SmHJHX

Am Freitag, den 25.10. werden wir ab 15.00 Uhr bis ca. 18 Uhr umfangreiche technische Wartungsarbeiten durchführen. Vielen Dank für Ihr Verständnis.

Matthijs Wouter Knol von der European Film Academy: „Mehr Mitglieder, ein vielfältiger Vorstand, eine großartige Präsidentin!“

Am 7. Dezember werden die European Film Awards verliehen. Wir sprachen im Vorfeld mit Matthijs Wouter Knol, CEO der European Film Academy, über den Status quo der Academy, des europäischen Films und die Wahl von Luzern als Austragungsort der diesjährigen Verleihung.

image  scaled e x
Matthijs Wouter Knol (Credit: Anthony Icuagu)

Wie geht’s dem europäischen Film?

Matthijs Wouter Knol: Wenn man sich die diesjährige Auswahl der Academy anschaut, kann man sagen: Dem europäischen Film geht es gut. Wir haben in der Auswahl etwa 70 Filme vereint, die die große Vielfalt und hohe Qualität des europäischen Geschichtenerzählens 2024 abbilden. Die Auswahl setzt damit das Zeichen, dass in Europa starke Geschichten erzählen werden können und dass vor allem bei den Filmschaffenden das Bedürfnis besteht, solche relevanten Geschichten zu realisieren. Wir können durchaus wertschätzen, welch hohes Niveau wir in Europa filmisch inzwischen erreicht haben. Gleichzeitig müssen wir aber auch jederzeit bereit stehen, dafür zu kämpfen und sicherzustellen, dass die Freiheit für Filmschaffende, ihre Filmideen umzusetzen, nicht angetastet wird.

Wie geht’s der European Film Academy? Sie haben nicht nur eine neue Präsidentin seit diesem Jahr. Es wurden wieder neue Mitglieder aufgenommen, es wurde die Federation of Film Academies Europe gegründet… Was hat Sie dieses Jahr alles umgetrieben und auf Trab gehalten?

Matthijs Wouter Knol: Der European Film Academy geht es gut. Sie ist in steter Bewegung, könnte man sagen. Die Rekordzahl an neuen Mitgliedern zeigt, dass wir in der Branche noch einmal mehr als relevant und hilfreich wahrgenommen werden und dass offenbar auch unsere Initiativen Wirkung zeigen. Sicher hat auch unsere Entscheidung geholfen, dass für den insgesamt fast 20-köpfigen Academy-Vorstand nun Vertreter*innen aus 15 festgelegten Regionen Europas gewählt werden, wodurch der Vorstand deutlich vielfältiger und demokratisch repräsentativer geworden ist. Ich glaube aber auch, die Menschen und deshalb auch Filmschaffende, suchen in zunehmend verunsichernden Zeiten stärker nach Gemeinschaft. Die Academy kann dieses Bedürfnis für die europäische Filmbranche ein wenig auffangen.

„Wollen weitere Veränderungen auf den Weg bringen.“

Welche Rolle spielt da die Federation of Film Academies Europe?

Matthijs Wouter Knol: Im Prinzip fällt auch die Gründung der Federation of Film Academies Europe in diese gesellschaftliche Entwicklung. Wir haben uns ja immer wieder bei den großen Festivals gesehen und ausgetauscht. Irgendwann entstand die Idee, diese Nähe zu institutionalisieren. Dabei ist sehr schnell deutlich geworden, wie viel wir gemeinsam haben und wie viel wir voneinander profitieren, indem wir voneinander lernen und Kräfte bündeln. Die Zusammenarbeit der Akademien in Europa zu stärken, ist einfach enorm wichtig in Zeiten, in denen die Relevanz von Kultur und Kulturpolitik und die Unterstützung für das Europäische Kino offen in Frage gestellt werden. 

Und was sagen Sie über die neue EFA-Präsidentin, Juliette Binoche?

Matthijs Wouter Knol: Mit Juliette Binoche haben wir eine neue Präsidentin, die unsere Ziele und unsere Werte teilt. Sie wird aber auch eigene Akzente setzen und sich aktiv ins Academy-Geschehen einbringen. Ich freue mich sehr, mit ihr die European Film Awards in Luzern zu erleben. 

Mike Downey and Matthijs Wouter Knol e x
Mike Downey, Vorstandsvorsitzender der European Film Academy, und Matthijs Wouter Knol (Credit: Sebastian Gabsch)

Sind Sie zufrieden mit der Entwicklung der European Film Academy? 

Matthijs Wouter Knol: Ja, das bin ich. Mehr Mitglieder, ein vielfältiger Vorstand, eine großartige Präsidentin und in großer Akzeptanz eingebunden in die Gemeinschaft der europäischen Länderakademien fühlen wir uns derzeit recht wohl. Und kraftvoll genug, um weitere Veränderungen auf den Weg zu bringen, etwa, was die bessere Ansprache der unterschiedlichen filmischen Gewerke angeht.

