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REVIEW TV: „Bis in die Seele ist mir kalt“

Starkes Provinzdrama mit Pia Hierzegger (auch Drehbuch) und Jutta Fastian, die in einem vielschichtigen Figuren-Reigen eine verdächtige Serie von Todesfällen älterer Damen aufklären müssen.

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„Bis in die Seele ist mir kalt“ (Credit: ORF/Mona Film/Helga Rader)

CREDITS: 
Land/Jahr: Österreich/Deutschland 2023; Regie: Daniel Geronimo Prochaska; Drehbuch: Pia Hierzegger; Produktion: Mona Film, Tivoli Film; Cast: Jutta Fastian, Pia Hierzegger, Clemens Berndorff, Alicia von Rittberg, Fritz Karl, Linde Prelog, Kevin Brand, Gerda Drabek u.a.; Kamera: André Mayerhofer; Szenenbild: Alexandra Pilhatsch; Kostümbild: Elisabeth Fritsche; Musik: Herwig Zamernik „Fuzzman“; Schnitt: Alarich Lenz; Förderung: Fernsehfonds Austria; FISA+, Carinthia Film Commission, Land Kärnten; Ausstrahlung: 7. Januar 2025; 20.15h in ORF 1

PREVIEW:
Es könnte so idyllisch sein im südlichsten Bundesland Österreichs mit dem Großglockner und den vielen Seen (nicht umsonst wird es auch Land des Wassers genannt)… Aber der Winter in Kärnten kann kalt und böse sein. Niemand sollte sich hier sicher fühlen, vor allem, wenn man jenseits der 75 ist und ein nettes Haus am See besitzt. Am Ossiacher See sieht’s ganz düster aus. Rund um den See herum wurden im letzten Monat sieben Tote gefunden. Zuletzt drei ältere Damen, eine von ihnen am Seeufer des Minigolfplatzes, das Gesicht zur Unkenntlichkeit aufgeschwemmt. Bei den anderen beiden kann Fremdeinwirken nicht ausgeschlossen werden. Deshalb kommt die Chefinspektorin Acham (Pia Hierzegger) aus Klagenfurt angereist, im schicken Kaschmir-Pullunder, grauer Wolljacke, dezente Farben (Kostüm: Elisabeth Fritsche). Sie schmiegt sich damit förmlich in die oft von Nebelschwaden durchwaberte entrückt-schöne Winterlandschaft mit dem Bergpanorama und dem sich im Wind still wiegenden Rohrschilf um den See herum. 

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„Bis in die Seele ist mir kalt“ (Credit: ORF/Mona Film/Helga Rader)

Polizistin Martina (Jutta Fastian) holt sie ab. Sie sind befreundet, haben aber ein gemeinsames Päckchen aus der Vergangenheit zu tragen. Martina ist in die Provinz gezogen, ist allein, Pech mit den Männern, ein hartes Jahr liegt hinter ihr mit zu viel Alkohol und Therapie. Schlaftabletten braucht sie. Ein bisschen neidet sie Acham, dass sie Kinder hat, wenn die auch alles allein managen muss. Die Oma passt auf, während Acham am Ossiacher See ermittelt. „Du hast es gut, wenn du mal alt bist, hast du deine Kinder.“ Denn da draußen in der Provinz ist man aufgeschmissen, verreckt man allein. „Offenbar werden die Menschen unsichtbar im Alter“, so Acham, die mit Martina in der Gegend ihre Befragungsrunde zum Tod der beiden alten Frauen beginnt. Denn selbst Martinas Vorgesetzter, der immerzu gut gelaunte und essende Rauchenberger (mit eigenem Kühlschrank im Büro: Clemens Berndorff), glaubt nicht, dass die Todesursache „Herzinfarkt, Schlagerl, Altersschwäche. So Sachen halt“ als Erklärung für alle ausreicht. 

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„Bis in die Seele ist mir kalt“ (Credit: ORF/Mona Film/Helga Rader)

Die Landkrimis aus Österreich sind ein besonderes Geschenk. Man lernt nicht nur Österreich und seine verschiedenen Bundesländer kennen, sondern auch deren landestypischen Eigenheiten, Besonderheiten, sei es im Dialekt oder bei Gebräuchen und Sitten. Außerdem erfreut man sich regelmäßig auch an der Arbeit besonders talentierter Filmteams – schließlich legt hier regelmäßig die Crème-de-la-Crème der österreichischen Filmschaffenden vor wie hinter der Kamera Hand an. Illustre Namen wie Marie Kreutzer, Harald Sicheritz, David Schalko, Wolfgang Murnberger, Marvin Kren, Eva Spreitzhofer, Catalina Molina oder Karl Markovics inszenieren Ermittlerteams aus ebenso renommierten Kolleg:innen wie (das superfleißige Duo) Hary Prinz/Anna Unterberger (Steiermark), Maria Hofstätter/Miriam Fussenegger (Oberösterreich), Patricia Aulitzky/Dominik Raneburger (Tirol), Manuel Rubey/Stefanie Reinsperger (Salzburg) oder eben – zum zweite Mal – Pia Hierzegger und Jutta Fastian. Der ORF, der den allerersten Landkrimi – „Die Frau mit einem Schuh“ von Michael Glawogger – 2014 zur Ausstrahlung brachte, hat sich vor einigen Jahren das ZDF als starken Partner an Bord geholt. Macht Sinn, denn nicht nur in Österreich sorgen sie für Topquoten, auch in Deutschland werden die Landkrimis gerne geguckt. Es wäre ein Jammer, würden sie nicht über die Grenze wandern. 

