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REVIEW TV: „Außer Dienst? Die Gerhard Schröder Story“

In der ARD-Mediathek ist die NDR-Doku „Außer Dienst? Die Gerhard Schröder Story“ über den umstrittenen Altkanzler erschienen. Es ist ein faszinierender Einblick in den Reisealltag und Kopf eines trotzigen Machtmenschen.

Gerhard Schröder mit Reporter Lucas Stratmann und Frau Soyeon Schröder-Kim
Reporter Lucas Stratmann mit Gerhard Schröder und dessen Frau Soyeon Schröder-Kim (Credit: NDR)

CREDITS:

„Außer Dienst? Die Gerhard Schröder Story“; NDR; Autor: Lucas Stratmann; Redaktion: Christian von Brockhausen; Produktionsleitung: Bettina Wiesehuber; Start in ARD-Mediathek: 2. April 2024; ARD-Start: 8. April 2024 um 21 Uhr

REVIEW:

Verräter. Putin-Freund. Gas-Lobbyist. Das Image des SPD-Altkanzlers Gerhard Schröder ist vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs und seinen Positionen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin in der medialen Öffentlichkeit schon mal besser gewesen, um es euphemistisch auszudrücken. Wer aber nicht nur über Gerhard Schröder lesen, sondern sich selbst ein Bild des Altkanzlers in der aktuellen Situation machen will, hat dazu jetzt die Gelegenheit in der NDR-Dokumentation „Außer Dienst? Die Gerhard Schröder Story“, die seit dem 2. April in der ARD-Mediathek zu finden ist und am 8. April um 21 Uhr auch linear im Ersten ausgestrahlt wird.

Der Macher der Doku ist mit Lucas Stratmann kein Unbekannter. 2022 gewann er zusammen mit Katharina Schiele für die Doku-Serie „Kevin Kühnert und die SPD“ einen Deutschen Fernsehpreis. Stand bei der faszinierenden Reise des Kevin Kühnert vom Olaf-Scholz-Gegner zu dessen Generalsekretär vor allem der aufstrebende Jungpolitiker im Vordergrund, spielt Stratmann in „Außer Dienst“ eine viel aktivere Rolle vor der Kamera. Denn ein nicht unerheblicher Teil des Films besteht aus Interview-Ausschnitten, in denen der Reporter kritisch bei Schröder wegen Putin, Russland, der Ukraine und dem Verhältnis zu heutigen SPD-Verantwortlichen wie Saskia Esken, Lars Klingbeil oder eben auch Kevin Kühnert nachfragt.

Gerhard Schröder mit seiner Ehefrau auf China-Reise
Die Doku fängt teils geisterhafte Stimmungen auf der China-Reise ein (Credit: NDR/Lucas Stratmann)

Dieses Gegengewicht hielt der NDR offenbar für notwendig, um nicht in den Verdacht zu geraten, als öffentlich-rechtlicher Sender das Geschäft von Putin im Ukrainekrieg zu betreiben. Tatsächlich sind aber die stärksten Passagen der Doku diejenigen, in denen die Kamera einfach Gerhard Schröder und seiner Ehefrau Soyeon Schröder-Kim still auf Reisen oder den Golfplatz folgt. Sehr spannend ist dabei, die Rolle der Ehefrau des sehr bald 80-Jährigen zu beobachten: Wie sie ihn freundlich, aber bestimmt wie ein Bodyguard abschirmt, genau zuhört und die kritischen Interviews auch selbst mit der Handy-Kamera filmt, um im Zweifelsfall das Original griffbereit zu haben, falls der Sender das Material aus dem Zusammenhang reißen wollte.

Wie man auch immer zur Person Gerhard Schröder steht, gibt einem der Film einen faszinierenden und auch – ehrlich gesagt – kurzweiligen Einblick in die Gedankenwelt des Altkanzlers, der in seinem starren Festhalten an der Männerfreundschaft mit Putin geradezu trotzig wirkt. Es wird Foto-Material von Schröders Vermittlungsversuch in Istanbul zwischen Russland und der Ukraine gezeigt, Soyeon Schröder-Kim liest sogar aus dem Papier vor, auf welche Punkte sich die Parteien am Anfang des Krieges einigen konnten. Wenn man Schröder auf seinen Reisen zum Beispiel nach China beobachtet, wirkt er wie ein enttäuschter König ohne Reich, der nichts zu bereuen hat. Wenn auch „Außer Dienst“ inhaltlich keine wirklich neuen Erkenntnisse bietet, dann doch zumindest, mit welchen Kommunikationsstrategien sich ein bald 80-Jähriger in Interviews behaupten kann.

Am 7. April wird Gerhard Schröder 80 Jahre alt. Zu diesem Anlass entstand der Film, bei dem Lucas Stratmann den Kanzler a.D. einige Monate mit einem Kamerateam begleitete.

Michael Müller