Die vierte Staffel von „Kommissar Van der Valk“ startet am heutigen 26. Dezember im Ersten. Kim Riedle spielt darin ihre erste internationale Rolle. Im SPOT-Interview spricht sie über die positive Erfahrung, aber auch die aufregende Reise, die sie mit der Emmy-prämierten Serie „Liebes Kind“ machte.
Die literarische Vorlage der internationalen Krimi-Reihe „Kommissar Van der Valk“ gibt es seit den 1960er-Jahren. Sie spielen jetzt eine Rolle in der schon zweiten filmischen Neuauflage des Amsterdamer Kommissars. Was wussten Sie vor der Rolle über den Stoff?
Kim Riedle: Ich kannte weder die Romane noch die Serie aus den 1970er-Jahren. Zum Casting bekam ich nicht das ganze Buch, sondern zwei Szenen, die ich aber mochte, weil die Dialoge gutgeschrieben sind. Ich fand meine Figur sehr schlagfertig. Mir gefiel der Schlagabtausch, dieses verbale Sparring, das sie mit Van der Valk hat. An das Casting in Berlin bin ich zwar neugierig, aber unbefangen rangegangen. Anja Dihrberg hat meine deutsche Rolle gecastet.
Die Serie ist auf Englisch gedreht. Haben Sie sich für die deutsche Synchronfassung der vierten Staffel, in der Sie Van der Valks Ex-Freundin spielen, selbst synchronisiert?
Kim Riedle: Es war das erste Mal, das ich mich überhaupt synchronisiert habe. Denn es war das erste Mal, dass ich auf Englisch drehte, was ich mir schon so lange gewünscht hatte. Ich liebe die englische Sprache. Vor dem Synchronisieren hatte ich Respekt, weil mir die Erfahrung fehlte. Aber ich wollte es gerne selbst machen, weil ich es auch eigenartig gefunden hätte, wenn mich in der Muttersprache plötzlich jemand anderes spricht. Das wurde begrüßt. Es stellte sich heraus, dass ich das ganz gut kann. Wobei ich privat auch gerne Originalfassungen schaue. Unsere Synchronfassung ist aber generell ziemlich gut geworden. Auch wenn meine Kollegen im Original so großartige Stimmen mit unterschiedlichen Akzenten haben.
„Kommissar Van der Valk“ gab es in dieser Konstellation als Krimi-Reihe schon drei Staffeln lang. Sie sind jetzt mit Ihrer Rolle der Kalie Tenkers in der vierten Staffel dazugekommen. Wie leicht oder schwer war es, in diesem schon eingespielten Team dazuzustoßen?
Kim Riedle: Ich wurde super aufgenommen. Alle waren herzlich und gütig. Ich war schon nervös, aber das geht mir auch so vor dem ersten Drehtag in Deutschland. Ich fühlte mich ein Stückweit wie ein Anfänger, was ich aber ein ganz schönes Gefühl fand, dass man eine ganz andere Art von Herausforderung hat. Ich spreche fließend Englisch, habe aber noch nicht in der Sprache gearbeitet. Die anderen Schauspieler haben ihre etablierten Figuren. Da ist man bis zu einem gewissen Grad wie die Neue in der Klasse. Es hat mir aber alles wahnsinnig Freude gemacht.
Haben Sie jetzt auch vor dem Hintergrund, dass Ihre Netflix-Miniserie „Liebes Kind“ ein Welthit war, international Blut geleckt?
Kim Riedle: Ja, auf jeden Fall. Ich würde gerne mehr international drehen. Es bringt auch einen anderen Blick auf die Themen, wenn die Geschichte aus dem Blickwinkel eines anderen Kulturkreises erzählt wird. Ich fand es, bei „Kommissar Van der Valk“ mit Niederländern und Briten am Set zu stehen, die auch nochmal vom Typ her komplett unterschiedlich sind, bereichernd. Hauptsächlich will ich gute Filme machen und Geschichten erzählen, die eine Kraft haben und berühren können. Dann ist es auch egal, ob es hier oder international gedreht wird.
Noch vor „Liebes Kind“ hatten Sie schon 2017 einen ersten großen Aufschlag in der Perspektive Deutsches Kino auf der Berlinale in Mia Spenglers Regiedebüt „Back for Good“, wo sie schauspielerisch eine kleine Sensation waren. War das Projekt ein wichtiger Eckpfeiler Ihrer Karriere?
