Erst im Sommer waren in Kalifornien Sparmaßnahmen in Höhe von rund 16 Mrd. Dollar beschlossen worden, um ein diesjähriges Defizit von fast 50 Mrd. Dollar in den Griff zu bekommen. Dennoch trat Gouverneur Gavin Newsom nun mit dem ehrgeizigen Plan vor die Presse, das Budget für das „Film & Television Tax Credit Program“ von 330 auf jährlich 750 Mio. Dollar aufzustocken. Aus gutem Grund – und mit beeindruckenden Zahlen im Rücken.
Wenn das mal keine Ansage ist, die auch deutsche Haushälter hören sollten: Obwohl Kalifornien erst im Sommer Sparmaßnahmen in Höhe von rund 16 Mrd. Dollar beschlossen hatte, um ein auf knapp 47 Mrd. Dollar angeschwollenes Defizit in den Griff zu bekommen, blieb die Filmförderung unangetastet.
Und nicht nur das: Jetzt soll das Budget für das „Film & Television Tax Credit Program“ im kommenden Jahr mehr als verdoppelt werden. Gouverneur Gavin Newsom trat Anfang der Woche in den Raleigh Studios in Los Angeles vor die Presse, um seinen Plan vorzustellen, ab 2025 jährlich 750 Mio. statt wie bislang 330 Mio. Dollar für die Anreizförderung für Film- und TV-Produktionen in seinem US-Bundesstaat zur Verfügung zu stellen.
Das wäre die höchste Summe im Rahmen eines gedeckelten Modells, die innerhalb der USA für eine solche Maßnahme ausgegeben würde – nur Georgia arbeitet (als führender Produktionsstandort) mit einem ungedeckelten Ansatz. Der Bundesstaat New York arbeitet aktuell mit einem Topf von rund 700 Mio. Dollar (nach einer Aufstockung um 280 Mio. Dollar im vergangenen Jahr – die wiederum eine Reaktion auf die Förderkonkurrenz aus New Jersey war), hinzu kommen je nach Verwaltungsbezirk noch weitere (kleinere) Fördermaßnahmen. In Georgia (das zudem mit niedrigeren durchschnittlichen Produktionskosten als Kalifornien punkten kann) bewegten sich die jährlichen Steuergutschriften zuletzt zwischen 900 Mio. und 1,2 Mrd. Dollar.
„Die Ausweitung dieses Programms wird dazu beitragen, die Produktion im Land zu halten, Tausende gut bezahlter Arbeitsplätze zu schaffen und die lebenswichtige Verbindung zwischen unseren Gemeinden und der legendären Film- und Fernsehindustrie des Staates zu stärken“, so Newsom bei der Ankündigung seines Plans – den er mit mehr als beeindruckenden Zahlen unterlegte:
• Einer Studie der Los Angeles County Economic Development Corporation (LAEDC) aus dem Jahr 2022 zufolge (Sie finden sie hier) habe jeder einzelne im Rahmen des Tax Credit Program bewilligte Dollar mindestens 24,40 Dollar an Ausgaben ausgelöst; 16,14 Dollar an Bruttoinlandsprodukt generiert; 8,60 Dollar an direkten Lohnzahlungen – und 1,07 Dollar an anfänglichen staatlichen und lokalen Steuereinnahmen aus der Produktion im Bundesstaat.
• Seit seiner Einführung im Jahr 2009 habe das kalifornische Steuergutschriftenprogramm für Film und Fernsehen wirtschaftliche Aktivitäten in Höhe von über 26 Mrd. US-Dollar ausgelöst und mehr als 197.000 Arbeitsplätze für Schauspieler und Crewmitglieder im ganzen Bundesstaat geschaffen. Ins Leben gerufen wurde die Fördermaßnahme unter Gouverneur Arnold Schwarzenegger, damals noch mit einem Jahresbudget von 100 Mio. Dollar. Unter Gouverneur Jerry Brown wurde der Topf 2014 auf 330 Mio. Dollar aufgestockt.
• Das Programm sei Jahr für Jahr überzeichnet gewesen, allein in den vergangenen Jahren seien Schätzungen zufolge über 70 Prozent der Produktionen, die sich keine Gutschrift hätten sichern können, komplett aus Kalifornien abgewandert.
