Fortsetzung des legendären Historienepos aus dem Jahr 2000, in dem Paul Mescal als Sohn von Maximus in die Fußstapfen von Russell Crowe tritt.
FAST FACTS:
• Fortsetzung des legendären Oscargewinners von 2000
• „Gladiator“ hatte in Deutschland 3,6 Mio. Tickets; weltweites Einspiel: 450 Mio. Dollar
• 29. Spielfilmarbeit des 87-jährigen Sir Ridley Scott
• Phänomenal besetzt mit Paul Mescal, Pedro Pascal und Denzel Washington
• Materialschlacht mit einem Budget von zwischen 250 und 310 Mio. Dollar
• Letzter Film im Verleih von Paramount Pictures Germany (RIP)
CREDITS:
Land / Jahr: USA 2024; Laufzeit: 148 Minuten; Regie: Ridley Scott; Drehbuch: David Scarpia; Besetzung: Pedro Pascal, Paul Mescal, Denzel Washington, Connie Nielsen, Joseph Quinn, Fred Hechinger, Derek Jacobi; Verleih: PPG; Start: 14. November 2024
REVIEW:
„Gladiator“ ist einer dieser Filme, der sich auf immer ins Gedächtnis eingebrannt hat: die Schlacht gegen die Barbaren zu Beginn, „Are you not entertained?“, Russell Crowe, wie er am Schluss des Films die Hände über die Ähren streichen lässt. Ein moderner Klassiker, ausgezeichnet mit fünf Oscars, u. a. als bester Film und für die beste Hauptrolle (allerdings nicht die beste Regie; in diesem Jahr gewann Steven Soderbergh für „Traffic“), ein Wiedergänger der legendären Historienepen Hollywoods aus den Fünfzigerjahren, „Quo Vadis“, „Ben Hur“, „Spartacus“, die mit raumgreifenden Breitwandbildern dem jungen Konkurrenten Fernsehen Paroli boten und die Zukunft des Kinos sicherten, indem sie die Vergangenheit in monumentalen Kompositionen aufleben ließen. Immer wieder waren Versuche unternommen worden, dieses Filmereignis, Russell Crowes krönender Moment als Schauspieler, fortzusetzen: Ein legendäres, gleichwohl unverfilmtes Drehbuch von Nick Cave findet sich nach wie vor im Netz, das Maximus‘ Reise durch die Welt der Toten beschreibt.
24 Jahre danach ist es David Scarpa, der für Ridley Scott bereits die Bücher für „Alles Geld der Welt“ und „Napoleon“ geschrieben hatte, gelungen, ein Drehbuch vorzulegen, das das Placet des in Kürze 87-jährigen Sir Ridley erhielt, der im unveränderten Tempo nahezu im Jahresrhythmus neue Filme vorlegt, eine Großproduktion nach der anderen, allesamt geedelt und geadelt von dem „besten Auge im Geschäft“ (Produzent Michael Deeley, „Die durch die Hölle gehen“). Exakt zwölf Monate nach dem belustigten Historienritt „Napoleon“, in Deutschland mit 1,2 Millionen Tickets die erfolgreichste ureigentlich für einen Streamer entstandene Produktion überhaupt, erblickt nun „Gladiator II“ die Augen der Welt, die Fortsetzung der hierzulande mit 3,6 Millionen Tickets unverändert erfolgreichsten von nunmehr 29 Regiearbeiten des Briten. Bei Jupiter und Charlton Heston!