Kim Riedle: Auf allen Ebenen. Das war die erste Rolle, die mir überhaupt den Raum gegeben hat, mich als Künstlerin und Spielerin zu zeigen. Gleichzeitig war es wahrscheinlich auch der erste Film, in dem ich mitspielte, den ich selbst gerne geguckt habe. Das kommt leider selten vor, weil es schwierig ist, Abstand von einer Rolle zu bekommen. Ich erinnere mich noch genau daran, als ich damals den Screener von „Back for Good“ bekam, den Film ansah und dachte: Oh Gott, ich glaube, der ist richtig gut. Meine Rolle als Reality-Sternchen war auch keine sichere Bank, weil die Figur so extrem ist und man sich ein bisschen was trauen musste. Mia hatte mir damals beschrieben, welchen Film sie machen wollte. Und sie hat dann genau diesen Film gemacht. Das kommt nicht oft vor. Das hat mir großes Vertrauen ins Filmemachen gegeben. Und dann wurde es auch noch gesehen. Der Film erhielt Preise und öffnete mir Türen.
Ihre Serie „Liebes Kind“, die gefühlt seit Jahren schon Schlagzeilen als eines der erfolgreichsten Netflix-Formate macht, erreichte Ende November mit dem Gewinn des International Emmy in New York wohl den finalen Höhepunkt. Wie blicken Sie auf diese Reise zurück?
Kim Riedle: Ich blicke immer noch mit Staunen auf diese Reise zurück. Ich bin dankbar, dass ich solch eine Chance bekam. Als ich die Bücher zu „Liebes Kind“ las, dachte ich mir, dass ich an einem Punkt in meiner Karriere bin, dass ich das gestemmt bekomme. Mir war klar, was das für eine Chance ist, weil Netflix auch eine große Reichweite hat. Dass sich das aber so doppelt und dreifach einlöste, damit kann man nicht rechnen. Das ist jetzt ein schönes Gefühl. Denn es war keine leichte Rolle und auch kein leichter Dreh. Es hat mich was gekostet, das zu spielen.
Sie meinen vor allem emotional? In „Liebes Kind“ spielen sie eine entführte Frau, die von einem Mann in einem Bunker gefangen gehalten wird.
Kim Riedle: Es war ein dreieinhalbmonatiger Dreh. Ich spiele eine Rolle, die viel durchmacht. Nach einer Weile kann der Körper das nicht mehr richtig trennen. Das geht in die Zellen. Ich war erschöpft und konnte die Rolle auch nicht mehr so gut in der Garderobe aufhängen und nach Hause gehen. Ich habe eine große Einsamkeit während des Drehs gespürt, weil die Figur so wahnsinnig isoliert ist. Trotz eines fantastischen Teams, was mich getragen hat. Es ist wahrscheinlich auch gar nicht anders möglich, als es so zu machen. Ich wollte das. Ich wollte da reinspringen. Dass das dann so viele Menschen sehen und sich auch davon berührt fühlen, ist schön. Ich habe es aber immer noch nicht so richtig verarbeitet. Dann als Team diesen irren Preis in New York zu erleben: Diese Euphorie und Überraschung! Ich war das erste Mal in New York. Es war wie ein Traum. Und jetzt habe ich eine Nominierung von der Deutschen Akademie für Fernsehen bekommen. Ich komme nicht mehr hinterher mit dem Verarbeiten. Durch die Erfahrung mit „Back for Good“ weiß ich, dass solche Projekte Türöffner für neue Chancen sein können. Das ist das, was ich mir am meisten wünsche: Gute Rollenangebote bekommen und mit guten Kollegen an Filmen arbeiten zu können, die eine Kraft besitzen.
Wie ist denn das überhaupt passiert, dass Sie vor der Nominierung der Deutschen Akademie für Fernsehen noch nirgendwo anders bedacht wurden?
Kim Riedle: Ich finde, das ist jetzt die schönste Auszeichnung, weil die Nominierung von den Kollegen kommt. Die Kolleginnen, die neben mir nominiert sind, sind wahnsinnig gute Schauspielerinnen. Dass ich mit denen jetzt in einer Reihe stehe, ist eigentlich Ehre genug. Aber das ist auch das Schöne an dem Beruf, dass man plötzlich neben Menschen steht, die man so lange bewundert und selbst geguckt hat.
Was machen Sie als Nächstes?
Kim Riedle: Ich habe gerade mit der Regisseurin Friederike Jehn einen Stuttgarter „Tatort“ abgedreht und durfte wie schon in „Liebes Kind“ mit Hans Löw zusammenspielen. Das war ein schöner Dreh und eine besondere Rolle. Und vermutlich werde ich jetzt „Kommissar Van der Valk“ mit meiner Familie an Weihnachten auf Deutsch gucken. Das mache ich normalerweise nie. Aber in diesem Fall werde ich mich wohl danebensetzen und mitschauen.
Das Interview führte Michael Müller