„Ich halte Diversität und Inklusion in der Tat für einen wesentlichen Faktor.“

Wie entwickeln sich Angebote wie der von Ihnen angestoßene Month of European Film? Ihnen geht es ja vor allem um mehr Sichtbarkeit für den europäischen Film. Gelingt das?

Matthijs Wouter Knol: Ich habe 2021 die Aufgabe als Geschäftsführer mit der Absicht übernommen, aus der European Film Academy eine Institution zu machen, die sich nicht nur darauf fokussiert, europäische Filme in einem kleinen, elitären Kreis zu feiern und sich vor allem um die eigenen Mitglieder zu kümmern. Wir wollen das europäische Kino wieder relevanter und sichtbarer machen. Das europäische Kino hat nichts davon, wenn es von ein paar wenigen als Beruf oder Hobby am Rande betrieben wird. Denn das europäische Kino steht für viel mehr, nicht zuletzt für Demokratie und Meinungsvielfalt. Nach einem erfolgreichen europaweiten Start im Jahr 2022 und einer großartigen zweiten Ausgabe im Jahr 2023 mit 75 Partnern, feiert der Month of European Film 2024 als Europas eigene Film- und Preissaison seit dem 1. November die Vielfalt des europäischen Films, bis zum finalen Höhepunkt am 7. Dezember mit der Verleihung der European Film Awards in Luzern. In ganz Europa werden dank Europa Cinemas, ein Partner der Academy, in über 100 Städten in 42 Ländern von Island bis Griechenland, von Portugal bis Georgien – darunter Hauptstädte, Kleinstädte und nationale Kinonetze – europäische Filme mit Sonderprogrammen, Veranstaltungen und speziellen Retrospektiven gezeigt. Montenegro ist dabei das erste Land in Europa, das mit allen Kinos des Landes teilnimmt. Gleichzeitig präsentiert die globale Streaming-Plattform MUBI einen besonderen Schwerpunkt auf europäischen Filmen, das VoD-Portal DAFilms hebt eine Auswahl europäischer Dokumentarfilme hervor, und Festival Scope feiert die Kurzfilmkandidaten für die European Film Awards, so dass Filmliebhaber*innen auf der ganzen Welt teilnehmen können. Wir rücken das europäische Kino für viele Menschen auf diese Weise näher an ihr eigenes Zuhause. Und auch die Academy baut so ihr Netzwerk weiter aus. 

Sie stellen Diversität und Inklusion ins Zentrum Ihrer Arbeit und sind dafür bekannt, sich Gedanken zur Diversifizierung von Organisationsstrukturen innerhalb der europäischen Filmindustrie zu machen. Geht es denn voran? 

Matthijs Wouter Knol: Ich halte Diversität und Inklusion in der Tat für einen wesentlichen Faktor, um ein Umfeld zu schaffen, in dem sich jeder und jede Einzelne wertgeschätzt und anerkannt fühlt aufgrund ihrer einzigartigen Herkunft und Erfahrung. Das ist wichtig auf institutioneller Basis wie innerhalb der Academy und umso mehr für die Filmbranche, die wie kaum eine andere Branche durch ihre visuelle und emotionale Kraft Haltungen transportieren kann. Die Academy hat für ihre eigene tägliche Arbeit und insbesondere für die European Film Awards Diversitäts- & Inklusionsstandards entwickelt, die wir umzusetzen versuchen. 

Europaplatz   e x
Das KKL Luzern, Austragungsort der European Film Awards 2024 (Credit: KKL Luzern, Switzerland)

Der European Film Award findet dieses Jahr in der Schweiz statt, genauer gesagt in Luzern. Was können Sie über die diesjährige Preisverleihung verraten? Wie wird eigentlich die Wahl für den Austragungsort getroffen?

Matthijs Wouter Knol: Jedes zweite Jahr richten wir die European Film Awards in Berlin und dazwischen in einer anderen europäischen Stadt aus. Die Schweiz hat vor ungefähr zehn Jahren Interesse angemeldet. Jetzt ist es soweit, dass das europäische Kino in die Schweiz kommt, genauer gesagt, nach Luzern kommt. Besonders wichtig war uns bei der Auswahl das umfangreiche Rahmenprogramm, das unsere Partner in der Schweiz rund um die Verleihung planten. Wir waren uns einig, dass das europäische und Schweizer Kino mehr verdient als nur ein Wochenende, an dem wir die Preise vergeben. Die Veranstaltungen des Rahmenprogramms richten sich sowohl an ein breites Publikum als auch an die Schweizer Filmbranche. So haben beispielsweise in der Stadt Luzern und in der Zentralschweiz im Vorfeld der Preisverleihung Veranstaltungen wie Filmvorführungen mit Filmschaffenden und Filmgespräche stattgefunden. Auch Schweizer Filmfestivals und Filmevents haben dieses Jahr in ihren Programmen ihr besonderes Augenmerk auf das europäische Filmschaffen gerichtet und die Vernetzung zwischen der Schweiz und Europa mit Veranstaltungen, Debatten und Filmprogrammen thematisiert. Die Cinémathèque suisse präsentiert ein Spezialprogramm mit prämierten Filmen aus der Geschichte der European Film Awards. Zudem zeigt die SRG SSR auf ihren Sendern und auf der Streaming-Plattform Play Suisse ein Programm mit Schweizer und europäischen Filmen, die für die European Film Awards nominiert und ausgezeichnet wurden. Schließlich wird die Verleihung der European Film Awards in Zusammenarbeit mit der SRG SSR europaweit live übertragen.