Wie „Gladiator“ erzählt auch die Fortsetzung die Geschichte einer Heimkehr, nur dass man in beiden Filmen eine Weile braucht, bis sich das abzeichnet. Zuerst ist Schlachtengetümmel und Überlebenskampf. Überhaupt spiegelt sich der neue Film stark im Original, die Geschichte des Maximus hängt wie ein Menetekel über den Ereignissen, die sich hier in 148 Minuten abspielen und schließlich in den Untergang des Römischen Reichs münden. Drunter macht’s Sir Ridley nicht. Es ist ein „Gladiator“ auf Steroiden, alle Regler auf elf, oftmals eine Groteske, die ihr Blatt so genussvoll überreizt und over the top ist, dass es nur Absicht sein kann: Exzess als Stilmittel. Als hätte Ridley Scott sich von Fellini inspirieren lassen für diesen galligen und ultrabrutalen Abgesang, dieses Oratorium mit seiner christlichen Symbolik, in dem der junge Lucius bei der Verteidigung seiner Heimatstadt in Nordafrika gegen die Übermacht der Römer miterleben muss, wie seine Frau im Kampf auf Befehl des Feldherrn Marcus Acacius von Bogenschützen erschossen wird und nach seiner Gefangennahme und Versklavung nur noch von dem Gedanken nach Vergeltung getrieben wird. Das Rom, in das er gebracht wird, ist ein Schatten seiner selbst: Mochte der von Joaquin Phoenix gespielte Commodus in „Gladiator“ irr und feige gewesen sein, so ist das jetzige Kaiser-Brüderpaar Geta und Caracalla gelebte Dekadenz, syphilitisch und degeneriert, moralisch bankrott und ach so gelangweilt, das die Unzufriedenheit der Massen lediglich mit immer noch bizarreren Brot und Spielen in Zaum halten kann.
Bald schon steht auch Lucius in den Arenen, muss sich in aberwitzigen Sequenzen der Angriffe aufgepeitschter Affen und überdimensionierter Nashörner erwehren und kämpft in einem gefluteten Kolosseum voller Haifische in der Nachstellung einer Seeschlacht ums Überleben. Hey, warum auch nicht? Are you not entertained! In der Tat: Es sind überbordende Bilder in albtraumhaften Tableaux, die Ridley Scott da mit seinem Kameramann John Mathieson und begleitet vom schmetternden Score von Herry Gregson-Williams heraufbeschwört, ein Königreich der Hölle, das den Zuschauer impliziert in den Rausch der Gewalt: Natürlich sind die morbiden Gladiatorenspiele auch ein Sinnbild für das Kino selbst, das sich pausenlos übertreffen und steigern, immer noch extremere Bilder finden muss, um vom Publikum nicht mit einem indifferenten Achselzucken und Desinteresse abgestraft zu werden, auch wenn man nur noch in einen Zerrspiegel der Realität blickt. Daumen hoch oder Daumen runter, das ist hier die Frage.
„Gladiator II“ erzählt auch eine Geschichte vom Streben nach absoluter Macht, von Intrigen und Ränkespielen, vom Begleichen offener Rechnungen: Mit kühlem und coolem Kalkül nutzt der ehemalige Sklave Macrinus die ungebremste Wut von Lucius für seine Zwecke, die den jungen Mann blind macht und nicht erkennen lässt, dass seine vermeintliche Nemesis Marcus Acacius eigentlich ein Ehrenmann ist, der gemeinsam mit seiner einflussreichen Frau Lucilla den Sturz der degenerierten Anführer des Reiches plant, Rom zu seiner alten Größe zurückführen will. Lucilla freilich ist, man ahnt es schnell, die Mutter von Lucius, die den Jungen nach dem Tod von Maximus weit weg von ihrer Heimat hatte bringen lassen, damit er in Sicherheit aufwachsen konnte. Wenn sich Lucius und Marcus Acacius schließlich im unweigerlichen Kampf gegenüberstehen, ist es auch ein Zusammenprall widerstrebender Emotionen.
