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REVIEW KINO: „Toni und Helene“

Roadmovie mit zwei ganz unterschiedlichen Seniorinnen, die sich auf der Fahrt nach Zürich zusammenraufen müssen.

CREDITS:
Land / Jahr: Deutschland, Österreich 2024; Laufzeit: 95 Min.; Regie, Drehbuch: Gerhard Ertl, Sabine Hiebler; Besetzung: Margarethe Tiesel, Christine Ostermayer, Julia Koschitz, Manuel Rubey; Verleih: Alpenrepublik; Start: 5. Dezember

REVIEW:
Toni spricht, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Der Glimmstengel ist ihr bester Freund. Auf den nach einem Sturz von der Krankenkasse bewilligten einwöchigen Reha-Aufenthalt in einer vornehmen Altersresidenz freut sie sich, als wäre es ein Urlaub in der Karibik. Mit Wohlwollen lässt sie sich von den kräftigen jungen Johanniter-Mitarbeitern auf der Trage die Treppen hinuntertragen, obwohl sie längst wieder gut zu Fuß ist. Aber das muss ja niemand wissen. Wenn schon, denn schon. Ein fürstliches Zimmer bekommt sie, das Rauchverbot nimmt sie mit mürrischem Gesichtsausdruck zur Kenntnis. Dann halt auf den Balkon. Dort wird sie gleich von ihrer Zimmernachbarin angeraunzt – wobei man bei Helene nicht von raunzen sprechen kann. Die feine Dame könnte das gar nicht. Mit wohlgewählten Worten weist sie Toni darauf hin, dass das Rauchen auch auf dem Balkon verboten sei. 

Die feine Dame kommt Toni bekannt vor, allerdings fällt ihr nicht ein, woher. Helene reagiert abweisend, will sich auf keine Unterhaltung einlassen. Sie ist eine Einsiedlerin, stets adrett gekleidet und frisiert. Im Esssaal fällt der Groschen: Eine berühmte Schauspielerin ist sie! Ja sicher. Doch Toni kennt Helene nicht etwa vom Theater, wo sie einst in großen Inszenierungen gefeiert wurde, sondern vom Fernsehen. Eher Tonis Medium. Auf geht’s zur Autogrammjagd. Toni platzt zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt herein: Helene ist gerade dabei, ihrem Neffen und dessen Frau, die einen verzogenen Rotzlöffel haben, der nur Schnitten isst, zu verkünden, dass sie in die Schweiz fährt, um Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen. Sie habe keine Lust, ihren Krebs ein weiteres mal therapieren zu lassen. Dumm nur, dass sie sich nicht um die Fahrt nach Zürich gekümmert hat. Denn ihr Neffe weigert sich, eine so unkatholische Entscheidung zu unterstützen. Da springt Toni ein…

So nimmt die Reise der beiden älteren Damen ihren Lauf in dem von feinem Humor geprägten Road- und Buddymovie, das das österreichische Filmemacherduo Sabine Hiebler und Gerhard Ertl geschrieben und inszeniert hat und bei dem sie sich nach ihrem „Anfang 80“ erneut den Themen Alter und Selbstbestimmung zuwenden. Für die Produktion zeichnen Orbrock Film (Ulrich Gehmacher) und Tivoli Film (Gerald Podgornig & Thomas Hroch) verantwortlich, die damit am österreichischen Boxoffice auf Platz drei der erfolgreichsten heimischen Produktionen 2024 gelandet sind mit über 60.000 Besuchern. 

Zwei so unterschiedliche Temperamente, zwei so unterschiedliche Lebensweisen in einen schicken Oldtimer-Jaguar zu setzen, funktioniert hervorragend, vor allem, wenn man auf das Können einer ebenso hervorragenden Besetzung zurückgreifen kann: die beiden Grandes Dames der österreichischen Schauspielerinnengarde, Christine Ostermayer (die bereits in „Anfang 80“ die weibliche Hauptrolle spielte, ebenfalls eine krebskranke Frau) und Margarethe Tiesel rocken den Film von Anfang bis Ende. Tiesel als Toni mit breitem Dialekt, ein Working-Class-Hero, die ihr Kind alleine großgezogen hat und trotz vieler Widrigkeiten im Leben immer positiv geblieben ist, Ostermayer als Helene, die müde ist von ihrem Leben, das sie stets einem strengen Plan unterwarf, und, laut Toni, einfach nur einen Stock im Arsch hat. Sowohl Tiesel als auch Ostermayer wurden vor nicht allzu langer Zeit zurecht bei der Diagonale mit dem Großen Schauspielpreis gefeiert (Tiesel 2023, Ostermayer 2021) und traten passenderweise auch mal beim Österreichischen Filmpreis gegeneinander an, genauer gesagt 2013, als beide für die beste Hauptrolle nominiert waren (Tiesel gewann). 

„Toni und Helene“ ist in gewisser Weise Österreichs Seniorinnen-Antwort auf „Thelma & Louise“, in der es am Ende um Verständnis und Akzeptanz des Anderen geht und um Frauenfreundschaft im Alter. In Erinnerung bleiben Szenen wie die in der Raststätte (die Pinkel-Pausen, die Toni aufgrund ihrer Inkontinenz braucht, bringen Helene zur Verzweiflung), wo die beiden einander aus ihren Leben erzählen. Die eine, die als Schauspielerin irgendwann aufs Abstellgleis geschoben wurde, nachdem sie immer weniger Aufträge bekam, zuletzt nur noch „die Alte“ oder „die kranke Alte“, „die sterbende Alte“ oder „die demente Alte“ spielen durfte (ein Thema, das tatsächlich virulent ist bei Schauspielerinnen ab einem gewissen Alter) und die Gründung einer Familie zugunsten ihrer Karriere opferte; die andere, bei der nichts glamourös war und die ihr Leben runterbricht auf: jung geheiratet, schwanger, geschieden, gearbeitet – das Übliche halt. Oder wie die Szene mit Stefanie Sargnagel als Cameo, mit der Hiebler und Ertl den Film „Stargnagel – Der Film“ gemacht haben, in dem die Satirikerin eine Diskussion um das Thema „In Würde Altern“ anstößt und unterstreicht: „In Würde Altern ist eigentlich voll die depperte Floskel. Im Grunde genommen ist das total frauenfeindlich. Man sollte überhaupt nicht in Würde Altern. Man sollte die ganze Gesellschaft laut mit der eigenen Todesangst belasten.“ Famous last words. Auch in dieser Review.

Barbara Schuster