Bereits in Reykjavik hatten Sie einen anderen Ansatz, die Verleihung nicht zu elitär nur für die Branche gedacht zu machen… die Bevölkerung miteinbeziehen… setzen Sie diesen Gedanken fort?

Matthijs Wouter Knol: Ja, wie gesagt, das öffentlichkeitswirksame Rahmenprogramm der Schweiz war eine zentrale Komponente für die Auswahl Luzerns als Austragungsort.

Den Ehrenpreis fürs Lebenswerk erhält dieses Jahr Wim Wenders, Gründungsmitglied und langjähriger Präsident der EFA. Eine längst überfällige Huldigung? 

Matthijs Wouter Knol: Mit dieser Auszeichnung würdigt die Academy das herausragende Werk von Wim Wenders, der mit neugierigem Blick und offenem Geist immer wieder Neues erforscht und filmische Experimente wagt. Als eines der Gründungsmitglieder der European Film Academy, als ihr Vorsitzender von 1990 bis 1995 und als Präsident bis 2020, ist Wim Wenders der European Film Academy ja nicht nur sehr verbunden, er hat sie geprägt, wie kaum jemand sonst. Sein Engagement zu würdigen und ihm zu danken ist selbstverständlich und wenn Sie so wollen natürlich auch überfällig. 

ALL WINNERS e x
Die Gewinner der European Film Awards 2023 (Credit: Sebastian Gabsch/EFA)

Sie haben die Leitung der European Film Academy in einer schwierigen Zeit angetreten, 2021, als die ganze Welt mit einer Pandemie zu kämpfen hatte. Diese hat Spuren hinterlassen, in vielen Bereichen, auch in der Film- und Kinobranche. Kriege sind dazugekommen, ein US-Wahlergebnis, das Kopfschütteln verursacht… wie ist Ihr Blick vor dem Hintergrund des Gründungsgedanken der European Film Academy, den europäischen Film zu stärken? Wie sieht die Zukunft des europäischen Kinos aus?

Matthijs Wouter Knol: Die Welt spiegelt sich im Film. Und so reagiert auch das Filmschaffen unmittelbar auf gesellschaftliche und politische Fehlentwicklungen. Das lässt sich Jahr für Jahr gut an den Nominierungen zum European Film Award ablesen. Und auch die Academy ist nicht in einem Elfenbeinturm errichtet. Die European Film Academy war immer politisch. Etwa in dem Sinne, dass sie sich für Filmschaffende einsetzt. In den letzten Jahren mehr und mehr. Der Fall des ukrainischen Regisseurs Oleg Senzow, der vom Kreml verfolgt wurde, ist ein gutes Beispiel. Wir haben uns für seine Freilassung aus dem Gefängnis eingesetzt. Oder der Einsatz für den Filmemacher Andrei Gnyot, der drohte, aus Serbien nach Weißrussland abgeschoben zu werden. Und zuletzt ging es um Relja Stanojević. Der serbische Filmemacher war bei einer Demonstration in Novi Sad festgenommen worden. Wir haben uns der Forderung des serbischen Regieverbands (AFRS), der serbischen Screenwriter Guild und dem Verband der serbischen Filmproduzenten angeschlossen, Relja Stanojević sofort freizulassen, was inzwischen geschehen ist. Es ist inspirierend, zu sehen, dass das, was wir da machen, auch relevant ist, dass wir etwas bewegen können. Und wir wollen uns verstärkt für verfolgte Filmschaffende einsetzen und engagieren. Dafür haben wir ja schon vor einiger Zeit die Organisation ICFR (International Coalition for Filmmakers at Risk) gemeinsam mit zahlreichen anderen Akademien und Filmfestivals aus ganz Europa gebildet, die sich gezielt für Filmschaffende einsetzt, die politisch verfolgt werden. Daher, ja, die Academy wird politischer, weil die Welt und unser Ruf das auch verlangen.

Die Fragen stellte Barbara Schuster