Auch wenn Newsom diese in seiner Rede nicht konkret bezifferte, sprach er doch von „erheblichen“ wirtschaftlichen Einbußen, die Kalifornien Jahr für Jahr dadurch erlitten habe, den Bedarf an Förderung nicht (annähernd) abdecken zu können.
Wie angespannt die Lage in Kalifornien tatsächlich ist, zeigten erst Mitte Oktober aktuelle Auswertungen von FilmLA. Demzufolge sei die Anzahl der Drehtage im dritten Quartal um fünf Prozent auf nur noch 5048 gefallen. Dies habe nicht nur das schwächste Quartal 2024 markiert – sondern der Wert habe unter jenem des Vergleichszeitraums aus dem Streikjahr (!) 2023 gelegen. Was zunächst beinahe undenkbar anmutet – allerdings spielte sich der absolute Löwenanteil des Rückgangs bei nicht-fiktionalen Formaten ab, bei denen die Drehtage um 56,3 Prozent auf 946 eingebrochen seien. Die Zahl der Drehtage für Kinofilmproduktionen stieg gegenüber dem Streik-Quartal hingegen um 26,6 Prozent auf 476 – ein Glanzlicht wurde damit aber nicht gesetzt. Tatsächlich lägen die jüngsten Werte über alle von FilmLA erfassten fiktionalen Sparten hinweg unter dem Schnitt der vergangenen fünf Jahre – und das sowohl bei Betrachtung des Quartals als auch des Standes nach neun Monaten.
„Die kalifornische Filmförderung ist ein bewährtes Instrument zur Schaffung von Arbeitsplätzen, das Studien zufolge einen positiven Nettoertrag für jeden zugeteilten Dollar liefert“, sagte FilmLA-Präsident Paul Audley anlässlich der Vorstellung der jüngsten Zahlen. „Was dem Programm fehlt, sind Finanzierungs- und Förderkriterien, die die Realität der Branche im Jahr 2024 widerspiegeln. Die Struktur des Programms und die Verwaltung durch die California Film Commission sind hervorragend. Aber so wie unsere Konkurrenten weiterhin innovativ sind, muss Kalifornien das Gleiche tun.“
Erwähnt sei, dass die California Legislative Analyst’s Office in einer Rolle, die jener des Bundesrechnnungshofes vergleichbar ist, der oben genannten Studie in Teilen widersprach, was die LAEDC allerdings zum Anlass nahm, ihre Analyse noch einmal weiter zu unterfüttern – und es ist diese, auf die sich Gouverneur Gavin Newsom stützt.
Während der kalifornische Tax Credit ab dem Stichtag 1. Juli 2025, an dem die „4.0“ getaufte Version des Förderprogramms starten soll, erstmals erstattungsfähig sein soll, ist zunächst nicht geplant, die prozentualen Förderhöhe zu ändern – maximal 25 Prozent werden gewährt. Damit läge Kalifornien nach wie vor hinter Georgia, wo zwar ein Basissatz von 20 Prozent gilt, wo allerdings ein Förderboost von zehn Prozentpunkten winkt, wenn man den Produktionsstandort bewirbt. Dafür soll laut dem US-Branchenmagazin „Deadline“ schon die fünfsekündige Einblendung des Staatslogos in den Credits ausreichen.
Newsoms Vorstoß muss von Senat und Unterhaus abgesegnet werden, angesichts der dortigen Mehrheitsverhältnisse besteht daran aber kein ernsthafter Zweifel. Vielmehr wird erwartet, dass im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens noch die eine oder andere Anpassung im Sinne der Branche zur Diskussion gestellt wird. Aktuell unterstützt das Programm nur fiktionale Produktionen, klammert Postproduktion und Schauspielgagen aus.
In seiner Rede, bei der Newsom auch einen Seitenhieb gegen Georgia austeilte („Ich bin nicht sicher, wie lange man sich das dort noch leisten kann“), betonte der Gouverneur nicht zuletzt, dass der Wettbewerb um Film- und TV-Produktionen ein globaler sei – und dass die Regierung der Vereinigten Staaten an dieser Stelle auch aktiv werden könne (und solle). Er ziehe jedenfalls schon einmal den Hut vor einer Mitbürgerin aus Los Angeles, die die Chance habe, ins Weiße Haus einzuziehen – und die dann womöglich auch zu diesem Thema das eine oder andere Wort zu sagen habe.