Aller Bildermacht zum Trotz ist „Gladiator II“ auch ein Schauspielerfilm: Den irischen Schauspieler Paul Mescal, ein Darling der Independentkritik, hätte man sich nach seinen stimmungsvollen und mutigen Auftritten in Filmen wie „Aftersun“ oder „All of Us Strangers“ nicht unbedingt vorgestellt als bestmöglichen Helden in einem Sandalenfilm. Aber wer ihm vorwirft, er sei kein neuer Russell Crowe, dem muss man einerseits zustimmen. Natürlich nicht. Soll er nicht, will er auch nicht. Weil dieser Lucius eben kein Feldherr ist wie Maximus, Inbegriff der Virilität und trotzdem zu großer Zärtlichkeit fühig, sondern ein verlorener Junge, der gelernt hat, um sein Überleben zu kämpfen. Der von einer fast übermenschlichen Wut erfüllt ist, die im Gegensatz zu seinem feinen Wesen steht. Und wenn es darauf ankommt, dann steht Mescal seinen Mann (sic!). Pedro Pascal aus „The Last of Us“ und „The Mandalorian“ als Marcus Acacius ist es, der tatsächlich in die Fußstapfen von Russell Crowe tritt und nicht von ungefähr der neue Mann von Connie Nielsens Lucilla ist, der das Rohe und Maskuline verkörpert und einen extremen Kontrapunkt setzt zu Joseph Quinn („A Quiet Place: Tag eins“) und Fred Hechinger („Thelma“) als hässliche, blutleere Fratze absoluter Macht, die als Geta und Caracalla offenkundig als entscheidende Regieanweisung erhalten hatten, sie hätten völlig freie Hand, wenn es ihnen nur gelingt, den Irrwitz von Peter Ustinovs Nero in „Quo Vadis?“ ins Bodenlose zu steigern. Und über allem thront Denzel Washington in seiner ersten Arbeit mit Ridley Scott seit „American Gangster“ als Macrinus mit einem so souveränen und tiefenentspannten Auftritt, dass man die Augen nicht von ihm nehmen kann, wenn er im Bild ist. Niemand anderes macht so viel, wenn er nichts macht.
Wo wir sind, ist nicht der Tod. Der Film ist angefüllt mit Todesmystik, ist oftmals schon gar nicht mehr im Hier, sondern mit mindestens einem Fuß schon im Jenseits. Sterben und Sterblichkeit sind omnipräsente Themen. Immer wieder lässt Ridley Scott seine Figuren darüber sinnieren, was man erreicht haben will im Leben, worum es sich zu kämpfen lohnt und vor allem, was die Hinterlassenschaft sein soll, wenn wir eines Tages in den Kahn des Fährmanns Charon steigen. Darüber haben schon wesentlich jüngere Regisseure wesentlich weniger vitale und unterhaltsame Filme gemacht. Als würde ein Todgeweihter grüßen, wirft der Brite noch einmal alles in die Waagschale, was er zu bieten hat, große Bilder in so hoher Frequenz, dass man sie gar nicht so recht zu schätzen weiß. Und immer wieder kreist alles um den ersten „Gladiator“. Ein weniger genialer Einfall war es, tatsächlich Momente des damals singulären Filmereignisses ins Geschehen einzuschneiden, als wollte sein Macher selbst den Vergleich anstellen, ob er es noch draufhat, 47 Jahre nach seinem Erstling „Die Duellisten“: als müssten sich die beiden Filme selbst duellieren. Das Duell ist bis heute die Essenz im Schaffen von Ridley Scott. Es findet sich auch in „Gladiator II“ wieder. Und immer wieder. Das Kräftemessen ist das Vermächtnis von Ridley Scott. Keiner hat jemals so machtvolle und wirkmächtige Bilder dafür gefunden wie er. Das ist sein Antrieb. Bis wir nicht mehr unterhalten davon sind. Oder er selbst in den Kahn von Charon steigt. Und ihm auf dem Weg sicherlich die Idee für einen großartigen Film erzählt, der alles in den Schatten stellen wird. Wie es auch „Gladiator II“ in seinen vielen guten und starken Moment gelingt.
Thomas Schultze