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„Bis in die Seele ist mir kalt“ mit Alica von Rittberg und Linde Prelog (Credit: ORF/Mona Film/Helga Rader)

Bis in die Seele ist mir kalt“ ist der mittlerweile vierte Landkrimi aus Kärnten und quasi die Fortsetzung von „Waidmannsdank“, der mit einem Millionenpublikum das Landkrimi-Quotenranking im ORF anführt. Den ersten Kärntner-Krimi, „Wenn du wüsstest, wie schön es hier ist“ von 2015, inszenierte Andreas Prochaska. Dann gab der Vater an den Sohn ab: Bei „Waidmannsdank“, Kärntner Landkrimi #2, nahm Daniel Geronimo Prochaska im Regiestuhl Platz, der natürlich längst eine feste Größe ist in Österreichs Filmlandschaft, seine Karriere als Editor begann und 2018 ins Regiefach wechselte mit der Stadtkomödie „Geschenkt“ und zwei Jahre später auch sein Talent als Kinoregisseur mit „Das schaurige Haus“ unter Beweis stellte. Nach diversen anderen erfolgreichen Fernseharbeiten ist Prochaska nun zurück im Landkrimi-Business mit Film #4 aus Kärnten (Film #3 war „Immerstill“ von Eva Spreitzhofer). Produktionsseitig arbeitete Daniel Prochaska wie schon bei „Waidmannsdank“ und manch anderem Format (z.B. dem Quotendominator „Kopftuchmafia“, „Am Ende – Die Macht der Kränkung“) mit Thomas Hroch und Gerald Podgornig von Mona Film und Tivoli Film zusammen. Die Geschichte von „Bis in die Seele ist mir kalt“ hat Pia Hierzegger in Drehbuchform gebracht, nachdem sie bei „Waidmannsdank“ den Roman von Alexandra Bleyer adaptiert hatte.

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„Bis in die Seele ist mir kalt“ (Credit: ORF/Mona Film/Helga Rader)

Hierzegger schafft in „Bis in die Seele ist mir kalt“ präzise Dialoge, kein Wort ist zu viel. Wie sie sich selbst als Chefinspektorin Acham ohne den Mü eines Lächelns aber hin und wieder auch mit unterschwelligem, sehr trockenem Humor („wir können stehen und reden gleichzeitig“) bei ihren Befragungen der vielschichtig gezeichneten Figuren der einheimischen Kauze – der Minigolfbesitzer (Robert Reinagl), das dem Alkohol zugeneigte arbeitslose Mamasöhnchen (Kevin Brand), die leicht demente alte Frau, die immer Geräusche hört und sich mit nicht registrierter Pistole und Schrotflinte verteidigt (wunderbar: Linde Prelog), der gierige Immobilienmakler (Fritz Karl), die von Schulden geplagte Bioladenbesitzerin, die als „Zugroaste“ zwar eine Außenseiterin ist, aber ein großes Herz für die alten Menschen hat (Alicia von Rittberg) – vorantastet, ist ein wahrer Genuss zuzusehen. Die Bilder sind streng durchkomponiert (Kamera: André Mayerhofer), die Farben entsättigt, herausgesogen. Manchmal wirken die Landschaftsaufnahmen wie aus einem Caspar-David-Friedrich-Gemälde, untermalt mit dem an einen Western, manchmal an „Norwegian Wood“ von den Beatles erinnernden Score von Herwig „Fuzzman“ Zamernik, der seine Kindheit in Kärnten verbrachte. Die Gegend mag ausgestorben sein, womit die Geschichte auf die Realität vieler ländlichen Ortschaften hindeutet (keine Wirtshäuser mehr, keine Läden mehr, keine sozialen Räume mehr, wie die Leute beklagen), aber seelenlos ist hier dennoch keiner, so eigenbrötlerisch man auch sein mag. Einsam, ja. Und Einsamkeit trifft einen nicht erst im Alter, ob mit Kinder, oder ohne Kinder, ob mit hohem oder niedrigem Blutdruck. Der pool little Fool ist nicht nur der Postbote. Und wenn alles nichts mehr nützt, hilft vielleicht Rauchenbergers Motto: „Einfach an was Schönes denken.“ 

Barbara Schuster