass diese Chance nicht genutzt wurde.

Was ist zu tun?

Margret Albers: Wir tun das, was wir als kleiner Verband tun können. Haben Stellungnahmen abgegeben, sprechen wie eingangs erzählt mit Parlamentarier:innen, sind im Austausch mit anderen Verbänden und hoffen auf das beste. Gleichwohl sind wir angesichts der fortschreitenden Zeit beunruhigt. Es ist April, für den Haushalt 2025 müssen Bedarfe angemeldet werden, die Branche braucht Informationen, um sich positionieren zu können.

Das Gespräch führte Barbara Schuster